Herr Dr. Krämer, der neue US-Präsident macht tatsächlich Ernst mit seinen Wahlkampf-Ankündigungen. Er kündigt das trans-pazifische Freihandelsabkommen TTP, ruft China wegen des milliarden-schweren Handelsbilanz-Defizits zur Ordnung und droht Autobauern offen mit Strafzöllen für Importe aus Mexiko. Haben Sie mit einem solch kompromisslosen Start der neuen US-Regierung gerechnet?
Jörg Krämer: Trump ist kein echter Republikaner. Er kann sich nicht auf die Republikaner im Kongress verlassen. Stattdessen sind die vielen enttäuschten Wähler außerhalb der Metropolen seine Machtbasis. Die will er nicht verlieren. Deshalb war klar, dass er möglichst viele seiner Wahlversprechen umsetzen wird und kompromisslos rumpoltert.
Bei vielen Beobachtern wächst angesichts dessen aber die Furcht vor einer Rückkehr des Protektionismus. Auch in Deutschland blicken viele Manager mit wachsender Sorge über den Atlantik. Steuert die neue US-Regierung die weltgrößte Volkswirtschaft geradewegs in einen internationalen Handelskrieg?
Leider ist Trump ein überzeugter Protektionist. Aber seit der Finanzkrise wächst der Welthandel kaum noch, eigentlich bräuchte er Impulse durch neue Freihandelsabkommen. Aber die wird es wegen Trump und der vielen Freihandelsgegner in Europa nicht mehr geben. Das ist eine riesige verpasste Chance. Darüber hinaus wird Trump den bereits erreichten Grad an Globalisierung etwas zurückdrehen. Er dürfte zumindest für einzelne Gütergruppen Importzölle einführen - etwa gegen Mexiko oder China. Aber es ist unklar, ob er Zölle auch auf breiter Front einführen würde. Schließlich würde er damit Gegenreaktionen provozieren - etwa auf Seiten Chinas. Darunter würden am Ende auch die vielen international aufgestellten US-Unternehmen leiden.
Wie sehr würde ein Ende des Freihandels Europa, vor allem aber die deutsche Wirtschaft treffen, und welche Branchen wären am stärksten betroffen?
Zölle auf breiter Front wären eine Katastrophe, besonders für die exportlastige deutsche Wirtschaft, aber auch für die USA. Ich gehe davon aus, dass Trump Geschäftsmann genug ist, einen desaströsen Zollwettlauf zu vermeiden. Er würde sich ins eigene Fleisch schneiden. Die vielen Auslandsinvestitionen amerikanischer Unternehmen könnten wertlos werden.
An der Börse kommt die Aussicht auf umfassende Senkungen der Unternehmenssteuern und ein milliarden-schweres Investitionsprogramm dagegen gut an. Der Dow hat gerade erst die 20.000-Punkte-Marke geknackt. Halten Sie diese Euphorie für begründet oder ist das nur ein Strohfeuer?
Steuersenkungen und Infrastrukturinvestitionen sind gut. Aber der Markt ist zu kurzsichtig und hat zu viel Positives eingepreist. Schließlich schwebt über allem das Damoklesschwert des Protektionismus.
Sollten wir uns an anderen Kernvorhaben des neuen US-Präsidenten wie der geplanten Abschaffung zahlreicher Vorschriften, der vorgesehenen Aufweichung der Handelsbeschränkungen für Banken oder den Steuersenkungen und Infrastruktur-Investitionen in Deutschland ein Beispiel nehmen?
Mehr Infrastrukturinvestitionen wären auch in Deutschland dringend notwendig, bereits jetzt klagen ein Fünftel aller Unternehmen, dass sie durch schlechte Straßen und Brücken in ihrer Geschäftstätigkeit ernstlich behindert würden. Steuererleichterungen wären mit Blick auf die vollen öffentlichen Kassen ebenfalls sinnvoll. Aber Banken müssen reguliert bleiben, um das Risiko neuer Blasen an den Finanz- und Häusermärkten zu senken. Und Protektionismus ist Gift für die Wirtschaft.