Marco Gadola hat gut lachen. Die Geschäfte des von ihm geführten Zahnersatz-Spezialisten Straumann laufen prächtig: Im ersten Quartal 2018 kletterten die vierteljährlichen Umsätze zweistellig - zum zehnten Mal in Folge. Für den Vorstandsvorsitzenden des Schweizer Konzerns ist das organische Wachstum von über 15 Prozent damit die Fortsetzung der Erfolgsgeschichte. Auf Jahressicht brachte der Serienerfolg 1,1 Milliarden Franken Umsatz und 276 Millionen Franken Gewinn nach Steuern.



Dass der 55-Jährige derzeit keine Zahnschmerzen hat, liegt auch an einem globalen Megatrend. Das Marktforschungsinstitut Trendforce schätzt, dass der Bedarf für zahnmedizinische Produkte jährlich um 5,6 Prozent wächst und 2021 ein Volumen von insgesamt 36,8 Milliarden Dollar erreicht. "Die alternde Weltbevölkerung erhöht die Nachfrage nach Zahnfüllungen, -prothesen und -implantaten", begründet Trendforce-Analyst Mush Ko die Entwicklung. Dabei ließe auch in den Entwicklungsländern ein steigender Lebensstandard die Nachfrage nach Zahnbehandlungen anziehen, argumentiert der Marktforscher.

Auf Seite 2: Lukrative Lücke





Lukrative Lücke



Implantate machen mit einem geschätzten Volumen von 3,2 Milliarden Euro zwar nur einen Bruchteil des Zahnmedizinmarkts aus. Doch ist das Potenzial für die Eidgenossen immer noch groß: Allein in den Industrienationen fehlt 600 Millionen Menschen mindestens ein Zahn. In Amerika schließt erst jeder fünfte Patient seine Zahnlücke mit einem Implantat. Ein Grund für die niedrige Marktdurchdringung ist der Preis. Das Zahnpastalächeln geht in den USA, dem größten Markt der Branche, mit im Schnitt 2500 Dollar pro Implantat schnell ins Geld.

In Europa sind die Kosten ähnlich hoch. Seit einigen Jahren gibt es jedoch immer häufiger auch günstigere Lösungen. Das sogenannte Value-Segment wächst schneller als der Gesamtmarkt und steht wertmäßig mittlerweile für mehr als ein Drittel des Implantatvolumens.

Gadola setzt seit 2013 mit der brasilianischen Beteiligung und späteren Tochterfirma Neodent auf diese Entwicklung. Seitdem führte Straumann die Günstig-Implantate aus Lateinamerika in immer mehr Märkte ein. Zudem übernahm er weitere Value-Anbieter in Wachstumsregionen wie China, Indien oder dem Nahen Osten. Gleichzeitig baute der Manager den Konzern zu einem Komplettanbieter auf, der alle Implantatbauteile von der künstlichen im Kiefer verschraubten Zahnwurzel bis zur Zahnkrone verkauft. Der Schritt machte die Schweizer zur Nummer 1 der Branche mit einem Marktanteil von 24 Prozent.

Zahlreiche Zukäufe drückten zuletzt allerdings auf die Marge - vor allem Abschreibungen wirkten sich negativ auf die Gewinnspanne aus. Diese soll bei 26 Prozent stagnieren, der Umsatz jedoch weiter prozentual zweistellig zulegen. Angesichts der hohen Bewertung dürfte der Aktienkurs daher nicht mehr so schnell klettern wie bisher.

Dennoch sollten sich die Übernahmen langfristig auszahlen und den Weg in neue Märkte öffnen. Zuletzt stieg Gadola in ein Start-up ein, das per Smartphone-Fotos analysiert, ob etwa die Zahnspange reif zum Nachstellen ist. Zuvor kaufte er sich in den Markt für korrigierende Zahnschienen und 3-D-Drucker ein, die etwa Bohrschablonen für Implantat-OPs drucken.

Auf Seite 3: Früher war es gemütlicher





Früher war es gemütlicher



Dass Zahn und Schablone gefertigt werden, während der Patient noch im Behandlungsstuhl liegt, gilt als nächster Branchentrend. Oralscanner vermessen die Mundhöhle, Computerprogramme erstellen daraus ein Zahnmodell und kompakte Präzisionsfräsen feilen nach der Vorlage den Ersatzbeißer aus dem Keramikrohling. Weil Zahnmodelle damit nicht mehr im Labor vom Dentaltechniker erstellt werden müssen, sinken Aufwand und Kosten. Dieses Wachstum anzuzapfen war einer der Gründe für die Fusion von Dentsply und Sirona.

Der deutsch-amerikanische Konzern Dentsply Sirona entstand 2016 aus Dentsply, dem US-Marktführer von der Amalganfüllung bis zur Bleischürze, und dem deutschen Oralscanner-Pionier und Tech- nikausrüster Sirona. Zahnärzte sollen alles aus einer Hand bekommen. Die Firmenhochzeit brachte aber deutlich weniger Synergien als gedacht und führte dazu, dass sich der Konzern laut eigener Aussage zwei Jahre mit sich selbst beschäftigte. Das Ergebnis: Im ersten Quartal sanken Umsatz und Gewinn währungsbereinigt erneut leicht ab, während der Gewinn je Aktie nach der Prognosekürzung mit 2,55 bis 2,65 Dollar für das Gesamtjahr 2018 bestenfalls stagnieren soll.

Neben internen Problemen muss sich Dentsply Sirona auch auf veränderte Vertriebsanforderungen einstellen. Für Finanzchef Nick Alexos war die Branche bis vor Kurzem eher ein gemütlicher Sektor ohne viel Innovation, in dem Zahnärzte ihren Lieferanten treu blieben. Doch mit der Digitalisierung wurde intensive Beratung wichtiger und die Beziehungen von Kunde und Verkäufer immer enger.

Als die Amerikaner auf ihrem Heimatmarkt dann ihren Exklusivvertrieb mit Patterson Dental beendeten, belastete das die Verkäufe. Mittlerweile sind jedoch neue Vertriebspartner gefunden und auch Patterson verkauft das Angebot von Dentsply Sirona weiter. Weil die Aktie günstig bewertet ist, die Eigenkapitalquote über 60 Prozent liegt und der Konzern mit 14 Prozent Marktanteil die Nummer 3 in der Branche ist, können risikobereite Anleger auf den Turnaround setzen.

Dass der Markt ungemütlicher geworden ist, dürfte für Danaher hingegen kein Problem sein. Der Mischkonzern kaufte 2014 Nobel Biocare in sein Firmenportfolio. Seither stehen Zahnimplantate für rund 15 Prozent des zuletzt 18,3 Milliarden Dollar schweren Umsatzes und machen das amerikanische Beteiligungsunternehmen mit 19 Prozent Marktanteil zur Nummer 2 der Implantatbranche.

Kern der Firmenstrategie ist es, Wachstumsunternehmen zu kaufen und rigoros auf Rendite zu trimmen. Dabei ist die auf den Gesundheitssektor fokussierte Gruppe insgesamt so erfolgreich, dass der Gewinn dieses Jahr drei Milliarden Dollar erreichen könnte. Das entspricht einem Plus von mehr als 70 Prozent innerhalb der vergangenen vier Jahre. Bei Danaher können langfristige Anleger daher immer noch fest zubeißen.



Auf Seite 4: Auf einen Blick: Zahnmedizin





Auf einen Blick: Zahnmedizin