Während Experten bei praktisch allen Anbietern mit Einbußen rechnen, könnten viele kleinere Häuser soweit in existenzielle Nöte geraten, dass nur noch die Flucht in die Arme eines stärkeren Partners Rettung verspricht. "Wer schon jetzt schon am Kämpfen ist, wird ausgesiebt", prognostiziert ein Banker.
Die Aufweichung des lukrativen Bankgeheimnisses, schärfere regulatorische Vorgaben und der Abwehrkampf gegen Technologiefirmen haben der Widerstandskraft der Schweizer Privatbanken in den vergangenen Jahren zugesetzt. "Die Vermögensverwaltungsbanken sind in einer schlechteren Verfassung als vor der Finanzkrise", sagt Anna Zakrzewski vom Strategieberater Boston Consulting Group (BCG). Obwohl die Vermögen der reichen Privatkunden bei Banken in der Schweiz auf 3,2 Billionen Dollar geklettert seien, hätten sich die Vorsteuergewinne der Branche in der Zeit fast halbiert - und das noch vor der Ansteckung durch das Coronavirus.
KUNDEN HABEN ANDERE SORGEN
Zum Geschäftsgang im ersten Quartal hatten sich UBS und Credit Suisse Mitte März erstaunlich positiv geäußert. So führten die massiven Ausschläge an den Börsen zu einem Wertpapier-Handelsboom, der den Instituten reichlich Geld in die Kassen spülte. Doch Experten rechnen damit, dass dieser Trend in den kommenden Monaten nachlassen dürfte. "Ausgelöst durch die Pandemie erleben wir bei den Kunden eine größere Verunsicherung", sagte Vontobel-Chef Zeno Staub auf der Generalversammlung. Ein Vertreter einer anderen Privatbank erklärte, weil die Berater ihre Kunden zur Zeit nicht persönlich treffen könnten, sei es schwieriger, sie zu Transaktionen zu ermuntern. "Dazu kommt; viele unserer Kunden sind Unternehmer, und die haben jetzt andere Sorgen."
Der wichtigste Ertragspfeiler für die Institute sind Gebühren, die sich als fester Prozentsatz auf den verwalteten Vermögen errechnen. Und mit dem Börseneinbruch sind diese markant gesunken. Doch damit nicht genug: Weitere Einbussen drohen, weil die US-Notenbank die Zinsen gestutzt hat und die Kunden zunehmend auf kreditfinanzierte Wertpapier-Käufe verzichten. Dieses Geschäft war in den letzten Jahren ein wichtiger Wachstumstreiber der Credit Suisse. Zuletzt sprang auch die UBS auf diesen Zug auf.
Dieses Geschäftsmodell funktioniert in der Krise nicht mehr richtig. Trotz des voraussichtlich starken ersten Quartals rechnet Citibank-Analyst Andrew Coombs für Julius Bär und EFG International sowie die Private Banking-Bereiche von UBS, Credit Suisse und Vontobel 2020 mit einem Einbruch des Vorsteuergewinns um ein Fünftel und nur einer leichten Erholung im folgenden Jahr. "Wir glauben nicht mehr, dass die mittelfristigen Ziele irgendeiner dieser Banken erreichbar sind."
BANKEN DÜRFTEN BEI DEN BONI ANSETZEN
Noch schlechter könnte es kleineren Gesellschaften ergehen. Von den Instituten mit weniger als zehn Milliarden Franken an verwalteten Vermögen waren BCG zufolge 2018 bereits 43 Prozent in den roten Zahlen. Dieser Anteil werde sich erhöhen, sagte Zakrzewski. Denn einerseits würden den Firmen die Erträge wegbrechen, andererseits seien auch Investitionen etwa in die weitere Digitalisierung notwendig. Bisher hätten die Banken immer noch viel physisch auf Papier gemacht. Aber im Home Office gehe das nicht mehr und der digitale Kanal sei inzwischen oft die einzige Möglichkeit, überhaupt mit dem Kunden in Kontakt zu stehen. "Die Krise wird dazu führen, dass die Banken die Digitalisierung der Kundenkontakte und der rückwärtigen Prozesse beschleunigen", sagt sie.
Um das Geld für solche Investitionen freizuschaufeln oder auch nur in den schwarzen Zahlen zu bleiben, dürften die Banken auf Sparkurs gehen. Credit-Suisse-Chef Thomas Gottstein deutete bereits an, dass die Boni für 2020 sinken könnten, auch wenn er das mit der Solidarität gegenüber Coronavirus-Leidtragenden begründete. Doch bei Bonus-Kürzungen dürfte es nicht bleiben, Experten rechnen auch mit einem Stellenabbau. Ray Soudah, Gründer des Fusionsberaters Millenium Associates, geht davon aus, dass sich die Banken aus Reputationsüberlegungen zwar vorerst mit Entlassungen zurückhalten dürften. Die tiefen Einschnitte würden dann aber im nächsten Jahr folgen.
Für einige Institute wird auch das kaum reichen, um wieder Gewinne zu schreiben. Soudah und Zakrzewski prognostizieren, dass die Krise die Konsolidierung in der Branche beschleunigen und zu einer Übernahmewelle führen dürfte. Vorerst befinde sich der Markt zwar in einer Art Schockstarre, so Soudah. Dies könnte sich in sechs bis zwölf Monaten ändern. "Aber weil es mehr Verkäufer als Käufer geben wird, werden die Preise gedrückt bleiben", so Soudah.
rtr