Da wirkt es geradezu paradox, dass die Kryptowährung am Sonntag einen wichtigen Karriereschritt in Richtung eines etablierten Finanzprodukts machen wird. Doch genau das könnte einer der Gründe für das Chaos sein. Für Nicht-Bitcoin-Freaks ist das alles kaum noch zu verstehen - das Wichtigste im Überblick:
Was ist überhaupt ein Bitcoin?
Der Bitcoin ist die bekannteste von inzwischen über 1000 Digitalwährungen. Ein gewisser Satoshi Nakamoto, dessen Identität bis heute nicht eindeutig geklärt ist, soll ihn 2009 in Umlauf gebracht haben. Die Digitalwährung wird nicht von zentralen Instanzen wie Notenbanken oder Regierungen kontrolliert und gewährt bei Überweisungen Anonymität. Bitcoins sind rein virtuell und werden auf Computern von Nutzern durch Rechenprozesse erzeugt. Dieses sogenannte Mining wird gemäß der Idee des Erfinders mit der Zeit immer komplizierter, sodass der Bitcoin knapp gehalten wird.
Was wird am Sonntag passieren?
Die US-Handelsplattform CBOE will Ende der Woche den ersten Bitcoin-Terminkontrakt einführen. Eine Woche später will auch der weltweit größte Börsenbetreiber CME folgen. Mit diesen sogenannten Future-Kontrakten werden Rohstoffe oder Finanzprodukte zu einem vorab festgelegten Preis zu einem bestimmten künftigen Zeitpunkt gehandelt. Dadurch können sich Käufer und Verkäufer gegen Preisschwankungen absichern. Es sind aber auch Spekulationen auf künftige Kursentwicklungen möglich. In den Fokus der Öffentlichkeit geraten Future-Kontrakte immer wieder beim Thema Nahrungsmittel. Kritiker werfen Banken vor, mit Spekulationen etwa auf den Weizenpreis zum Schaden der Ärmsten der Welt die Lebensmittelpreise nach oben zu treiben.
Was bedeutet die Einführung des Futures für Bitcoin-Fans?
Der Bitcoin macht damit einen Karriereschritt auf dem Weg vom Anarcho-Cyberprodukt in die etablierte Finanzbranche, denn Bitcoins werden durch die Futures auch für große, institutionelle Investoren besser handelbar. Insidern zufolge plant sogar die große US-Investmentbank Goldman Sachs, für bestimmte Kunden Bitcoin-Futures abzuwickeln. Das Ansehen wächst also, was ein wichtiger Grund für den jüngsten Wertzuwachs und den verstärkten Bitcoin-Hype ist. Allerdings ist das nicht im Sinne vieler Bitcoin-Fans, die in den Cyber-Münzen eine dezentral organisierte Alternative zu etablierten Währungen sehen. Die starken Kursschwankungen machen den Bitcoin als Zahlungsmittel jedoch vollkommen ungeeignet. In Bitcoin-Foren wird bedauert, dass der Finanzmarkt eine gute Idee aufsauge und zerstöre.
Könnte ein Bitcoin-Future gefährlich werden?
Der US-Milliardär Thomas Peterffy warnt vor einem möglichen Crash am gesamten Finanzmarkt wie nach der Lehman-Pleite. Führende Währungshüter der Welt sind sich aber einig, dass der Bitcoin dafür eine viel zu geringe Bedeutung hat. Er stelle für die Finanzstabilität kein Risiko dar, sagt Vitor Constancio, Vizechef der Europäischen Zentralbank (EZB). Sorgen macht Behörden eher, dass Kriminelle den Bitcoin für anonyme Überweisungen nutzen können. Die Bild-Zeitung berichtet etwa, dass der Erpresser des Paketdienstes DHL eine Lösegeldzahlung in Bitcoin fordere. Zudem werden immer wieder Bitcoin-Börsen von Hackern beklaut, zuletzt am Donnerstag der slowenische Anbieter Nice Hash. Da keine Banken, Staaten oder Notenbanken Bitcoins kontrollieren, gibt es bei einem Diebstahl - anders als bei Guthaben auf einem normalen Bankkonto - keine Möglichkeit, die Transaktion rückgängig zu machen.
Könnten die Terminkontrakte verboten werden?
Staatliche Aufsichtsbehörden könnten den künftigen Future-Handel jederzeit unterbinden. Die US-Behörde CFTC hat aber zuletzt grünes Licht gegeben. In der etablierten Finanzbranche sieht man das zum Teil mit Argwohn. Der Lobbyverband "Futures Industry Association" kritisiert, dass es kaum eine öffentliche Diskussion darüber gegeben habe. Die CFTC beteuert unterdessen, man werde den Handel mit den Futures künftig beobachten und dann weiterhin prüfen, ob Anpassungen nötig seien.
Wird der Wert des Bitcoin nach der Future-Einführung noch weiter steigen?
Das ist möglich, aber niemand kann das wissen. Eugen Weinberg, Experte bei der Commerzbank, sieht den Bitcoin jetzt an einem kritischen Punkt. "Mit dem Future haben künftig beispielsweise Hedgefonds die Möglichkeit, im großen Stil auf einen Wertverfall beim Bitcoin zu wetten." Grundsätzlich sei dies zwar schon vorher möglich gewesen, künftig sei es aber viel leichter. Ein deutlicher Preisverfall wäre demnach nicht verwunderlich. Der Chef der französischen Notenbank sieht das ähnlich und warnt all jene, die in Bitcoins investieren, dass sie dies "vollständig auf eigenes Risiko" tun.