€URO AM SONNTAG: Warum lehnen Sie staatliche Hilfen für die großen Autokonzerne kategorisch ab?
WILFRIED FUHRMANN: Die Autoindustrie ist keine Schlüsselindustrie, denn dann würde sie es allein schaffen. Die Autoindustrie saugt sich voll wie ein Schwamm, mit starker Lobbyarbeit. Langsam reicht es. Worum geht es der Politik denn primär? Um Erträge wie die VW-Dividende? Einvernehmen mit den Gewerkschaften? Förderung der Autoindustrie in anderen EU-Ländern? Für Autohilfen fehlt jede ordnungspolitische Rechtfertigung.
Was wäre denn ordnungspolitisch legitim?
Es gibt viele Möglichkeiten, zum Beispiel bei Steuern ein Verlustrücktrag auf zwei Jahre mit ausgezahlter Negativsteuer. Außerdem Reduktion oder Aussetzung von bestimmten Steuern für ein Jahr, zum Beispiel bei der Luftverkehrsteuer oder der Mehrwertsteuer für Kultur, Gaststätten, Tourismus und Energie. Oder auch gemeinsame Anleihen des Bundes mit einzelnen Unternehmen wie der Lufthansa.
Braucht die Lufthansa keine Kapitalhilfen?
Sinnvoll wäre ein Mix aus befristeten Krediten, stiller Beteiligung und Wandelanleihe bzw. Nachrangkapital. Dagegenwäre eine Staatsbeteiligung mit mehr Stimmrechten der beste Weg in eine "Staatslinie" und eine Fusion mit einem (französischen?) Champion.
Sie warnen vor dem schleichenden Aufbau einer Staatswirtschaft in Deutschland.
Was meinen Sie damit genau?
Mit jeder Krise steigt der Einfluss der Politik auf die Wirtschaft. Marktmechanismen werden kritisiert, zurückgedrängt, dem politischen Primat untergeordnet. Unsere Grundwerte nähern sich dem Mythos des allwissenden, gut meinenden Staats. Desaster wie Bahn oder gescheiterte Bankenrettungen vergisst man. Kanzlerin und Regierung nähern sich an das staatswirtschaftliche Modell Frankreichs an.