Rund elf Prozent steht die Aktie seit Januar im Plus - keine schlechte Bilanz. Nach dem Absturz von rund 50 Prozent in den ersten Wochen des Jahres meldete sich der Zahlungsabwickler gut erholt zurück. Als die Financial Times Ende Januar erstmals kritisch berichtete, bezahlten Anleger noch 170 Euro, aktuell sind es 150 Euro. Etwas Luft nach oben ist somit noch vorhanden, zumal die Aktie gegenüber dem Gesamtmarkt noch viel Nachholpotenzial aufweist. Nach Meinung der Privatbank Hauck & Aufhäuser liegt der faire Wert sogar bei 240 Euro. Analyst Robin Brass unterfüttert dies mit einer möglichen erneuten Anhebung der Unternehmensziele. Das durchschnittliche Kursziel der Analysten liegt bei knapp 200 Euro und lässt ebenfalls noch Fantasie.
Die Ruhephase der vergangenen Wochen dürfte bald wieder von kräftigeren Kursbewegungen abgelöst werden. Mit den anstehenden Zahlen am Mittwoch steht ein wichtiger Termin unmittelbar bevor. Bereits nach dem Auftaktquartal hatten die Münchner ihre Ebitda-Prognose nach oben genommen, auch jetzt könnte Konzernchef Markus Braun erneut überraschen.
Starkes Umfeld
Denn das Geschäft brummt, wie die Zahlen einige Branchenkollegen verdeutlichen. Mastercard übertraf beim Gewinn und Umsatz die Erwartungen, auch Visa profitierte von der Kauflaune der Kunden und knackte die Vorgaben. Paypal reduzierte hingegen die Umsatzprognose, Wirecards Konkurrent Adyen berichtet erst am 22. August.
Wirecard selbst glänzt seit Wochen bereits mit erfreulichen Meldungen - besser könnte die Antwort auf die immer neuen Vorwürfe kaum ausfallen. Der Einstieg von Softbank sorgte ebenso für Beifall an der Börse wie auch die angestrebte Zusammenarbeit mit dem Discounter Aldi. Auch die strategische Partnerschaft mit der Payment-Sparte der Sisal Group aus Italien zeigt, dass auf operativer Seite alles rund läuft und die Vorwürfe keinen Schaden bei der Kundengewinnung angerichtet haben. Vielmehr punktet Wirecard mit seinen starken Lösungen im Bereich der Megathemen Onlineshopping und Mobile Payment.
Vision 2025
Im ersten Quartal legte der Umsatz um 35 Prozent auf 567 Mio. Euro zu, der Gewinn nach Steuern schoss um die Hälfte auf 106 Mio. Euro. Für den Zeitraum von April bis Juni rechnen Analysten mit Umsätzen von 627 Mio. Euro sowie einem operativen Ergebnis von 184 Mio. Euro. Die langfristigen Ziele sind ebenfalls bereits klar abgesteckt: 2025 sollen über 10 Mrd. Euro durch die Kasse gehen, das Ebitda wird bei über drei Mrd. Euro erwartet. Im laufenden Jahr soll der Umsatz bei 2,7 Mrd. Euro liegen bei einem Ebitda von 762 Mio. Euro.
Die Ziele sind durchaus ambitioniert und hängen davon ab, dass der weltweite Trend zu bargeldlosen Zahlungen anhält. Zudem muss der globale e-Commerce-Markt wachsen. Voraussetzung dafür ist aber, dass auch die Weltwirtschaft nicht zu stark unter den Handelskonflikten leidet. Einige Konjunkturmodelle lassen schon jetzt eine Rezession in 2020 erwarten. Die Schätzungen für den Gewinn je Aktie 2020 sind in den vergangenen Monaten deutlich von 4,19 auf 5,69 Euro gesprungen. Daraus errechnet sich ein KGV von 26,6, das im Bereich des Branchendurchschnitts liegt.
Unsere Empfehlung: Beobachten.
Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse. www.index-radar.de