Am Ende der Vorwoche bewegte sich die Notiz mit 1.164,60 Dollar je Feinunze auf dem tiefsten Stand seit 19. März und es droht somit sogar ein Test des Novembertiefs von 1.142 Dollar. Sollte diese Unterstützung fallen, wäre der langjährige Abwärtstrend als völlig intakt untermauert und ein neues prozyklisches Verkaufssignal generiert. Gelingt dagegen eine Stabilisierung auf dem aktuellen Niveau, bleibt zumindest die Hoffnung auf eine Bodenbildung erhalten.
Unabhängig davon, was in den kommenden Wochen passieren wird, ranken sich wie fast immer beim Gold, derzeit wieder viele Gerüchte um die Preisfindung bei dem Edelmetall. Die Goldanhänger sind dabei schnell mit Verschwörungstheorien bei der Hand, sobald das Objekt ihrer Begierde nicht im Wert steigt. Das gilt insbesondere in Zeiten wie jetzt, in denen es mit der Debatte um die Schulden Griechenlands eine Krise gibt, die dem als Krisenprofiteur geltenden Gold eigentlich helfen sollte.
Was dran ist an diesen Verschwörungs- und Manipulationsgerüchten soll an dieser Stelle nicht nachgegangen werden. Erwähnt sei allerdings kurz, dass es vermutlich auch bei Aktien, Anleihen und Devisen Manipulationen gibt, so dass es sich um kein goldspezifisches Phänomen handeln dürfte. Außerdem ist es Aufgabe der Analysten abzuwägen, wie sich Verschwörungen auf den Goldmarkt auswirken.
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Dollar und Anleiherenditen geben derzeit die Richtung vor
Losgelöst von alledem gibt es aber einige fundamentale Gründe, die sehr einleuchtend das bisherige Verhalten des Goldpreises in diesem Jahr erklären. Zwei insbesondere kurz- bis mittelfristig sehr wichtige Einflussfaktoren sind der US-Dollar und die US-Anleiherendite. Steigt der Dollar, fällt der Goldpreis oft, während Gold umgekehrt bei einem fallenden Dollar häufig in den Vorwärtsgang schaltet. Das macht auch deshalb Sinn, weil Gold typischerweise in Dollar gehandelt wird.
Beim Verhältnis von Dollar zu den US-Anleiherenditen ist es so, dass in der Regel eine hohe negative Korrelation besteht. Steigen die Anleiherenditen, dann fällt der Goldpreis und umgekehrt. Auch das ist ein einleuchtendes Zusammenspiel. Denn wenn US-Anleihen eine höhere Rendite abwerfen, dann wird das zinslose Edelmetall im relativen Vergleich weniger wert. Fallen die US-Anleiherenditen dagegen, dann fällt der fehlende laufende Ertrag beim Gold weniger negativ ins Gewicht.
Am Freitag haben die beiden Einflussfaktoren wieder einmal eindrucksvoll ihre Bedeutung für den Goldpreis bewiesen. Denn als in Reaktion auf einen starken US-Arbeitsmarktbericht Dollar und US-Anleiherenditen anzogen, ist der Goldpreis auf ein neues Zwischentief gefallen.
Auch sonst hat sich der Goldpreis in diesem Jahr bisher sehr eng an das Script gehalten (siehe Grafiken). Das heißt, die Entwicklung lässt sich so gut mit dem Kursverhalten von Dollar und US-Anleiherendite erklären, dass kaum Raum für Verschwörungs- oder Manipulationstheorien lässt. Bleibt es bei dem bisherigen Zusammenspiel, wäre für einen steigenden Goldpreis ein Ende der Dollar-Stärke ebenso wichtig wie nicht weiter steigende Anleiherenditen.
Zusammenspiel von Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen und Goldpreis
Zusammenspiel von US-Dollar und Goldpreis
Auf Seite 3: Goldmarkt hat sich stark verändert
Goldmarkt hat sich stark verändert
Bleibt es dagegen bei den zuletzt vorherrschenden Trends bei Dollar und Anleiherenditen, dann müssen die Goldbullen darauf hoffen, dass sich zumindest langfristig andere Faktoren durchsetzen, die ebenfalls auf den Goldpreis einwirken. Capital Economist Rohstoff-Research-Chef Julian Jessop begründet seine Goldpreisprognose von 1.400 Dollar bis Jahresende mit der aus seiner Sicht anhaltend hohen Nachfrage aus Schwellenländern wie Indien oder China.
Abzuwarten bleibt aus seiner Sicht auch, wie sich eine mögliche Zinserhöhung durch die US-Notenbank auf die Weltbörsen auswirken wird. Sollte es deswegen zu einem Ausverkauf kommen, könnte Gold wieder stärker wegen der dem Edelmetall zugeschriebenen Funktion als Hort der Sicherheit gefragt sein. Das könnte auch der Fall sein, falls sich die Griechenland-Krise zuspitzen sollte.
Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass neue Krisenhöhepunkte ausbleiben werden. Das würde dann sogar gegen Gold sprechen. Ohnehin gilt etwas zu beachten, auf das UBS-Stratege Edel Tully in einer Studie hinweist. "Die Dynamik hat sich in den vergangenen Jahren eindeutig verändert und die Reaktion von Gold in Phasen mit geringerer Risikobereitschaft ist nicht mehr so, wie sie das in den vergangenen Jahrzehnten gewesen ist. In vielerlei Hinsicht kommt das aber nicht überraschend. Schließlich hat auch der Goldmarkt in den vergangenen 15 Jahren eine im Zuge einer veränderten weltweiten Finanzlandschaft eine starke Transformation durchgemacht."
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Krisensensitivität hat nachgelassen
Wie es scheint, hat die Reaktion des Goldpreises auf eine steigende Risikoaversion zuletzt nachgelassen. Laut Tully hat das vermutlich auch damit zu tun, dass Gold nach dem starken Anstieg seit dem Jahr 2000 von viel mehr Marktteilnehmern gehalten wird als früher. So bewegten sich die Gold-Netto-Long-Positionen an der Comex von 1995 bis 2005 im Schnitt bei 4,25 Millionen Feinunzen, während es von 2006 bis heute durchschnittlich mehr als vier Mal höhere 18,51 Millionen Feinunzen waren.
Das führt wahrscheinlich zu einem geringeren Nachfragebedarf in Krisenphasen, denn der Absicherungsbedarf ist damit schon im Vorfeld zumindest zu einem Teil gedeckt worden. Damit sei Gold in gewisser Weise zu einem Opfer seines eigenen Erfolges geworden. Zudem erinnert Tully an in den vergangenen zehn Jahren gestiegene Volatilität beim Goldpreis, denn damit erhöhe sich auch das mit den gehaltenen Goldbeständen verbundene Risiko.
Zu beachten ist auch, dass sich die Korrelation zwischen den verschiedenen Anlageklassen in der jüngeren Vergangenheit allgemein als nicht sehr stabil erwiesen hat. Auffällig dabei war, dass Gold in absoluten Stressphasen kurzfristig oft die gleiche Richtung wie die Aktienkurse eingeschlagen hat. Erklärt wurde das dann häufig mit dem dann entstehenden Liquiditätsbedarf. Gleichzeitig ist es aber auch vorkommen, dass in Krisenphasen Dollar und Gold gleichzeitig als Krisenwährung gefragt waren.
Beim jüngsten Verhalten der Marktteilnehmer ist auch zu beachten, wie sehr Krisen inzwischen fast schon zum Alltag gehören. Die Anleger sind dadurch vermutlich abgehärtet und längst nicht mehr so sensitiv, wie das früher der Fall gewesen ist, als Krisen sehr viel sporadischer aufgetreten sind und dann eine ganz andere Schockwirkung entfaltet haben. Die Reizschwelle, um eine Flucht in das Gold zu bewirken, ist dadurch vermutlich gestiegen.
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Klare Chartsignale abwarten
Fazit: Die kurz- bis mittelfristige Entwicklung beim Goldpreis dürfte stark vom Dollarkurs und der Richtung abhängen, welche die Anleiherenditen einschlagen. Steigen Dollar und Renditen weiter, wäre das eher als preisbelastend zu werten. Profitieren könnte Gold eventuell zwar von seinem Status als Hort der Sicherheit, doch es bleibt abzuwarten, ob sich überhaupt neue Krisenszenarien einstellen. Auch sind die Anleger krisenresistenter geworden.
Viel wird auch davon abhängen, wie sich die private Nachfrage entwickelt. Als Hoffnungsträger gelten dabei Schwellenländer wie Indien oder China. Doch in China wird das Interesse gerade durch eine stramme Hausse am Aktienmarkt gebremst. Außerdem fällt die Goldnachfrage in den Sommermonaten typischerweise schwach aus. Als mittelfristig stützend könnten sich aber die voraussichtlich sinkende Minenförderung, das rückläufige Altgoldaufkommen sowie die weiterhin hohe Goldnachfrage der Notenbanken erweisen.
Wer es sich einfacher machen will, schaut schlicht auf den Chart. Ein Verkaufssignal würde hier bei einem Fall unter das Novembertief von 1.142 Dollar je Feinunze generiert. Aufhellen würde sich das Bild dagegen bei Preisen von mehr als 1.213 Dollar, weil damit eine wichtige Abwärtstrendlinie geknackt und die 200-Tage-Durchschnittslinie überwunden wäre. Ein wirklich sehr ermutigendes Kaufsignal wäre es zudem, wenn das Jahreshoch von 1.296 Dollar übertrumpft werden sollte.