Das Barometer für die Konjunktur-Erwartungen in den nächsten sechs Monaten stieg im April um 6,9 auf 11,2 Punkte, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner Umfrage unter 225 Analysten und Anlegern mitteilte. Der zweite Anstieg in Folge fiel unerwartet kräftig aus. Von Reuters befragte Experten hatten nur mit einem Plus auf 8,0 Zähler gerechnet.
Die chinesische Wirtschaft wuchs zwar zum Jahresauftakt 2016 so langsam wie seit der weltweiten Finanzkrise Anfang 2009 nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt stieg von Januar bis März nur noch um 6,7 Prozent zum Vorjahresquartal. Allerdings legten Einzelhandelsumsatz, Kredite und Produktion im März unerwartet stark zu. Das weckte nicht zuletzt in der deutschen Exportindustrie die Hoffnung, dass die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wieder Fahrt aufnimmt.
"Die größten Rezessionssorgen sind verflogen, vor allem dank besserer Wirtschaftsdaten aus China", so DZ-Bank-Analyst Michael Holstein. Die politischen Unsicherheiten in Europa seien jedoch eine Belastung, da sich in vielen Ländern eine EU-kritische Stimmung ausbreite und in Großbritannien sogar der "Brexit" drohe, also der Austritt aus der Europäischen Union. "Für die deutsche Wirtschaft, die sehr stark von den offenen Grenzen profitiert, hängen tiefschwarze Wolken am Horizont", warnte Holstein. Auch ZEW-Experte Sascha Steffen betonte, dass unter dem Strich die "anhaltende Wachstumsschwäche Chinas und anderer wichtiger Schwellenländer eine Belastung für die deutsche Exportwirtschaft bleibt".
Die aktuelle Lage bewerteten die Fachleute ungünstiger. Dieses ZEW-Barometer sank um 3,0 auf 47,7 Punkte. Hier hatten Experten einen Mini-Anstieg auf 51,0 Zähler vorhergesagt. Die Bundesbank betonte jüngst, im ersten Quartal 2016 sei die deutsche Wirtschaft "wohl kräftig gewachsen" und womöglich stärker als Ende 2015 mit 0,3 Prozent. Für April bis Juni zeichne sich jedoch ab, dass sie an Fahrt verliere.
Große Sprünge trauen die meisten Ökonomen der Wirtschaft nicht zu, weil starke Impulse von außen fehlen. Die Stimmung der deutschen Firmen und das internationale Umfeld hätten sich zwar stabilisiert, sagte Thomas Amend von der Privatbank HSBC Trinkaus. "Allerdings zeigt die Weltwirtschaft keine große Dynamik." Das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland dürfte 2016 um rund 1,5 Prozent steigen, nach plus 1,7 Prozent im Vorjahr.
Reuters