Von "Schrei vor Glück", dem alten Werbeslogan, kann bei Zalando aktuell keine Rede sein. Der Betreiber der Onlineplattform für Mode und Lifestyle bekommt das Marktumfeld zu spüren. Die Berliner senkten soeben ihre Jahresprognose deutlich. Als Grund führt das Unternehmen die verschlechterten makroökonomischen Bedingungen im zweiten Quartal sowie ein gesunkenes Verbrauchervertrauen in der EU an. Zwar habe man die Herausforderungen bei dem Anfang Mai veröffentlichten Ausblick berücksichtigt, doch nach Meinung der Berliner werden diese länger anhalten und intensiver ausfallen als zunächst erwartet.
Zuvor hatte Zalando für das Geschäftsjahr 2022 noch ein Umsatzwachstum von zwölf bis 19 Prozent in Aussicht gestellt. Beim Umsatz erwartet das Unternehmen am oberen Ende ein Wachstum von drei Prozent, am unteren Ende droht gar Nullwachstum. Auch das vormals erwartete Betriebsergebnis (Ebit) von 430 bis 510 Millionen Euro ist passé, Zalando dampfte seine Erwartung nun auf 180 bis 260 Millionen ein. Angesichts der verschärften Marktbedingungen will das Unternehmen auch an der Kostenschraube drehen. Statt 400 bis 500 Millionen sind nun noch Investitionen im Umfang von 350 bis 400 Millionen Euro vorgesehen.
Keine Überraschung
Die Aktie rutschte zunächst deutlich ins Minus, erholte sich aber schnell wieder. Ein Grund dürfte sein, dass die Senkung der Prognose alles andere als überraschend kam. Bereits nach schwächeren Zahlen zum ersten Quartal hatte Zalando auf die anhaltenden Unsicherheiten wie Inflation, gestörte Lieferketten und eine gedämpfte Konsumstimmung hingewiesen. Bei finanziellen Kennziffern wie Bruttowarenvolumen (GMV), Umsatz und Ebit wurden allerdings noch die unteren Enden der Spannen als Ziel ausgegeben.
Entsprechend zeigten sich Analysten keinesfalls geschockt. Zwar sei die Warnung erwartet worden, allerdings überrasche das Ausmaß negativ, so etwa Georgina Johanan von der US-Bank JP Morgan. Einige Analysten senkten ihre Kurs- ziele, Johanan kappte von 55 auf 32 Euro. Gleichwohl rät die Mehrheit der von Bloomberg befragten Analysten aktuell zum Kauf. Adam Cochrane von der Deutschen Bank sieht die Prognoseanpassung als notwendigen Schritt. Die Ziele von Zalando seien nun realistisch, und Investoren könnten sich darauf einstellen. Cochrane betrachtet die Aktie als preiswert, sein reduziertes Kursziel: 42 Euro.
Noch kein Schnäppchen
Seit Jahresbeginn büßte die Aktie rund zwei Drittel an Wert ein. Ist sie nach der Sonderkonjunktur durch Corona nun fair bewertet oder gar ein Schnäppchen? Ein Blick auf die Kursperformance zeigt: Die Aktie notiert sogar deutlich unter Vor-Pandemie-Niveau. Dabei hat Zalando sein Geschäft in dieser Zeit deutlich ausgeweitet. Anhand des Konsens der von Bloomberg befragten Analysten wird das Papier von Zalando für 2022 noch mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 50 gehandelt. In den folgenden Jahren soll es deutlich sinken. Fraglich bleibt, ob Analysten ihre Gewinnschätzungen nach der gesenkten Prognose aufrechterhalten. Zahlen zum zweiten Quartal legt Zalando am 4. August vor.
Gewagt: Die angepasste Prognose schafft Klarheit. Womöglich
bietet sich positives Überraschungspotenzial. Für Mutige.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 30,00 Euro
Stoppkurs: 19,00 Euro