BÖRSE ONLINE: Herr Hufeld, alle reden von Kryptowährungen, ein Gebiet, das bislang kaum reguliert ist. Wie geht die BaFin mit dem Phänomen um?
Felix Hufeld: Wir beobachten diesen sich entwickelnden Markt genau. Grundsätzlich gilt: Kryptowährungen, also Krypto-Token wie der Bitcoin, die ich im klassischen Sinne nicht als Währungen, sondern eher als Recheneinheiten sehe, sind primär als Zahlungsmittel konzipiert. Aufsichtlich ist derzeit die Pseudonymität, also die Intransparenz der Teilnehmer, eindeutig das größte Problem, das den Einsatz von Krypto-Token zu Geldwäschezwecken oder zur Finanzierung von terroristischen Aktivitäten oder anderen Straftaten in besonderem Maße anfällig macht.
Was heißt das für private Anleger?
Für private Anleger gilt: Krypto-Token sind hochspekulativ und können zum Totalverlust führen. Hinter ihnen stehen kein Staat und kein Versprechen eines staatlich regulierten Emittenten, insbesondere keine Zentralbank. Sehr häufig steht überhaupt kein Versprechen dahinter, das irgendwelche belastbaren Rechte vermittelte, bestenfalls Hoffnungen. Krypto-Token haben genau den Wert, den ihnen der Markt gerade beimisst. Wer in Krypto-Token investiert, sollte im Zweifel auf das Geld auch verzichten können. Für alle anderen gilt: Finger weg!
Je nachdem, wie sich Volumina und Produktstrukturen im Zusammenhang mit Krypto-Token weiterentwickeln, wird man regulatorisch, das heißt auch gesetzgeberisch nachjustieren müssen.
Also müssen Krypto-Token dringend stärker reguliert werden?
Aus Sicht der Finanzstabilität würde ich derzeit noch nicht die Alarmglocke läuten. Noch ist der Gegenwert der Krypto-Token, die derzeit aus Deutschland heraus bewegt werden, im Vergleich zur gesamtwirtschaftlichen Leistung nicht so groß, als dass wir unmittelbare Auswirkungen auf die Finanzstabilität befürchten müssten.
Wie steht es um den Verbraucherschutz?
Wir haben aber auch den Verbraucherschutz im Fokus. Deshalb haben wir im vergangenen November vor Initial Coin Offerings (ICOs) gewarnt und dabei auch auf die hohe Preisvolatilität von Krypto-Token hingewiesen. Denken Sie nur an den Kurs des Bitcoins, der im vierten Quartal 2017 in astronomische Höhen stieg, um dann kurz vor Weihnachten in ein tiefes Tal zu stürzen, aus dem er bis heute nicht ganz herausgekommen ist. Und niemand kann Ihnen garantieren, dass ein Krypto-Token dauerhaft handelbar ist.
Sollte wirklich einmal ein Krypto-Token crashen und sollten Privatanleger dabei im großen Stil Geld verlieren, dann prophezeie ich, dass das Heulen und Zähneklappern groß sein wird. Daher unsere nachdrücklichen und deutlichen Warnungen. Gier und spekulatives Fieber sind allerdings unausrottbar. Wir werden nicht jeden einzelnen Anleger vor seinem Schicksal bewahren können und das kann auch nicht Aufgabe einer staatlichen Aufsicht sein. Aufsichtlich oder regulatorisch handeln müssen wir, wenn die Finanzstabilität insgesamt bedroht oder Verbraucher systematisch Schaden nehmen oder krimineller Missbrauch strukturell begünstigt werden könnte.
Was konkret sollte Ihrer Meinung nach denn getan werden?
Einige wichtige Vorschriften gibt es bereits. So braucht man für den gewerblichen Handel mit Finanzinstrumenten im Sinne des Kreditwesengesetzes, zu denen auch Krypto-Token wie Bitcoin gehören, grundsätzlich eine Erlaubnis der BaFin. Das ist nicht anders als beim gewerbsmäßigen Handel mit Aktien, Schuldverschreibungen, Devisen und Derivaten. Wir schauen da genau hin. Erst Ende Januar haben wir ein Berliner Unternehmen gebremst, das ohne unsere Erlaubnis einen Handel mit Bitcoins aufziehen wollte.
Außerdem müssen in Deutschland ansässige Krypto-Tauschplattformen dieselben geldwäscherechtlichen Vorschriften befolgen, wie andere Finanzdienstleister - vor allem, was die Identifizierung von Kunden angeht. Auch dies wird von der BaFin überprüft.
Es greifen auch andere Regulierungsmechanismen. So können wir bei ICOs die Token der emittierenden Gesellschaften unter Umständen als Finanzinstrument oder Wertpapier einordnen. Daraus können zum Beispiel Prospektpflichten entstehen. Zudem haben wir, wie schon erwähnt, die Möglichkeit, Verbraucher zu warnen.
Und international?
Auch die G20 sowie der europäische Gesetzgeber haben das Thema Krypto-Token auf der Agenda, wie sich bei der Änderungsrichtlinie zur Vierten Geldwäscherichtlinie gezeigt hat. Dort ist vorgesehen, Krypto-Tauschplattformen und Wallet-Provider unter Geldwäscheaufsicht zu stellen. Wir stimmen uns eng mit den anderen europäischen Aufsichtsbehörden ab und versuchen, Schritt für Schritt gleiche Schutzstandards zu erreichen.
In der vernetzten, digitalen Welt geht es aber nicht bloß um mehr Paragraphen. So strömen auch aus dem Ausland über das Internet viele unseriöse Angebote in die deutschen Stuben. Und auch innerhalb Deutschlands müssen wir die vielen betrügerischen Angebote auf dem Schirm haben. Um eine Krypto-Tauschplattform an den Start zu bringen, brauchen Sie eben keine aufwendig ausgestattete Raketenwerkstatt, so etwas kriegt auch ein Einzelner in jedem x-beliebigen Hinterzimmer hin. Entsprechend schwer sind solche Leute zu fassen.
Die Kurse der Krypto-Token sind in den vergangenen Wochen stark eingebrochen. Der Bitcoin fiel beispielsweise nach seinem Rekordhoch Mitte Dezember um rund 70 Prozent. Ist mehr Regulierung auch die Antwort auf solche Entwicklungen?
Kursschwankungen sind für sich genommen sicher kein Grund für verschärfte Regulierung. Volatilität staatlich wegregulieren zu wollen, ist weder möglich noch erstrebenswert. Entscheidend ist die Bewahrung der Finanzstabilität insgesamt und das Anleger, zumal private, wissen, was sie tun. Originell finde ich, dass einige Anbieter von Krypto-Token für sich gezielt dadurch Werbung machen, dass sie Zahlungsmittel außerhalb einer staatlich kontrollierten Sphäre etablieren wollen. Das kommt mir so vor, als ob man für den Zuzug in ein Stadtviertel Werbung machte, in dem man öffentliche Sicherheit und Ordnung ausschließlich durch eine unverbindliche, knapp gehaltene Hausordnung und unter grundsätzlichem Verzicht auf die Polizei gewährleisten wollte. Eine nette, etwas anarchisch-romantische Vorstellung - und zugleich eine gefährliche Illusion. Das Recht des Stärkeren wird nicht dadurch erträglicher, dass man es crowd oder peer-to-peer nennt. Kein öffentliches Gut, sei es Sicherheit und Ordnung, Umweltschutz, Finanzstabilität oder das Vertrauen von Verbrauchern in eine Währung, kann ohne staatliche Regulierung und letztlich staatlichen Zwang gewährleistet werden. Dies haben wir unter Anderem in der letzten Finanzkrise bitter gelernt und ich kann nur hoffen, dass es nicht einer weiteren bedarf, um den überragend hohen Wert solcher öffentlichen Güter und ihrer Rahmenbedingungen erneut wertzuschätzen.