Nachdem sich die Vorwürfe der Kursmanipulation im Fall des Zahlungsabwicklers Wirecard erhärtet haben, geht die Aktionärsvereinigung DSW von einer Klagewelle geschädigter Anleger gegen den Herausgeber eines Börsenreports aus. Der hatte 2016 Betrugsvorwürfe gegen Wirecard erhoben und einen Kurseinbruch verursacht.
Zudem könnten nun weitere verdächtige Ereignisse, etwa beim Werbevermarkter Ströer, dem mittlerweile insolventen Modeunternehmen Steilmann oder dem Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 von den Ermittlungsbehörden ebenfalls als Marktmanipulation eingestuft werden.
"Gerade bei ProSiebenSat.1 haben wir eindeutige Hinweise, dass es sich auch hier bei verdächtigen Kursbewegungen um Marktmanipulation handelt", sagte DSW-Vizechefin Daniela Bergdolt gegenüber BÖRSE ONLINE. "Wir begrüßen es, dass die Staatsanwaltschaft jetzt klar festgestellt hat, dass im Fall Wirecard Kurse in krimineller Weise beeinflusst wurden", sagte Bergdolt.
"Erhebliche Verluste"
Die Staatsanwaltschaft München hatte Anfang der Woche erklärt, dass die Ermittlungen zu den Vorgängen bei Wirecard vor fast drei Jahren abgeschlossen seien. Beim Amtsgericht München sei ein Strafbefehl gegen den Herausgeber eines unter dem Namen "Zatarra" veröffentlichten Börsenreports beantragt worden. In dem Report wurden Wirecard betrügerische Machenschaften vorgeworfen, worauf der Aktienkurs einbrach und 1,3 Milliarden Euro Börsenwert vernichtet wurden. Das einstige Tec-DAX-Mitglied Wirecard hat die Attacke überstanden, seine Marktkapitalisierung deutlich gesteigert und ist im September anstelle der Commerzbank in den Leitindex DAX aufgestiegen.
"Wir gehen davon aus, dass Anleger Schadenersatzforderungen in zweistelliger Millionenhöhe gegen den Herausgeber des Börsenreports stellen könnten", sagte Bergdolt. "Wir wissen, dass viele Anleger damals erhebliche Verluste davongetragen haben." Mit dem festgestellten Straftatbestand der Marktmanipulation könnten geschädigte Investoren relativ einfach Schadenersatzansprüche geltend machen, glaubt Bergdolt. "Erforderlich ist dazu lediglich ein deutscher Gerichtsstand."
Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen Fraser Perring. Der 45 Jahre alte Brite, angeblich ein früherer Sozialarbeiter, hat den "Zatarra"-Report im Februar 2016 herausgegeben. Perring soll auch verantwortlich sein für den Börsendienst Viceroy, der insbesondere durch Analysen über den südafrikanisch-deutschen Möbelhersteller Steinhoff und den Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 für Aufsehen gesorgt hat.
So hatte Viceroy im März dieses Jahres in einem Papier ProSiebenSat.1 eine fragwürdige Bilanzierung vorgeworfen. Zwar hatte der Konzern die Vorwürfe zurückgewiesen. Die Aktie reagierte trotzdem mit deutlichen Kursverlusten. Viceroy hatte gleichzeitig mit Leerverkäufen auf einen Kursverfall der Aktie des Münchner Medienkonzerns gewettet. Die Staatsanwaltschaft München hatte daraufhin Vorermittlungen wegen des Verdachts der Marktmanipulation eingeleitet. Inzwischen ist das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt gelandet. "Wir können dazu derzeit keine Auskünfte erteilen", sagte ein Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt zu BÖRSE ONLINE.
Angreifbare Ziele
Beim Möbelkonzern Steinhoff hatte Viceroy eine umfangreiche Analyse veröffentlicht mit detaillierten Angaben über angebliche heimliche Geldverschiebungen und versteckte Tochtergesellschaften, die dazu dienen sollten, das Geschäft des Möbelkonzerns zu beschönigen.
Die Viceroy-Darstellung soll dazu beigetragen haben, dass der Steinhoff-Aktienkurs in der Folge um mehr als 90 Prozent eingebrochen ist. Die Viceroy-Analyse wurde in Finanzkreisen auch deshalb so ernst genommen, weil sie sich auf angreifbare oder intransparente Geschäftsstrukturen bezog.