Etwa 50 Jahre alt ist die Dogwalkerin, die jeden Vormittag vier Hunde im Hochhaus in der John Street abholt. Die Dame läuft mit den vier Haustieren an der Leine zu einem Grünstreifen nahe der Wall Street, anschließend füttert sie die Tiere in den Appartements der Besitzer und gibt ihnen frisches Wasser. Pro Hund erhält sie 15 Dollar pro Tag. Das Geschäft läuft glänzend, denn die New Yorker haben sich Hunde in Rekordzahl angeschafft, wohl auch um Ängste in Corona-Zeiten zu bewältigen.

Die Nachfrage nach Haustiersittern ist riesig in den Wolkenkratzern der US-Metropole. Ein Nebeneffekt: Ein Petsitter kann zuweilen gratis in einem Luxusappartement leben. Ein Ehepaar bietet in einer Annonce 600 Dollar pro Woche Cash, wenn ein Student während des Urlaubs in deren Wohnung zieht, um auf den geliebten Vierbeiner aufzupassen. Nicht nur die Pandemie belebt das Geschäft. Es liegt auch an der Einsamkeit. In den USA ist inzwischen fast jeder zweite Erwachsene ein Single. 1.950 lebte nur gut ein Fünftel allein. Studien zeigen zudem, dass Haustiere auch anderweitig gut für Menschen sind. Mit dem Hund spazieren zu gehen, hält fit und hilft der Gesundheit.

Weil während der Pandemie mehr Hunde adoptiert wurden, sind viele Tierheime in den USA nahezu leer. Bereits 67 Prozent der US-Haushalte besitzen laut nationaler Vereinigung der Heimtierbesitzer ein Haustier. 1988 besaßen demnach bloß gut die Hälfte Hund, Katze, Pferd oder Wellensittich.

Die Ausgaben für die Lieblinge schießen in die Höhe, die Nachfrage nach Futter, Spielzeug oder Medizin ist groß. Die Website Rover.com, auf der Tierbesitzer Walker, also Gassigeher, und Sitter suchen, schätzte bisher, dass sich die jährlichen Kosten für einen Hund im Schnitt zwischen 610 und 2.115 Dollar bewegen. Im vergangenen Jahr startete Rover dann eine aktuelle Umfrage unter Hundebesitzern. Das erstaunliche Ergebnis: 47 Prozent der US-Tierliebhaber investieren sogar über 3.400 Dollar im Jahr. Die größten Posten dabei sind neben dem Futter Versicherungen, Tierarztbesuche und Medizin.

Schier grenzenlose Fürsorge

Die Tierliebe kennt insbesondere in medizinischer Hinsicht offenbar keine Grenzen. Hunde erhalten Krebsbehandlungen und homöopathische Kuren. "Die Leute behandeln Haustiere wie Familienmitglieder - sie bekommen alles, von Vitaminen bis hin zu onkologischen oder Diabetes-Behandlungen, ja selbst Wellnesskuren und Diäten", sagt Benjamin Wolin, Chef der US-Firma Covetrus, die Software und Zubehör an Tierärzte verkauft und der die Branche aus dem Effeff kennt. "Alles, was wir in den letzten 20 Jahren in der menschlichen Gesundheitsversorgung gesehen haben, passiert jetzt in der Tiergesundheit", so Wolin. Der US-Marktforscher Grand View schätzt, dass für die globale Tiergesundheit, also für Heim- und Nutztiere, im vergangenen Jahr 50,9 Milliarden Dollar ausgegeben wurden. Pro Jahr soll der Markt im Schnitt um fast neun Prozent wachsen.

Das Heimtiergeschäft von Zoetis, dem global führenden Tiermedizinkonzern, legte im ersten Quartal um 35 Prozent zu. In den USA steuert die Sparte inzwischen 71 Prozent des Gesamtumsatzes bei - gegenüber 64 Prozent im Vorjahr. Im Sortiment sind Salben, Gentests, Tabletten, Impfstoffe und diagnostische Produkte. Der Weltmarktführer beliefert Tierärzte und Landwirte in 100 Ländern. Der Pharmariese Pfizer gliederte Zoetis 2013 aus, dann kam die Sparte an die Börse. Chefin Kristin Peck erwartet nun auch in Schwellenländern wie China einen Nachfrageschub, im ersten Quartal legte der Umsatz dort um 75 Prozent zu.

Härtester Rivale der Amerikaner ist Elanco Animal Health, eine ehemalige Sparte des Pharmakonzerns Eli Lilly. Das Brot- und Buttergeschäft der Nummer 2 auf dem Weltmarkt sind Medikamente und Impfstoffe für Haus- und Nutztiere. Die Produkte reichen von Antibiotika bis zur Abwehr von Flöhen oder Zecken. Ein Spezialgebiet ist die Behandlung von Arthrose bei Hunden. Im August 2020 kaufte Elanco das Tiergesundheitsgeschäft von Bayer für 7,6 Milliarden Dollar. Es entstand einer der größten Player in der Branche. In den nächsten Jahren strebt Elanco eine Bruttomarge von 60 Prozent gegenüber 52 Prozent im Jahr 2020 an. Dies soll durch höhere Stückzahlen und Kostensenkungen möglich werden.

Im März allerdings geriet das von Bayer stammende Zecken- und Flohhalsband Seresto für Hunde und Katzen in die Kritik, eines der meistverkauften Produkte des Konzerns. Es soll über 1.000 Todesfälle von Haustieren wegen gefährlicher Gifte gegeben haben, lauten Vorwürfe. Laut Elanco sind die Insektizide für Vierbeiner ungefährlich.

Gassi-Start-ups expandieren

Auch in Deutschland liegt Profi-Gassigehen im Trend. Im südhessischen Viernheim gründete Martina Lubetzki vor sechs Jahren einen lokalen Dogwalking-Service. Ihre Firma dog-walker.de expandiert, Lubetzki hat Minijobber angeheuert, Workshops und Hundetraining gehören mit zum Angebot.

Auch Europas größter Onlinehändler für Tierbedarf profitiert von der neuen Heimtierliebe der Deutschen. "In 15 Monaten haben sich so viele Leute zu einem Haustier entschlossen wie sonst in drei bis vier Jahren", sagt Zooplus-Chef Cornelius Patt. Der Umsatz der Münchner wuchs im ersten Quartal prozentual zweistellig. Der Chef sieht einen weiteren Faktor, der den Trend befeuert: Die Arbeitswelt entwickle sich, so Patt, "nachhaltig haustierfreundlicher".
 


INVESTOR-INFO

Zoetis

Medizin für den Liebling

Pfizers ehemalige Tiermedizintochter ist weltweiter Primus. Vor allem die Impfstoffe erfreuen sich hoher Nachfrage, auch Medikamente für Hunde oder Katzen verkaufen sich immer besser. Der Vertrieb pflegt langjährige Kundenbeziehungen, eigene Veterinärmediziner beraten Landwirte, wie sie ihre Produktivität in der Nutztierhaltung durch Medikamente, Impfstoffe oder Futtermittelzusätze steigern können. Haus- und Nutztiere steuern auf Jahresbasis 55 respektive 45 Prozent des Umsatzes bei. Kaufen und liegen lassen.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 210,00 Euro
Stoppkurs: 137,00 Euro

eLanco Animal Health

Auf Wachstumskurs

Der Tiermedizinhersteller ist durch Übernahmen zur weltweiten Nummer 2 aufgestiegen. Durch den Kauf der Tiermedizin von Bayer hat sich der Umsatz im ersten Quartal auf 1,2 Milliarden Dollar verdoppelt. Bis Ende 2023 sollen 300 Millionen Dollar eingespart werden. Der Hedgefonds Sachem Head Capital Management erstand im Oktober knapp sechs Prozent, das Urteil lautete "unterbewertet". Schnäppchen für Mutige.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 33,00 Euro
Stoppkurs: 23,00 Euro

Zooplus

Europas Nummer 1

Der Onlinehändler aus München ist in 30 Ländern Europas zu Hause. Das Potenzial ist enorm: In Europa haben 80 Millionen Haushalte mindestens ein Haustier, das Marktvolumen für Heimtierfutter und Tierbedarf in der Europäischen Union wird auf 30 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Es ist überdies noch erhebliches Wachstum im Internethandel zu erwarten. Ein Risiko bleibt der übermächtige Rivale Amazon, der ebenfalls im Markt aktiv ist. Teuer, deshalb halten.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 290,00 Euro
Stoppkurs: 229,00 Euro