von Markus Mueller, Deutsche Bank AG

Neben der seit Monaten schwelenden Ukraine-Krise sorgen der Gaza-Konflikt und der Vormarsch der Terrorgruppe Islamischer Staat in immer mehr Ländern des Nahen Osten für temporäre Belastungen der Marktstimmung. Militärische Eskalation und diplomatische Initiativen wechseln sich ab und erzeugen schnell wechselnde positive und negative Einflüsse in den einzelnen Segmenten des Kapitalmarkts. Obwohl Lösungsansätze zur Entspannung der Krisen erkennbar sind, könnte es noch eine ganze Zeit dauern, bis diese zu spürbaren Erfolgen und einer Beruhigung führen.

Geopolitische Einflüsse dürften somit in naher Zukunft eine Quelle für Volatilität bleiben. Bei zwei weiteren, für die künftige Marktentwicklung maßgeblichen Faktoren haben zuletzt die divergierenden Entwicklungen zugenommen. Maßgebliche Konjunktur- und Stimmungsindikatoren für die US-Wirtschaft bestätigen immer mehr das Bild einer an Momentum gewinnenden Ökonomie.

Aus der Eurozone kommen hingegen aktuell eher schwächere Wachstums- und Inflationszahlen. Sorgen, dass einzelne Euroland-Ökonomien - gerade in der Peripherie - wieder in eine Rezession zurückfallen, haben zugenommen. Frankreich - die zweitgrößte Volkswirtschaft in Euroland - scheint den Weg aus der Stagnation gar nicht erst zu finden. Die Entlassung der französischen Regierung bestätigt Stimmen, die von mangelndem Reformwillen und unzureichenden Maßnahmen sprechen. Die Skepsis, ob das neue Kabinett zu einem schnellen und umfassenden Gegensteuern bereit und in der Lage ist, bleibt.

Auf Seite 2: Wie die sich die Geldpolitik in den USA und in Europa weiter entwickeln dürfte

Das geschilderte Auseinanderdriften in der konjunkturellen Entwicklung lässt eine Divergenz in der Geldpolitik wahrscheinlicher werden. In den USA dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die US-Notenbank nach dem im Herbst auslaufenden Anleihekaufprogramm die Märkte auf eine Leitzinswende einstimmt.

In der Eurozone hat die Europäische Zentralbank (EZB) mit einer nochmaligen Leitzinssenkung die geldpolitische Lockerung bestätigt. Die Bedenken, dass die Volkswirtschaft der Eurozone in ein von Deflationsgefahren geprägtes "Japan Szenario" geraten könnte, sind nicht vom Tisch. EZB-Chef Draghi hat für Oktober den Start von Kaufprogramme der EZB in mit Krediten besicherten Anleihen (ABS) und in "covered bonds" in Aussicht gestellt.

Auf Seite 3: Warum Aktien attraktiver werden

Während in den USA steigende Renditen wahrscheinlicher werden, könnte das niedrige Zinsniveau in der Eurozone also noch einige Zeit Bestand haben. Die negativen Zinssätze, die Anleihen kurzer Laufzeit seit einiger Zeit prägen, beginnen den mittleren Laufzeitbereich zu erfassen. Die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen sind in allen Euroländern weiter gefallen, in Deutschland erstmals unter die 1%-Marke. Unternehmensanleihen, selbst solche schwächerer Bonität, bieten kaum noch adäquate Renditeaufschläge.

Die rekordniedrigen Zinsen lassen andererseits Aktien attraktiver werden. Allerdings kommt eine Ausweitung der Bewertungen als Kurstreiber kaum noch in Frage. Argumente, die für Aktien sprechen, sind Dividendenrendite und Kurspotenzial, das sich aus einer Verbesserung der Geschäfts- und Ertragslage der Unternehmen ergibt.

Die jüngste Berichtssaison hat gezeigt, dass US-Unternehmen das konjunkturelle Umfeld gut für die Ausweitung ihrer Umsätze und Gewinne nutzen. In Euroland gelingt das bislang noch nicht in zufriedenstellendem Ausmaß. Das niedrige Zinsniveau, die erwartete Überwindung wirtschaftlicher Schwächen in China und vielen Schwellenländern und die anziehende Weltkonjunktur sollten aber auch europäischen Unternehmen gute Voraussetzungen für Gewinnsteigerungen bieten. Hinzu kommt der infolge der geschilderten konjunkturellen sowie geld- und geopolitischen Entwicklungen stärkere US-Dollar. Die damit einhergehende Abschwächung des Euros sollte nicht nur über steigende Einfuhrpreise Deflationstendenzen entgegenwirken, sondern vor allem über eine Verbesserung der Exportchancen für positive Impulse bei Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinnen in Euroland sorgen."

Reuters