Die Zinsdifferenz zwischen Einlagen und Kreditgeschäft reichte lange Zeit aus, um damit nachhaltig zu wirtschaften und sich für das einzusetzen, was den Kern genossenschaftlichen Denkens ausmacht: Hilfe zur Selbsthilfe und Engagement für die Heimat. Anders als manche Großbank haben sich Volksbanken und Raiffeisenbanken nie auf riskante internationale Investmentabenteuer eingelassen, sondern sich nicht nur in Krisenzeiten als Stabilitätsanker bewährt.
Doch für dieses Modell werden die Herausforderungen zunehmend größer. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die deren früherer Präsident Mario Draghi eingeführt hat und die seine Nachfolgerin Christine Lagarde derzeit so weiterführt, engt das Geschäftsmodell von Regionalbanken ein. Lagarde hat indes die Schattenseiten der Niedrigzinspolitik erkannt. Sie will - so hat sie es zumindest bei ihrem Amtsantritt angekündigt - die Politik der obersten europäischen Währungshüter überprüfen. Das wäre die Gelegenheit, den Weg hinaus aus der Politik der negativen Zinsen zu weisen. Doch am Niedrigzinsumfeld wird sich so schnell nichts ändern.
Das Problem: Die Leistung, Geld als Kredit auszugeben, hat durch die expansive Geldpolitik der EZB ihren Wert verloren. Häuslebauer mag es freuen, den Immobilienkredit für einen Zinssatz von weniger als einem Prozent zu bekommen. Den Banken erschwert es das Geschäft. Der Aufwand für Kreditvergabe sowie Vorsorge für Kreditausfälle lässt sich nur noch schwer decken. Gleichzeitig stoßen Banken bei der Anlage in Wertpapieren an Grenzen, da es kaum noch rentierliche Angebote zu akzeptablen Risiken gibt und strenge regulatorische Vorgaben gelten. Aber irgendwo müssen die Anlageüberschüsse ja hin. Neben Anlagen bei der EZB, für die ab einer gewissen Einlagenhöhe Strafzinsen anfallen, bleiben in erster Linie noch Staats- und Unternehmensanleihen, die aber auch mit null oder negativ verzinst sind. Dieser Entwicklung können Bankvorstände nicht tatenlos zusehen. Lange haben die Genossenschaftsbanken versucht, Verwahrentgelte und Negativzinsen zu verhindern. Auch künftig werden sie mit Augenmaß vorgehen. Dennoch sollten sich vor allem Sparer mit großem Vermögen darauf einstellen, Verwahrentgelte zu bezahlen. Die Genossenschaftsbanken werden ihre Kunden dahingehend beraten, wie sie ihr Vermögen alternativ anlegen können.
Zur Wahrheit gehört auch: Verwahrentgelte und Negativzinsen alleine werden das Problem nicht lösen, das die EZB Banken wie Anlegern eingebrockt hat. Sie können lediglich ein Baustein sein, um das Fundament für das eigentliche Kerngeschäft zu stabilisieren - nämlich Kunden verlässlich mit Krediten zu versorgen. Aber angesichts der bislang harten Haltung der EZB führt kaum noch ein Weg an Gebühren und Verwahrentgelten vorbei.
Zudem hat die Politik den Sparer als Wähler für sich entdeckt und will ihn nun durch gesetzgeberische Maßnahmen vor Negativzinsen und Verwahrentgelten bewahren. Bei ihrer Klausur im Kloster Seeon formulierte die CSU-Landesgruppe in einem inzwischen deutlich abgeschwächten Papier ursprünglich, die Banken zu einem "kostenfreien Basiskonto" künftig "verpflichten" zu wollen. Wieder sollen die Banken als Prellbock ein Problem abfangen, das mit politischer Rückendeckung durch die Maßnahmen der EZB entstanden ist, nun aber nicht mit politischen Mitteln behoben werden soll. Wer so leichtfertig argumentiert, gefährdet die Regionalbanken und damit die verlässliche Versorgung der mittelständisch geprägten Wirtschaft mit Krediten. Ein solches Ansinnen ist ebenso populistisch wie leichtfertig - schließlich verlässt man durch staatliche Zwangseingriffe den Boden der freien Marktwirtschaft. Wenn die Politik die Niedrigzinsphase beenden will, sollte sie sich an die wahren Gründe machen: Abbau der Staatsverschuldung und das Setzen von Rahmenbedingungen für Wettbewerb und Innovation.
Jürgen Gros
Der GVB vertritt seit mehr als 125 Jahren die Interessen bayerischer Genossenschaften. Zu seinen 1242 Mitgliedern zählen 236 Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie über 1000 Unternehmen aus Branchen wie Landwirtschaft, Energie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen. Sie bilden mit rund 50 000 Beschäftigten und 2,9 Millionen Anteilseignern eine der größten mittelständischen Wirtschaftsorganisationen im Freistaat.