Larry Kudlow, der Berater von US-Präsident Donald Trump in Wirtschaftsfragen, hat neulich Drastisches zum Thema Leitzinsen von sich gegeben: "Ich glaube nicht, dass die Zinsen in absehbarer Zukunft steigen werden", so der 72-Jährige. "Vielleicht steigen sie sogar nie mehr, solange ich noch lebe." Nun muss man wissen, dass Kudlow einst Moderator beim TV-Sender CNBC war und Lautsprecherei zu seinem Hand- respektive Mundwerk gehört. Deftig bleibt die Aussage dennoch, ganz egal, wie hoch seine ganz persönliche Lebenserwartung nun sein mag.

Pikant ist das Ganze aber auch deswegen, weil "der Markt", also der Durchschnitt an Meinungen und Handlungen der Akteure am Zins- und Anleihemarkt, den so pointierten Herrn Kudlow bestätigt. Kurz gesagt: Am Leitzins tut sich bekanntlich seit dem Jahreswechsel nichts mehr, weil die US-Notenbank Fed seither "geduldig" sein will.

Parallel fallen die Renditen für Anleihen mit langen Laufzeiten, was man so deuten kann, dass die Anleger eher von einer Verlangsamung der Konjunktur ausgehen - und damit sogar von einem weiteren Sinken des allgemeinen Zins­niveaus. Sie kaufen konsequenterweise längerfristige Staatsanleihen, wodurch deren Renditen fallen.

Schneller statt langsamer


Nun ist Kudlow aber nur der Berater ­ des Präsidenten und nicht ein Teil des Fed-­Offenmarktausschusses, des entscheidenden Gremiums in Sachen Leitzins. Und genau der sieht die Sache naturgemäß etwas differenzierter. Aktuell seien die Faktoren, die man dort besonders im Auge behält, "neutral" - der US-Arbeitsmarkt, die Stimmung der Unternehmen sowie die globale Stabilität insgesamt. Ergo: kein Handlungsbedarf.

Bei näherer Betrachtung zeigen diese Faktoren aber auch, dass sich die Konjunktur in diesem Jahr wohl nicht verlangsamen wird. Im Gegenteil: Ein Risiko besteht sogar darin, dass sich die Entwicklung beschleunigt. Risiko deswegen, weil die Fed dann doch handeln müsste. Und zwar anders als von Berater Kudlow - und vom Markt - erwartet.

Muss man sich als Aktionär also jetzt wieder Sorgen machen? Nicht zwangsläufig, jedenfalls solange nur die Wachstumserwartungen die möglichen negativen Effekte einer (potenziellen) Zinserhöhung (über-)kompensieren. Und dafür gibt es durchaus Hinweise. Die Börsenstimmung ist gut, was man auch bei den in diesem Jahr wieder zahlreichen Fusionen und Übernahmen sowie etlichen spannenden Neu-Emissionen sieht - der IPO des afrikanischen Internethändlers Jumia ist da nur ein Beispiel von vielen. Vor allem macht Hoffnung, dass das in der Vergangenheit recht zuverlässig agierende Analysehaus Factset davon ausgeht, dass die Gewinne der amerikanischen Unternehmen in der jetzt anstehenden Berichtssaison wieder deutlich positiv überraschen werden, nachdem die Erwartungen in den zurückliegenden Monaten noch ordentlich zurechtgestutzt worden waren.

Worte statt Taten


Und was Kudlow angeht: Vielleicht behält er ja doch noch recht. Spätestens seit ihrer Kehrtwende um 180 Grad vom Jahresanfang weiß die amerikanische Notenbank wieder um die Macht der Worte. Allein die simple Verwendung des Begriffs "geduldig" hat die Märkte vor einer großen Verkaufspanik bewahrt. Statt also tatsächlich bei einer zu starken Konjunkturentwicklung gegen Jahresende die Zinsen zu erhöhen, könnte dann die Einführung einer passenden Vokabel die Märkte einbremsen.