Der Name Wienerberger hat in der Geschichte Österreichs im wahrsten Sinne des Wortes einen festen Platz. Das Material für die Prachtbauten der Habsburger Monarchie, die im 19. Jahrhundert rund um die Ringstraße entstanden, stammte vom Wienerberg. Dort hatten die Ziegelwerke ihren Sitz, in denen unter teilweise miserablen Arbeitsbedingungen Ziegel hergestellt wurden.

Vom lokalen Monopolisten ist das seit 1869 börsengelistete Traditionsunternehmen zum europaweit größten Hersteller von Dach- und Tonziegeln aufgestiegen. Wienerberger versteht sich als Systemanbieter für Neubauten, energetische Sanierungen und Infrastruktur. Neben Dach- und Mauerziegeln, Flächenbefestigungen aus Beton und Rohrleitungen hat der Konzern digitale Lösungen im Angebot, zum Beispiel digitale Verkabelungspläne für die Installation von Elektronik oder Apps für die Vermessung von Dächern. Mit diesem Geschäftsmodell und dem Kosteneffizienzprogramm namens "Fast Forward 2020" schaffte es Wienerberger, von 2016 bis 2019 den Konzerngewinn zu verdreifachen. Im selben Zeitraum stieg der Aktienkurs um mehr als das Doppelte - bis der Corona-Crash den Höhenflug fürs Erste stoppte.

Neustart-Fantasie

Für das laufende Geschäftsjahr erwartet Wienerberger in den einzelnen Endmärkten Nachfrageeinbußen von 15 bis 20 Prozent. Das bereinigte Ebitda soll gegenüber den 588 Millionen Euro vom Vorjahr auf 440 bis 480 Millionen Euro schrumpfen. Dazu hat Wienerberger insgesamt 116,1 Millionen Euro wertberichtigt, davon über 90 Millionen Euro aus nicht cashrelevanten Abwertungen in den USA.

Weitere Abschreibungen für 2020 schließt Vorstandschef Heimo Scheuch aus. Weil Wienerberger lokal produziere, so Scheuch gegenüber BÖRSE ONLINE, sei das Unternehmen während des Lockdowns nicht von der Unterbrechung von Lieferketten etwa nach Asien und Südamerika betroffen gewesen. Wie schnell das Geschäft wieder anlaufe, hänge davon ab, wann sich der aktuelle Rückstau bei Baugenehmigungen und dem Gewerbebetrieb wieder auflöse.

Zugleich bietet die Corona-Krise eine Chance für neue Aufträge. Wienerberger sollte davon profitieren, wenn im Rahmen des von der EU beschlossenen Wiederaufbaufonds europaweit neue Infrastrukturprojekte umgesetzt werden. Darüber hinaus ist die Gesellschaft mit 500 Millionen Euro für weitere Zukäufe gut gerüstet.

Die aktuelle Bewertung lässt bei einer Geschäftserholung noch reichlich Spielraum nach oben. Aktuell notiert die Aktie knapp über dem Buchwert. Vorausgesetzt, dass sich die Corona-Pandemie in den nächsten Monaten nicht verschärft, können sich die Aktionäre für 2019 auf eine Dividende von 0,60 Euro je Aktie freuen. Auf der virtuellen Hauptversammlung wurde die Ausschüttung unter Vorbehalten für den 30. Oktober beschlossen.