Muhle: Wir sind total happy über die Auszeichnung. Der Preis ist eine tolle Bestätigung für unsere Arbeit in den vergangenen zehn Jahren. Und ein Ansporn für die kommende Dekade.
Sie starteten Ihren Mischfonds 2008 inmitten der Finanzkrise. Kein perfekter Zeitpunkt, oder?
Rathausky: Letztlich war er gar nicht so falsch gewählt. Wir haben schon ein Jahr zuvor mit einem alternativen Anlagevehikel begonnen. Das Produkt war für den vertriebsgetriebenen deutschen Markt aber zu erklärungsbedürftig, vielleicht auch wegen des Zeitpunkts. Allerdings haben wir mit unserer Strategie die Lehman-Krise gut überstanden. Dieser Erfolg kam bei Investoren sehr gut an. Sie wollten unsere Strategie aber lieber in einem normalen Publikumsfonds. Daher starteten wir dann den ACATIS GANÉ Value Event.
Mit dem Sie seither eine Rendite von fast zehn Prozent jährlich bei geringen Schwankungen erwirtschaftet haben. Wie lautet Ihr Anlagekonzept?
Muhle: Wir verfolgen einen Mix aus einer Value-Strategie à la Warren Buffett und einer Eventselektion, die unternehmensspezifischen Ereignissen Rechnung trägt. Das Ziel des Fonds
ist es dabei, eine aktienähnliche Rendite mit reduzierter Schwankungsbreite zu erreichen.
Haben Sie Einzeltitel im Fokus oder bauen Sie das Portfolio entsprechend der Marktsituation auf?
Rathausky: Beides, wir betreiben eine Einzelfallanalyse der Unternehmen bezogen auf bestimmte Kriterien. Und gleichzeitig analysieren wir, wie es um das Investmentuniversum insgesamt bestellt ist. Sehen wir etwa mehr attraktive Gelegenheiten im Aktien- oder im Anleihebereich? So haben wir uns in den vergangenen zwei Jahren eher von der Anleiheseite abgewandt, weil die Politik der Notenbanken nur noch Restrenditen produzierte und die Risiken des Bond-Markts bei Weitem nicht mehr abgegolten waren.
Was muss ein Titel konkret erfüllen, um in Ihr Portfolio zu kommen?
Rathausky: Sofern wir mit mittel- bis langfristiger Perspektive investieren, muss er als Aktie ein Renditepotenzial von mindestens zehn Prozent und als Anleihe von mindestens sechs Prozent pro Jahr aufweisen. Hierfür durchlaufen die Unternehmen unser GANÉ-Scoringmodell mit 30 qualitativen und quantitativen Faktoren. Dabei müssen sie in allen vier Bereichen punkten: hervorragendes Geschäftsmodell, gute Managementqualität, günstige Bewertung und Vorliegen eines positiven kursrelevanten Events.
Welche Art Event suchen Sie?
Muhle: Die Ereignisse können ein Katalysator im operativen Geschäft des Unternehmens sein oder Veränderungen in der Aktionärs- oder Kapitalstruktur betreffen, wie etwa Aktienrückkäufe, Kapitalerhöhungen oder Übernahmen.
Welchen Zweck verfolgen Sie damit?
Muhle: Das Ziel des Fonds ist es, die Volatilität zu reduzieren. Die Events sollen also dazu beitragen, die Marktpreisrisiken zu vermindern, indem das Geschäftsmodell wertvoller wird oder indem sich die Lücke zwischen Preis und Wert eines Investments schließt.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Rathausky: Apple etwa vermeldete vergangenes Jahr Rekordzahlen, dennoch ist der Kurs der Aktie gefallen. Dabei hat es Apple 2018 geschafft, aus seinem riesigen Cashflow in einem einzigen Jahr sieben Prozent der eigenen Aktien zurückzukaufen. Und das auf einem unserer Meinung nach attraktiven Bewertungsniveau. Dieser Rückkauf schützt ein Stück weit vor Marktpreisvolatilität oder trägt zumindest dazu bei, dass Volatilität zügig wieder ausgeglichen wird.
Gibt es auch bei der Auswahl der Anleihen einen Value-Ansatz?
Rathausky: Ja, auch hier existiert eine Reihe positiver Katalysatoren. Wenn etwa ein Unternehmen restrukturiert wird, schwächt das zwar die Position der bestehenden Aktionäre, stärkt aber die Kapitalbasis und verbessert regelmäßig das Rating und die Position der Anleiheinvestoren, was sich wiederum in steigenden Anleihekursen niederschlägt. In der Vergangenheit erwarben wir häufig Anleihen mit einem schlechteren Rating und verkauften diese dann mit einem guten Rating. Umgekehrt schützt ein gutes Rating nicht vor Kursverlusten. Man darf nicht vergessen, dass Lehman-Anleihen unmittelbar vor dem Kollaps der Investmentbank mit "AAA" geratet waren.
Wie finden Sie einen geeigneten Wert bei Tausenden von Unternehmen?
Muhle: Wir halten eine Liste von Unternehmen mit vermeintlich wunderbaren Geschäftsmodellen vor, die wir über die Jahre gesammelt haben. Darauf stehen rund 150 Namen. Ab und zu fallen einige raus, andere kommen hinzu. Wir betreiben dafür viel Feldforschung. Aber die Liste ist überschaubar, denn es gibt nicht so viele wirklich sehr gute Geschäftsmodelle. Und als zweite Quelle lesen wir aufmerksam verschiedenste Lektüren und halten Ausschau nach Events, die der Kapitalmarkt für uns bereithält.
Suchen Sie auch in Schwellenländern?
Rathausky: Es stehen vor allem Titel aus Europa und den USA auf unserer Kaufliste. Titel aus den Schwellenländern stehen nicht so im Fokus, wir möchten lieber mit etablierten Unternehmen wie dem Luxuskonzern LVMH auf das Wachstum in den Schwellenländern setzen, weil es für uns sehr wichtig ist, dass wir die Rechnungslegung verstehen. Dazu kommen noch Sprachbarrieren, die hinderlich sind, und mitunter Defizite in den Schwellenländern, was die Corporate Governance betrifft. Für uns ist der Teich mit Unternehmen auch ohne Schwellenländer groß genug, um erfolgreich darin fischen zu können.
Wo sehen Sie 2019 Chancen?
Muhle: Der Technologietrend wird anhalten und sich vielleicht sogar noch beschleunigen. Der digitale Wandel erstreckt sich über alle Branchen. Heute reicht ein Burggraben um das eigene Unternehmen zum Schutz des Geschäftsmodells nicht mehr aus. Es geht darum, welches Unternehmen in der Lage ist, seine Burggräben noch weiter auszubauen.
Sie haben die gute Unternehmensführung (Corporate Governance) erwähnt, die Teil der ESG-Kriterien
ist. Welchen Stellenwert haben diese Nachhaltigkeitsfaktoren für Sie?
Rathausky: Wir berücksichtigen die ESG-Kriterien bei der Titelauswahl schon seit vielen Jahren. Nachhaltigkeit im Bezug auf Sozialverträglichkeit, Umweltbewusstsein, aber auch auf gute Unternehmensführung hat an Bedeutung gewonnen, auch weil es vom Markt immer stärker eingefordert wird. Aber Nachhaltigkeit in seiner ureigensten Form bedeutet ja auch, dass man in etwas investiert, was von Dauer ist, was robust und von bleibendem Wert ist. Und daraus abgeleitet ist es uns seit jeher wichtig, auf ESG-Kriterien zu achten. In das teilweise merkwürdige Korsett von ESG-Ratingagenturen lassen wir uns aber nicht zwängen.
Wie sieht denn die Arbeitsaufteilung zwischen Ihnen beiden aus?
Rathausky: Es ist ein bisschen wie bei Warren Buffett und Charlie Munger und ihrem Spruch "He can see and I can hear". Nur dass wir noch nicht so alt und nicht so clever wie die beiden sind. Aber es ist wichtig, dass wir beide alle Investments begreifen und dahinterstehen. Wer von uns die Investment-idee einbringt, ist nicht so von Bedeutung, denn sie durchläuft einen sehr objektivierten Prozess. Aber wenn dann am Ende eine bestimmte Scoring-Punktzahl steht, ist es wichtig, dass
der andere den Advocatus Diaboli spielt und die richtigen Fragen stellt. Am Schluss muss ja das Ergebnis stimmen. Schließlich sind wir sehr ehrgeizig:
Wir mögen es überhaupt nicht zu verlieren oder falsch zu liegen. In solchen Fällen leiden wir richtiggehend.
Muhle: Sie müssen wissen, dass mein Kollege Rathausky als ehemaliger Leistungssportler Oliver Kahn als Bildschirmschoner hat. Bezeichnend, oder? Aber er kokettiert natürlich. Wenn man ins Detail des Fondsmanagements gehen möchte, dann bin ich häufiger unterwegs und nehme mehr Termine vertriebsseitig wahr, während Kollege Rathausky einen höheren Anteil im Büro hat und sich mehr um die Investments kümmert. Er ist sozusagen eher der Innen-, ich eher der Außenminister.
Über die Fondsmanager
Henrik Muhle war während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften als Analyst für
die Dr. Jens Ehrhardt Kapital AG tätig. In den Jahren von 2002
bis 2007 arbeitete er als Investment-Analyst und Fondsmanager bei der Investmentgesellschaft ACATIS. Seit der Gründung der GANÉ -Aktiengesellschaft im Jahr 2007 ist er Mitglied des Vorstands.
Uwe Rathausky arbeitete während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften unter anderem als Analyst bei der Dr. Jens Ehrhardt Kapital AG. Zwischen 2003 und 2007 war Rathausky bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG tätig. 2007 promovierte Rathausky und gründete gemeinsam mit Muhle die GANÉ Aktiengesellschaft. Seit der Gründung ist er ebenfalls Mitglied des Vorstands.