Blickt man auf das letzte Jahrzehnt, zeigt sich, dass an den Aktienmärkten oft Nachrichten oder Twitter-Meldungen mit relativ kurzer Halbwertszeit die Kurse bewegt haben. Der US-Ökonom Ed Yardeni von Yardeni Research beziffert die Zahl dieser Panikattacken im laufenden Bullenmarkt seit März 2009 auf 66. Rückblickend sorgten häufig Meldungen für Nervosität, nach denen heute kein Hahn mehr kräht - die Hausse an der Wall Street hat nach wie vor Bestand.
Das legt die Vermutung nahe, dass für die langfristige Kursentwicklung von Aktien andere Faktoren wichtiger sind als kurzfristige Einflüsse, nämlich sogenannte Megatrends. In den vergangenen Jahren dürfte der Trend hin zu Niedrigzinsen die wichtigste Kurstriebfeder gewesen sein. Wer diese Entwicklung früh erkannte und sich entsprechend positionierte, konnte viel Geld verdienen. Es lohnt sich also aus Anlegersicht durchaus, ein wenig Zeit zu investieren und an der Nachrichtenfront die Spreu vom Weizen zu trennen.
Dieser Aufgabe haben sich in einer umfangreichen Studie auch die Analysten der Bank of America angenommen. Das Ergebnis ist der Versuch, die potenziellen Entwicklungen bis 2030 vorherzusagen. Der Marktstratege Haim Israel hat zehn Megatrends für das kommende Jahrzehnt identifiziert, die wir nachfolgend vorstellen werden. Mit diesem Ausblick wollen wir Anlegern für die kommenden Jahre eine Orientierung am Aktienmarkt geben. Bemerkenswert ist, dass sich so viele wichtige große Trends abzeichnen wie noch nie.
"Die sozialen, ökologischen, politischen und wirtschaftlichen Systeme der Welt stehen vor immer größeren Herausforderungen, die durch Megatrends angeheizt werden, die alle im nächsten Jahrzehnt ihren Siedepunkt erreichen dürften. Wir erwarten, dass die 2020er-Jahre alte Paradigmen überholen, Geschäftsmodelle stören und neue Trends hervorbringen werden", erklärt Experte Israel.
Eine Welt im Wandel
Trifft es tatsächlich zu, dass wir bei wichtigen Themen auf Wendepunkte zuzusteuern, dürfte dies das gewohnte Anlageverhalten entscheidend umkrempeln.Ein Beispiel für diese These ist etwa ein sich abzeichnender Höhepunkt bei der Globalisierung. Denn zum ersten Mal seit Jahrzehnten sei der uneingeschränkte globale Fluss von Menschen, Gütern und Kapital nicht mehr gewährleistet. Hinzu kämen Höhepunkte in Bezug auf Ungleichheit und Demografie. Erstmals ist laut Israel die Gewinnmaximierung nicht mehr das einzige Ziel der Wall Street. Vielmehr gewinne der "moralische Kapitalismus" ebenso an Bedeutung wie andere Stakeholder. Und demografisch gesehen gebe es in der Weltbevölkerung erstmals mehr Senioren als Kinder.
Absehbar sind laut Studie auch Wendepunkte bei Öl, Autos und dem Besitz von Dingen. Die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien und Elektrofahrzeuge dürfte die globale Ölnachfrage nicht mehr weiter steigen lassen. Zum ersten Mal gehe außerdem die Gesamtzahl der Dieselfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren zurück. Auch das Eigentum von Dingen verliere zunehmend an Bedeutung mit dem Trend hin zur Sharing-/Zirkularwirtschaft.
Interessant sind darüber hinaus die Rahmendaten, mit denen wir in das nächste Jahrzehnt gehen. Laut der Studie von Bank of America sehen diese wie folgt aus: Zinssätze auf 5000-Jahres-Tiefstständen, die größte Vermögenspreisblase der Geschichte, ein sich aufheizender Planet und deflationäre Einflüsse durch Schulden, Disruptionen und Demografie. Auch dürfte sich am Ende des kommenden Jahrzehnts die Weltbevölkerung um fast eine Milliarde Menschen vergrößert haben, gleichzeitig altert die Bevölkerung rasch. Bis zu 800 Millionen Menschen liefen Gefahr, der Automatisierung von Arbeitsplätzen ausgesetzt zu sein, während sich die Umwelt am Rande eines katastrophalen Wandels befindet. Zudem würden voraussichtlich drei Milliarden mehr Menschen online vernetzt sein, und das globale Datenwissen dürfte 32-mal größer sein als heute.
Nachfolgend listen wir die zehn Themen einzeln auf, welche die im Wandel befindliche Welt künftig prägen dürften.
Höhepunkt der Globalisierung: Das Ende der uneingeschränkten Freizügigkeit von Arbeit, Waren und Kapital auf der ganzen Welt steht im Raum. Die Gewinner dieses Trends dürften lokale Märkte sowie reale Vermögenswerte sein, die Verlierer hingegen die globalen Märkte.
Rezession: Eine rekordhohe Zahl an Teilnehmern bei der von der Bank of America durchgeführten Fondsmanagerumfrage sieht die Weltwirtschaft in der Spätphase des laufenden Zyklus, eine sich auflösende Blase am Anleihemarkt und einen vermutlich inflationär zunehmenden Populismus. Die potenziellen Gewinner wären demnach: Inflation, Realvermögen und Infrastruktur. Die Verlierer: Wachstum, Kredit und Deflation.
Quantitatives Versagen: Die geldpolitischen Maßnahmen der Notenbanken dürften sich als immer weniger wirksam erweisen, um die "Animal Spirits" von Unternehmen und Haushalten anzukurbeln. Gewinner: Keynesianismus, Gold; Verlierer: Geldvermögen, Monetarismus.
Demografie/Neue Konsumenten: Die Zahl der Großeltern wird die der Kinder weltweit übersteigen. Außerdem treten jede Sekunde in den Schwellenländern fünf Personen in die Mittelklasse ein. Die Generation Z (geboren zwischen 1997 und 2012) überholt die Millennials. Gewinner: E-Commerce; Verlierer: traditioneller Einzelhandel, Altkunden.
Klimawandel: Investoren konzentrieren sich mehr auf Auswirkungen der globalen Erwärmung auf Wirtschaft, Gesellschaft, Arbeitslosigkeit und Migration. Gewinner: saubere Energie, Elektrofahrzeuge; Verlierer: fossile Brennstoffe, Dieselfahrzeuge und Einwegkunststoffe.
Roboter und Automatisierung: Bis zu 50 Prozent der Arbeitsplätze sind bis 2035 von der Automatisierung bedroht. Gewinner: Automatisierung, lokale Produktion, Big Data und künstliche Intelligenz (KI); Verlierer: Menschen, globale Lieferketten.
Splinternet: China dürfte die USA überholen und bis 2030 die Weltspitze bei der künstlichen Intelligenz übernehmen. Staatlich gelenktes Internet expandiert. Gewinner: die aufstrebenden Märkte und Asien; Verlierer: die entwickelten Märkte und der Westen.
Moralischer Kapitalismus: In den kommenden 20 Jahren dürften 20 Billionen Dollar in ESG-Strategien (Environment, Social, Governance) fließen, das entspricht fast der Marktkapitalisierung des S & P 500 Index. Gewinner: ESG, Impact Investing, Stakeholder; Verlierer: Business-as-usual-Investment, nur auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Firmen.
Smart Everything/Internet der Dinge: Auch zur Bekämpfung der deflationären Effekte der Demografie dürfte es bis 2030 rund 500 Milliarden vernetzte Geräte geben, was die Gefahr birgt, dass die Privatsphäre komplett ausstirbt. Gewinner: Internet of Things, Konnektivität, intelligente Städte, "Big Brother Tech"; Verlierer: Privatsphäre, Offline.
Raumfahrt: Tourismus und Nanosatelliten sind die nächste Stufe für eine Industrie, die bis 2030 rund eine Billion US-Dollar wert sein könnte. Gewinner: Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung; Verlierer: veraltete Satelliten.
Auch wenn das alles in unseren Augen recht schlüssig klingt, handelt es sich um Prognosen. Wir stellen nachfolgend zehn Einzelaktien vor, mit denen sich Anleger diese Megatrends ins Depot holen können.
Höhepunkt der Globalisierung: Übernahme sorgt für ein noch solideres Kursfundament
Den Auftakt in der Bank of America-Liste der zehn Megatrends macht die These zur Deglobalisierung. Die Ära der unkontrollierten Waren-, Personen- und Kapitalströme von 1981 bis 2016 gehe zu Ende, heißt es dort. Dahinter stehe die Erkenntnis, dass die Globalisierung zwar niedrigere Verbraucherpreise, aber auch ein langsameres Wachstum, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und soziale Verwerfungen bedeutet hat. Kommt es zu mehr Wachstum und höherer Inflation, spräche das unter anderem für Investments in reale Werte wie Rohstoffe, Ackerland, Immobilien, Sammlerstücke und Edelmetalle, heißt es weiter. Aroundtown ist ein Unternehmen, das von solchen Investments in echte Werte, in diesem Fall Immobilien, stark profitieren dürfte. Der in Deutschland gelistete Luxemburger Konzern investiert sein Kapital in Gewerbeimmobilien hauptsächlich in Deutschland und den Niederlanden. Durch den praktisch eingetüteten Zusammenschluss mit dem Konkurrenten TLG Immobilien dürfte Aroundtown bald sogar zum größten europäischen Anbieter von Büroimmobilien aufsteigen und damit zum DAX-Kandidaten. Weil wir diese Fusion für strategisch sinnvoll halten, haben wir den Titel zuletzt mehrfach vorgestellt.
Der Kurs hat in den vergangenen Handelstagen zwar weitere neue Bestmarken erreicht, die Bewertung ist aber nach wie vor attraktiv. Gegenüber dem angepassten Nettoinventarwert von geschätzten 9,10 Euro für 2020 handelt der Wert noch immer mit einem Abschlag. Unter der Annahme, dass im neuen Firmenverbund Miet- und Kapitalwert schneller zulegen, hat die Berenberg Bank ihr Kursziel gerade von 9,20 Euro auf 10,00 Euro erhöht. Das entspricht exakt unserer eigenen Zielvorgabe. Dabeibleiben oder sogar Nachkaufen lautet unsere Empfehlung.
Rezession: Mit Infrastruktur gegen eine Rezession
In den 2020er-Jahren droht irgendwann eine Rezession. Ist der Wirtschaftszyklus intakt, wäre es statistisch gesehen keine Überraschung, wenn es dazu käme. Um gegenzusteuern, rufen Experten wie DZ-Bank-Chefvolkswirt Stefan Bielmeier zu einer koordinierten Geld-, Fiskal- und Strukturpolitik auf. Zu einem solchen Paket dürften Infrastrukturmaßnahmen gehören. Profitieren sollte hiervon die britische 3i Group, die sich auf Private Equity und Infrastruktur im mittleren Marktsegment konzentriert hat. Unter anderem ist 3i Group im Energiesektor sowie im Bereich Transport und Logistik engagiert, vor allem in Nordeuropa und in Nordamerika. Die Gesellschaft meldete kürzlich gute Zahlen für die ersten neun Monate des Geschäftsjahres 2019/20. Das erfahrene Management sieht sich gut gerüstet, weiterhin solide Ergebnisse liefern zu können. Das bisherige Rekordhoch der Aktie von 11,84 Pfund ist in Reichweite gerückt. Geht es nach den Analysten von Barclays und Morgan Stanley, setzt der Titel bald neue Bestmarken. Die Bewertung der Beteiligungs- und Risikokapitalgesellschaft stützt aus unserer Sicht diese Erwartungshaltung. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist einstellig, die Dividendenrendite beträgt solide 3,7 Prozent.
Quantitatives Versagen: Rosige Zeiten für Edelmetallproduzenten
Der Bank of America zufolge besteht die Gefahr, dass die expansive Geldpolitik scheitert. Schließlich droht nach 768 Zinssenkungen weltweit seit 2009 und mehr als zwölf Billionen Dollar an quantitativen Lockerungsmaßnahmen doch ein Gewohnheitseffekt. Kommt es zum "quantitativen Versagen", ist Gold ein möglicher Profiteur. Das bringt uns zu einer Wette auf die Aktien von Polymetal International. Für diesen in London gelisteten Gold- und Silberproduzenten sprechen aktuell frisch aufgestellte Kursrekorde. Operativ betreibt das Unternehmen Minen in Russland und Kasachstan. Das hohe Kursniveau signalisiert, dass die Geschäfte von Polymetal sehr gut laufen. Und es könnte sogar noch besser werden: Die Gesellschaft will in den nächsten fünf Jahren ein Produktionswachstum von 50 Prozent schaffen. Laut Analystenkonsens ist von 2019 bis 2022 mit einer Verbesserung beim Ergebnis je Aktie von 1,14 Dollar auf 1,63 Dollar zu rechnen. Damit ist die Bewertung im Branchenvergleich moderat. Was uns ebenfalls sehr gut gefällt: Polymetal zählt zu den Topdividendenzahlern im Goldminensektor. Wie schon in früheren Jahren sind neben den regulären Ausschüttungen möglicherweise Sonderzahlungen drin.
Demografie: Goldenes Jahrzehnt für Zahlungsdienstleister
Der demografische Wandel ist ein wichtiger Megatrend. Verändertes Konsumverhalten geht damit einher. So erfreut sich der Onlinehandel steigender Beliebtheit ebenso wie das bargeldlose Bezahlen, etwa per Smartphone. Schon länger sind an der Börse jene Unternehmen gefragt, die diese Zahlungsmethoden ermöglichen. Afterpay aus Australien ist so ein Unternehmen. Seit Mitte 2017 stieg der Aktienkurs von rund drei Euro auf aktuell fast 23 Euro. Der Finanztechnologiekonzern ermöglicht es Verbrauchern, beim Onlineshopping die Ware sofort zu erhalten, aber in vier Raten zu bezahlen. Sie müssen dabei weder einen klassischen Kredit aufnehmen noch Vorabgebühren oder Zinsen entrichten. Geraten die Käufer mit ihren Raten in Verzug, wird eine Strafgebühr fällig. Das Segment "Touch" wiederum offeriert innovative digitale Zahlungsdienste für Unternehmen aus den Bereichen Telekommunikation, Gesundheit und Einzelhandel. Der Aktienkurs markiert gerade ein neues Hoch, weil das Geschäft stark wächst. Bis 2023/24 halten Analysten einen Gewinn je Aktie von 1,06 australischen Dollar für möglich. Wird dieses Ziel erreicht, ermäßigt sich die derzeit sehr hohe Bewertung der Aktie deutlich.
Klimawandel: Aussichtsreicher Kraftwerkspezialist
Als fünften großen Trend bezeichnet die Bank of America den Klimawandel. Das Thema ist in aller Munde, viel Neues gibt es dazu nicht zu berichten. Höchstens, dass das US-Institut die 2020er-Jahre als das Jahrzehnt der sauberen Energielösungen einstuft und im Idealfall eine mutige "Make Earth Green Again"-Strategie die Weltwirtschaft ankurbelt. Damit winkt ein Umfeld, das Anbietern von sauberer Energie in die Karten spielt. In diese Kategorie gehört Boralex. Die Kanadier entwickeln, bauen und betreiben Kraftwerke für erneuerbare Energien in Kanada, Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Das Unternehmen ist führend auf dem kanadischen Markt und Frankreichs größter unabhängiger Produzent von Onshore-Windenergie. Aktivitäten gibt es in den vier Energieerzeugungsarten Wind, Wasserkraft, Wärme und Sonne. Der Geschäftsplan sieht vor, bis 2023 über installierte Kapazitäten von 2800 MW zu verfügen (2006 MW waren es zum 30.09.2019). Der Cashflow soll mit einer jährlichen Rate von 20 Prozent auf 140 bis 150 Millionen kanadische Dollar zulegen. Analysten sehen den Gewinn je Aktie von 2019 bis 2023 von 0,03 auf 1,04 Kanada-Dollar steigen - das erklärt auch die Rekordjagd des Titels.
Automatisierung: Kursgewinne mit Testsystemen
Auch Robotik und Automatisierung sind ein Megatrend, stellt die Bank of America fest. Ein Trend, der sich dank verbesserter Computerleistung und des Aufstiegs der künstlichen Intelligenz beschleunigen dürfte. Dadurch eröffnen sich viele neue Möglichkeiten, etwa bei optischen Sensoren, maschinellem Sehen, Spracherkennung, Bewegungssensoren und Berührung. Einer unserer Favoriten ist hier Teradyne. Zuletzt hatten wir die Aktie in Ausgabe 39/2019 zu 53,70 Euro als Kauf eingestuft. Das damalige Kursziel von 64 Euro hat der Titel zwischenzeitlich überschritten. Nach der jüngsten kleinen Korrektur ist die Aktie weiter interessant. Denn der 1960 gegründete Hersteller von Halbleitertestgeräten entwickelt sich zu einer Größe in der Fabrikautomation. Außerdem verkauft Teradyne Roboter für die Industrieautomation. Sie sorgen dafür, dass Unternehmen ihre Produktivität erhöhen und die Kosten senken. Dem US-Konzern trauen Analysten im Schnitt in den nächsten fünf Jahren ein Gewinnplus von 13,6 Prozent pro Jahr zu. Das macht die schon etwas ambitioniertere Bewertung akzeptabel. Der Ende 2008 aufgenommene und immer noch intakte Aufwärtstrend spricht darüber hinaus für diesen Wert.
Splinternet: Trend begünstigt russisches Google
Splinternet steht für eine zunehmende Spaltung des Internets aufgrund verschiedener Faktoren wie Technologie, Handel, Politik, Nationalismus und Religion. So hat etwa Russland am 1. November 2019 ein neues Internetgesetz in Kraft gesetzt und damit wohl eine rechtliche Zersplitterung des Internets eingeleitet. Im Vorjahr sah es phasenweise danach aus, als ob der russisch-niederländische Konzern Yandex der russischen Politik zum Opfer fallen könnte. Jedenfalls sackte der Kurs zwischendurch deutlich ab. Doch die Internetsuchmaschine, die in Russland Marktführer vor Google ist und auch in anderen Bereichen der lokalen Internetökonomie eine wichtige Rolle spielt (etwa Online-Mitfahrdienst Yandex.taxi) hat den Kopf offenbar aus der Schlinge gezogen. Zumindest spricht dafür der neue Kursrekord. Laut dem Broker Rencap sind dank der jüngsten Reorganisation die regulatorischen Risiken gesunken. Dafür berge das Konzernökosystem erhebliches Wertschöpfungspotenzial. Der Analystenkonsens sieht den Gewinn je Aktie von 2019 bis 2022 von 83,49 auf 209,18 Rubel steigen. Daraus ergibt sich auf letztgenannter Basis ein KGV von unter 14. Im Branchenvergleich entspräche das einer ziemlich moderaten Bewertung.
Moralischer Kapitalismus: Stärkere Fokussierung macht attraktiver
Unter Punkt 7 stuft die Bank of America moralischen Kapitalismus als Megatrend ein. Es heißt, für die Erreichung der UN-Ziele 2030 für nachhaltige Entwicklung stehen nun die Schlüsseljahre an. Es geht darum, den ESG-Kriterien Environmental, Social und Governance (ethisch, ökologisch, sozial) zu mehr Gehör zu verhelfen, was traditionelle Investmentansätze verändern sollte. In der Tat finden ESG-Kriterien längst verstärkt Beachtung bei der Geldanlage. Als Stütze dienen dabei Ratings wie das SAM Corporate Sustainability Assessment System - das Nachhaltigkeitspraktiken von Unternehmen bewertet. Im Bereich Versorger wird Engie aus Frankreich mit als führend eingestuft. Die Performance der Gesellschaft, die früher unter GDF Suez firmierte, hinkte allerdings lange hinterher. Seit Ende 2018 sieht es wieder besser aus. Der Vorstand rechnet mit einer stärker dekarbonisierten, dezentralisierten und digitalisierten Welt und strebt darin eine führende Rolle an. Im Fokus des Konzerns stehen die kohlenstoffarme Energieerzeugung, Energieinfrastruktur und effizientere Lösungen. Das erwartete Kurs- Gewinn-Verhältnis für 2022 liegt bei 11,3. Entwickelt sich das Geschäft weiterhin gut, hat die Aktie enormes Potenzial.
Internet der Dinge: Wertewandel macht sich bezahlt
Die Schlagwörter Smart Everything und Internet der Dinge bezeichnen einen nicht zu unterschätzenden Megatrend. Auch der Trend zur Urbanisierung hängt damit zusammen. Neue Lösungen für intelligente Mobilität, intelligente Gebäudetechnik, Big Data, Infrastruktur und Kommunikation sind gefragt. Das Ziel dabei: eine Verbesserung des städtischen Lebens. Wir spielen das Thema mit dem japanischen Elektronikkonzern NEC mit Sitz in Tokio. Dessen Aktien hinterließen an der Börse lange einen sehr blassen Eindruck. Doch inzwischen hat sich das gebessert, wie jüngst markierte neue Mehrjahreshochs belegen. Offenbar steckt hinter dem hausintern verfolgten Wandel hin zu einem Soziale-Werte-Innovator mehr als nur schöne Worte. Zur Erfüllung des selbst gesteckten Ziels, Lösungen für die Gesellschaft zu entwickeln, hat das umtriebige Unternehmen in den vergangenen Jahren Aktivitäten in den Bereichen Cybersicherheit, künstliche Intelligenz, Biometrie und Internet der Dinge/Netzwerke forciert. Analysten trauen NEC einiges zu. Sie rechnen von 2018/19 bis 2021/22 mit einem Anstieg beim Ergebnis je Aktie von 150,24 Yen auf 398,48 Yen. Eine Perspektive, die bei NEC weiter steigende Aktienkurse verspricht.
Raumfahrt: Luft- und Raumfahrtkonzern profitiert vom Space Age 2.0
Raumfahrt ist ein Megatrend. Allerdings ist ein neues Weltraumzeitalter gemeint, in dem neue Technologien und die Kommerzialisierung durch Privatfirmen den Abflug der Menschheit von der Erde ermöglichen. Beim sogenannten Space Age 2.0 geht es um wiederverwendbare Raketen, fortschrittliche Satelliten, Elektronikminiaturisierung, Internet aus dem Weltraum, Weltraumtourismus und Beherrschung des Alls. Neben Vertretern aus den Bereichen Luft- und Raumfahrt zählt die Bank of America Verteidigungskonzerne zu den Gewinnern. Wir schicken L3Harris Technologies ins Rennen. Das US-Unternehmen entstand im Juni 2019 durch die Fusion der Harris Corporation mit L3 Technologies und stellt Kommunikations- und Informationstechnologien für Verteidigung sowie Luft- und Raumfahrt her. Der Konzern gilt als sechstgrößter Rüstungskonzern weltweit. Im Teilbereich raum- und luftfahrtgestützte Systeme geht es um Weltraumnutzlasten, Sensoren und Lösungen für Missionen, geheime Aufklärung und Cyberabwehr, Avionik und elektronische Kriegsführung. Im neuen Konzernverbund ist die Gesellschaft schlagkräftig aufgestellt, um eine Erfolgsstory zu schreiben. Zudem könnte das Management Segmente verkaufen, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Das würde Cash für Investitionen in die Kasse spülen - oder für Dividendenzahlungen. Der Finanzdienstleister Morningstar sieht bei L3Harris einen breiten wirtschaftlichen Schutzgraben. Analysten halten in den kommenden fünf Jahren eine Verbesserung beim Ergebnis je Aktie von 22 Prozent per annum für möglich. Das relativiert die hohe Bewertung. Läuft alles wie geplant, sollte der Titel den seit 1990 bestehenden Aufwärtstrend fortsetzen können. Neue Kursrekorde untermauern den intakten Charttrend.