"Anleger betrachten das Glas als halb voll", sagte Portfolio-Manager Alessandro Balsotti vom Vermögensverwalter JCI. "Ein guter Tag für den Ölpreis und eine ausgewogene Yellen-Rede zerstreuen die Furcht vor einer Abkühlung der US-Konjunktur." US-Notenbankchefin Janet Yellen hatte am Vorabend unter anderem betont, dass die positiven Aspekte der wirtschaftlichen Aussichten überwögen. Noch wichtiger sei allerdings, was Yellen nicht gesagt habe, betonte Jochen Stanzl, Analyst des Online-Brokers CMC Markets. "Vor zwei Wochen sprach sie noch von einer Zinsanhebung 'in den nächsten Monaten', gestern fehlte ein Zeitplan komplett."
Die Analysten der Essener National-Bank werteten dies als Zeichen, dass US-Zinserhöhungen im Juni und Juli vom Tisch sind. "Als nächster Termin wird nun der September gehandelt." Die Kurse am Derivatemarkt deuten darauf hin, dass Investoren die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung im September bei knapp 50 Prozent sehen. Vor diesem Hintergrund erholte sich der Dollar kaum von seinen Verlusten nach den enttäuschenden US-Arbeitsmarktdaten vom Freitag. Der Euro kostete am Dienstag mit 1,1345 Dollar ungefähr so viel wie am Vortag.
ÖLPREIS ZIEHT AN - US-DATEN IM BLICK
Die aktuelle Dollar-Schwäche gab dem Ölpreis Auftrieb, weil eine Abwertung der US-Währung Rohstoffe für Investoren außerhalb der USA attraktiver macht. Brent kletterte um bis zu 1,5 Prozent auf ein Acht-Monats-Hoch von 51,30 Dollar je Barrel (159 Liter). Die richtungsweisende Ölsorte aus der Nordsee profitierte zusätzlich von der Aussicht auf ein geringeres Angebot. Nach Anschlägen auf mehrere Pipelines in Nigeria sind die Fördermengen des afrikanischen Landes eingebrochen.
BANKEN IM AUFWIND - ANTEILSVERKÄUFE TREIBEN SHELL
Bei den Aktien gehörten die Finanzwerte europaweit zu den Favoriten. Mit Kursgewinnen von jeweils rund drei Prozent lagen die HVB-Mutter Unicredit und die Deutsche Bank an der Spitze des EuroStoxx50. Spezifische Gründe für die Rally konnten Börsianer nicht nennen. Bankenaktien reagieren meist überdurchschnittlich auf Bewegungen des Gesamtmarkts.
Gefragt waren auch die Aktien von Royal Dutch Shell, die sich in London um 2,7 Prozent verteuerten. Der Öl- und Gasförderer will zehn Prozent seiner Aktivitäten verkaufen, um die 54 Milliarden Dollar schwere Übernahme des Konkurrenten BG zu finanzieren. Außerdem kürzte Shell sein Investitionsziel für 2016 erneut auf nun 29 Milliarden Dollar und will dank des BG-Deals nun 4,5 statt 3,5 Milliarden Dollar einsparen.
Reuters