Ein Überraschungspaket von Zalando: Mit hervorragenden Quartalszahlen und einer Anhebung der Gewinnziele fürs laufende Geschäftsjahr hat Europas größter Online-Modehändler Anleger verblüfft. Umsatz und Gewinn stiegen von Januar bis April deutlich - obwohl Branchenprimus Amazon dem einstigen Berliner Start-up als stärkster Rivale auf den Fersen ist und der Wettbewerb schärfer wird.

"Wir hatten ein extrem starkes zweites Quartal und sind total zufrieden", sagte Rubin Ritter, für die Finanzen zuständiges Vorstandsmitglied. "Wir haben unser ehrgeiziges Wachstumsziel erreicht und unsere Profitabilität erheblich gesteigert." Er begründete den deutlichen Gewinnanstieg mit verbesserter Effizienz. Zugleich habe Zalando weiter in Wachstumsinitiativen investieren können.

Profitabilität überrascht



Total zufrieden waren auch die Anleger, der Aktienkurs schnellte um mehr als 20 Prozent in die Höhe. Auf dem höchsten Stand seit Mitte Januar näherte er sich, mit dem größten Kurssprung der Firmengeschichte, seinem bisherigen Rekordhoch von 36,63 Euro, das er kurz vor Weihnachten 2015 erreicht hatte.

Bass erstaunt über die Profitabilität der Berliner waren die Analysten - sie hatten zum Teil sogar mit einer Senkung der Gewinnprognosen gerechnet. "Erstaunlicherweise gelang es Zalando, im zweiten Quartal sowohl ein starkes Umsatzwachstum als auch eine hohe Profitabilität zu erzielen", befand DZ-Bank-Analyst Thomas Maul in einer Einschätzung. Die daraus folgende Anhebung des Margenziels habe überrascht und könne die Konsensschätzungen um bis zu 20 Prozent steigen lassen. Laut vorab veröffentlichter Zahlen rechnet das im MDAX notierte Unternehmen für das abgelaufene Quartal mit einem bereinigten Betriebsgewinn von bis zu 88 Millionen Euro. Das wäre fast eine Verdreifachung zum Vorjahr, als lediglich 30 Millionen Euro erzielt worden waren. Der Umsatz stieg um rund ein Viertel auf 924 Millionen Euro. Im Vorjahreszeitraum wuchs der Umsatz allerdings noch um 34 Prozent. Die bereinigte operative Gewinnmarge soll im laufenden Jahr nun zwischen 4,0 und 5,5 Prozent liegen - und damit einen Prozentpunkt höher als bisher prognostiziert. Finanzchef Ritter begründete die gestiegene Zuversicht unter anderem mit geringeren Kosten im Marketing. Die Erlöse sollen nach wie vor um bis zu 25 Prozent steigen. Wenn die Berliner an diesem Donnerstag (11. August) ihre endgültigen Zahlen vorlegen, dürfte sich die größte Aufregung um die Zahlen bereits gelegt und im Kurs niedergeschlagen haben, weitere Impulse durch Äußerungen der Zalando-Chefs bei der angesetzten Telefonkonferenz sind indes nicht ausgeschlossen.



Konsumfreude beflügelt



Spannend bleibt, wie Zalando dem US-Rivalen Amazon die Stirn bietet. In der Branche werden bereits erste Spekulationen über das Aufkeimen möglicher Übernahmefantasien laut. Während Branchenprimus Amazon seinen Kunden Millionen verschiedener Artikel anbietet und seinen Gewinn von April bis Juni auch dank des florierenden Cloud-Geschäfts verzehnfachte, konzentriert Zalando sich mit etwa 150 000 Produkten von mehr als 1500 verschiedenen Marken ganz auf die Modebranche. Doch zuletzt hatte der Online-Weltmarktführer Amazon sein Modeangebot kontinuierlich ausgebaut und damit eine ähnliche Kundschaft wie Zalando angesprochen. Bereits jetzt ist Deutschland für Amazon der zweitgrößte Markt hinter den USA.

Die ungetrübte Konsumfreude der Deutschen birgt für Zalando allemal weiteres Potenzial, auch der Boom im Online-handel ist ungebrochen: "Deutschlands Wachstumstrend wurde im zweiten Quartal erneut vom privaten Konsum entscheidend getragen", sagt Robert Greil, Chefstratege der Privatbank Merck Finck & Co. Die jüngsten Zahlen belegen dies: Im ersten Halbjahr setzte der Einzelhandel inflationsbereinigt 2,3 Prozent mehr um als im Vorjahreszeitraum, im Juni verzeichnete die Branche gar ein Plus von 2,7 Prozent. Den höchsten Zuwachs erzielte dabei der Internet- und Versandhandel.

Der Weg für den weiteren Erfolg von Zalando ist also geebnet. Bleibt die Frage nach der künftigen Belieferung shoppingfreudiger Kunden: Der Aspekt der Bequemlichkeit wird im Onlinehandel immer wichtiger. So dürften und müssten Internethändler wie Zalando künftig eine schnellere und günstigere Zustellung anbieten als die stationären Wettbewerber, betont Bernstein-Analyst Jamie Merriman, der dies sogar als "wichtigen Kurstreiber" identifiziert.

Einer der Wegbereiter könnte die Deutsche Post sein, die ihre Paketzustellung in einem gemeinsamen Modellversuch mit der Automarke Smart ausdehnt. Besitzer des Kleinwagens können ihre Autos ab Herbst als mobile Lieferadresse für Paketsendungen nutzen. Viel Aufmerksamkeit wurde zuletzt auch den Lieferdrohnen von Amazon, Google und Deutsche-Post-Tochter DHL zuteil; inzwischen erproben mehrere Anbieter, wie sich der Weg zum Kunden mit Zustellrobotern zurücklegen lässt - der Handel zeigt Interesse. Es bleibt also für Zalando, diese Entwicklung beizeiten ins Geschäft zu integrieren und die Investoren mit weiteren Überraschungspaketen zu beglücken.