Nach Einschätzung des weltweit zweitgrößten Rückversicherers Swiss Re könnten Versicherte künftig Geld sparen, wenn sie für ihre Kranken- oder Kfz-Versicherung mit ihren persönlichen Daten einen gesunden Lebensstil oder vernünftigen Fahrstil nachweisen. Entsprechend investiert Swiss Re in das Startup digi.me, bei dem Konsumenten ihre persönlichen Daten aus sozialen Netzwerken und anderen Kanälen hinterlegen können. "In relativ kurzer Zeit, vielleicht ein paar Jahren, werden die meisten der großen Versicherer Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung besitzen", sagte Swiss-Re-Manager Daniel Ryan. "Das wird zweifelsohne zu einer veränderten Interaktion zwischen der Versicherung und den Versicherten führen."
Mit den Daten könnten die Anbieter künftig versuchen, ihre Kunden zu einem besseren Verhalten zu animieren. Gelingen könnte das mit Fitnessplänen - basierend auf Faktoren wie Alter, Blutdruck, Ernährung und körperlicher Aktivität. Deren Einhaltung wird dann auch überwacht - und die Konsumenten für Fortschritte belohnt, etwa indem sie Preisnachlässe für gesundes Essen oder Rabatt bei der Buchung einer Reise bekommen.
"FAHR WIE EIN MÄDCHEN" - SANFTER FAHRSTIL SPART KOSTEN
Auch bei der Kfz-Versicherung wird die Nutzung von Daten erprobt: Der US-Anbieter Allstate oder die britische Versicherung "Drive Like a Girl" bieten Rabatte für Autofahrer an, wenn diese einen sicheren Fahrstil nachweisen. Dafür wird ein spezielles Gerät im Auto installiert. Dieses misst die Geschwindigkeit, wie heftig der Fahrer bremst und wann und wie häufig das Fahrzeug in Gebrauch ist. Allstate verspricht, die Prämien auf Basis der Daten nicht zu erhöhen, sondern lediglich zu senken oder konstant zu halten.
Doch Kritiker fürchten, dass andere Anbieter Kunden mit einem eher burschikosen Fahrstil über höhere Prämien zur Kasse bitten. Das hätte letztlich zur Folge, dass jene Versicherungsnehmer, die ihren Lebens- oder Fahrstil nicht verbessern können oder wollen, durch den Rost fallen. Denn Versicherungen könnten sich jene Kunden aussuchen, die kein großes Risiko darstellten und andere ablehnen. Das Grundprinzip einer Versicherung wäre damit ausgehebelt.
Besonders in Deutschland sind die Resentiments hoch: "Wenn ich für jeden Einzelnen seine individuellen Prämien und sein individuelles Risiko berechne, dann verteile ich das Risiko nicht mehr im Kollektiv", sagte Lars Gatschke vom Bundesverband der deutschen Verbraucherzentrale (VZBV). Stattdessen könnten sie Kunden bestrafen, wenn sie Fastfood essen oder der Schrittzähler am Ende des Tages Bewegungsmuffel enttarnt.
Auch wenn vieles davon noch Zukunftsmusik ist - in den Köpfen der Versicherungsmanager hat diese neue Welt bereits begonnen, wie eine Randbemerkung von Swiss-Re-Chef Christian Mumenthaler zeigt: "Ich persönlich wäre vorsichtig, was ich im Internet veröffentliche", sagte er.
rtr