Die operative Umsatzrendite vor Sondereffekten werde unterhalb der angepeilten Spanne von drei bis fünf Prozent bleiben, räumte der Energietechnik-Konzern ein. Siemens-Gamesa-Vorstandschef Andreas Nauen deutete am Donnerstag an, dass es ein Jahr länger dauern könne, bis der Hoffnungsträger des Konzerns seine Ziele schafft.
Der vor einem Jahr an die Spitze von Siemens Gamesa gerückte Nauen wollte sich nicht mehr festlegen, ob eine operative Marge von acht bis zehn Prozent bis 2023 erreichbar sei oder erst im Jahr 2024. "Wir melden uns wieder bei Ihnen, wenn wir mit unseren Hausaufgaben weiter sind", sagte Nauen vor Analysten. Die Aktie von Siemens Gamesa stürzte um bis zu 17 Prozent ab; in diesem Jahr hat sie ein Drittel an Wert verloren. Die schlechten Nachrichten lösten auch einen Ausverkauf bei anderen Windanlagenbauern aus: Nordex und die dänische Vestas fielen um je 7,5 Prozent. Die im Leitindex Dax notierte Siemens-Energy-Aktie brach um neun Prozent auf 23,41 Euro ein.
ERST NORWEGEN, JETZT BRASILIEN
Siemens Gamesa kämpft mit stark steigenden Rohstoffpreisen für Stahl oder Kupfer, aber auch mit Problemen beim Hochlauf der neuen Turbinen-Generation 5.X. Vor allem in Brasilien sorge die Corona-Pandemie für Nachschub- und Ausführungsprobleme, die die Kosten nach oben trieben, teilte das Unternehmen mit. Auf die 5.X-Projekte in Brasilien habe man deshalb 229 Millionen Euro abgeschrieben. Operative Probleme und defizitäre Projekte sind nicht neu bei Gamesa. 2019/20 waren die Spanier bei der Installation von fünf großen Windparks in Norwegen vom Winter überrascht worden. Die Gespräche mit Kunden über die Weitergabe der hohen Stahlpreise seien schwierig, sagte Nauen. "Aber es ist klar, dass wir angesichts des Ausmaßes der Erhöhungen nicht darauf sitzenbleiben können."
Siemens Gamesa rechnet im laufenden Geschäftsjahr nicht mehr mit einem Gewinn. Die um Sondereffekte bereinigte Umsatzrendite vor Steuern und Zinsen (Ebit-Marge) werde bei null bis minus ein Prozent liegen; bisher war Nauen von drei bis fünf Prozent ausgegangen. Bereits im Vorjahr hatte die Siemens-Energy-Tochter mit minus 2,5 Prozent rote Zahlen geschrieben. Der Umsatz werde am unteren Ende der Prognosespanne von 10,2 bis 10,5 Milliarden Euro liegen. Dabei hatte Siemens Gamesa die Erwartung schon vor drei Monaten nach unten korrigiert. Im dritten Quartal (April bis Juni) lag der Umsatz bei 2,7 Milliarden Euro, der bereinigte Verlust bei 150 Millionen Euro.
SIEMENS ENERGY FEHLT DER DURCHGRIFF
Angesichts dieser Zahlen werde auch der Mutterkonzern die Erwartungen der Analysten im dritten Quartal nicht erfüllen, warnte Siemens Energy. Der Konzernumsatz soll im Geschäftsjahr aber wie geplant um drei bis acht Prozent zulegen; hier hatte Siemens Energy bereits vor drei Monaten Abstriche gemacht. Im angestammten Geschäft mit Turbinen für Gas- und Kohlekraftwerke laufe alles nach Plan, betonte Siemens Energy. Dort werde der Umsatz um zwei bis sechs Prozent wachsen, bei einer operativen Umsatzrendite von 3,5 bis 5,5 Prozent.
Die Zukunft soll aber vor allem bei Siemens Gamesa liegen. Steigende Ordereingänge und staatliche Infrastrukturprogramme hatten Siemens Energy noch im Mai zuversichtlich für das Geschäft mit Erneuerbaren Energien gestimmt. Die anhaltenden Probleme dürften aber die Debatte hochkochen lassen, ob eine Komplettübernahme der spanischen Tochter nicht doch sinnvoll wäre. Vorstandschef Christian Bruch hatte bereits laut darüber nachgedacht. Siemens Energy hält zwar zwei Drittel der Anteile an Siemens Gamesa, kann bei dem börsennotierten Unternehmen aber nicht wie gewünscht durchregieren. Mit dem Kursrutsch würde eine Übernahme der restlichen Anteile deutlich billiger.
rtr