Herr Jürgens, über Geld redet man nicht, sagen viele. Wie sehen Sie das?

Udo Jürgens: Ich habe keine Scheu, über Geld zu sprechen. Es ist ein wichtiger Teil unserer Existenz und ich habe mit Geld nie etwas angestellt, wofür ich ein schlechtes Gewissen haben muss.

Weltweit wurden bislang mehr als 100 Millionen Platten und CDs von Ihnen verkauft - und Sie haben Millionen verdient. Welche Rolle spielt Geld in Ihrem Leben?

Ich genieße es, auch nach 50 Jahren Erfolg, mehr als genug davon zu haben.

Na, daran gewöhnt man sich doch fix.

Man muss es aber zu schätzen wissen. Als ich mich im zarten Alter von 17 Jahren entschied, mit Musik Geld zu verdienen, habe ich nicht einmal davon geträumt, reich zu werden. Das schien mir unerreichbar.

Und was schien erreichbar?

Dass ich mit meiner Leidenschaft für Klavier und Gesang mit Mitte 20 so viel Geld verdiene, dass ich eine Familie ernähren kann und am Monatsende vielleicht immer 5000 Mark mehr auf dem Konto habe, als ich fürs tägliche Leben brauche.

Auf Seite 2: Was Udo Jürgens als Erstes über Geld lernte



Was lernten Sie als Erstes über Geld?

Mit 19 wollte ich ein Auto haben. Einen VW, diesen schon damals uralten mit 25 PS und den geteilten Rückfenstern. Der hat 700 Mark gekostet, die ich nicht hatte. Mein Vater sagte: "Ich gebe sie dir. Aber du zahlst sie mir innerhalb eines halben Jahres zurück. Pünktlich!" Ich hatte wirklich einen liebevollen Vater, aber als er mir die 700 Euro gab, war er sehr ernst. Da habe ich gelernt: Beim Thema Geld verändert sich der Ton. Sogar in der Familie. Da muss man aufpassen.

Haben Sie pünktlich zurückgezahlt?

Ja, auf Heller und Pfennig.

Sind Sie mit Ihren Kindern beim Geld auch so streng, wie es Ihr Vater mit Ihnen war?

Nein, ich habe gegeben und über das Zurückzahlen hat niemand gesprochen.

Bereuen Sie das?

Nein, es entspricht meiner Mentalität -ich bin da nachlässig.

Wie viel Geld haben Sie in Ihrem Leben schon verdient?

Ich weiß nur, wie viel ich in etwa habe. Das kann ich gar nicht mehr ausgeben.

Auf Seite 3: Was Udo Jürgens von Anlegerempfehlungen hielt



Sie könnten den Aktienempfehlungen der Anlegerpresse folgen oder Firmen kaufen und so Ihr Geld vielleicht verdreifachen.

Oder dritteln -nein, danke. Weder interessiere ich mich für die Börse, noch bin ich gierig. Mich haben schon viele Bankiers gefragt, ob sie mein Geld anlegen dürfen. Aber das überlasse ich lieber meinem Büro. Da sitzt ein gescheiter Finanzfachmann, der auch meine Steuern macht, und der legt einen Teil in Gold und in sehr konservativen Aktien an. Im Detail habe ich da keine Kenntnis. Ich hab' noch nie spekuliert. Zwar könnte ich sagen, erklär' mir das bitte mal genau. Aber das ist nicht meine Welt. Ich verbringe meine Zeit lieber damit, Lieder zu schreiben, die vielleicht Leute auf dem Weg ins Büro pfeifen.

Sie haben soeben Börse und Gier in einen Zusammenhang gebracht.

Ach ja? Nicht bewusst.

Welchen Zusammenhang sehen Sie?

Ich kenne einige Banker und Broker. Die sagen, dass die Börsenwelt eine Haifischgesellschaft ist, in der gnadenlose Gier herrscht. Sie haben mir auch erzählt, dass die Finanzkrise daran nichts geändert hat. Ich finde übrigens, dass uns neben der Gier auch die Informationsflüsse an den Kapitalmärkten in Gefahr bringen, weil sie schneller geworden sind, als wir denken können.

Sie beschäftigen auf Ihren Tourneen dutzende Mitarbeiter. Fühlen Sie sich mehr als Unternehmer oder mehr als Künstler?

Um Gottes Willen, ich bin kein Unternehmer. Ich freunde mich zum Beispiel immer schnell mit Mitarbeitern aus meinem persönlichen Umfeld an. Das ist eigentlich ein Fehler, weil Unternehmer kein Freundschaftsverhältnis zu ihren Angestellten haben dürfen. Dann können sie ja keinen mehr feuern. Ich bin da recht ungeschickt, weil ich so stark den persönlichen Kontakt suche.

Und wie lösen Sie Personalprobleme?

Ich rufe mein Management an. Ich selbst löse nur die musikalischen Probleme.



Auf Seite 4: Der härteste Job seines Lebens



Was war der härteste Job Ihres Lebens?

In meinen Anfangsjahren in München Ende der 50er-Jahre gab mir die Schwabinger Gisela einen Job. Diese Rothaarige, die war der Wahnsinn. Sie hatte ein Lokal mit einer kleinen Bühne, auf der sie allabendlich ihre etwas schlüpfrigen Lieder sang. Ein bekanntes hieß "Aber der Nowak lässt mich nicht verkommen". Dabei stand sie immer an so einer Laterne. Die lebt übrigens noch, die Gisela. Na ja, jedenfalls traf sich da die Münchner Bohème. Eines Tages sagte sie zu mir, ich soll doch in ihren Pausen spielen. Das tat ich auch, für 20 Mark am Abend. Doch es war furchtbar für mich. Sie wurde beklatscht -und für mich und meine Plätschermusik rührte niemand eine Hand.

Wie kamen Sie raus aus der Nummer?

Ich habe wahnsinnig viel komponiert. Bald passierte das kleine Wunder: Internationale Stars wie Matt Monro und Shirley Bassey sangen meine Lieder und landeten Welthits damit. Dann kam die erste Vierteljahresabrechnung: Obwohl die Amis uns schon damals bei den Abrechnungen übers Ohr gehauen haben, waren plötzlich 14 000 Mark auf meinem Konto. Anfang der 60er!

Was haben Sie mit dem Geld gemacht?

Zwei Ford Taunus für je 7000 Mark gekauft. Einen davon habe ich verschenkt. Blöder kann man nicht sein -wir hatten kein Geld mehr für Benzin, aber die Autos standen hinten im Hof. Unglaublich (lacht). Und dann kam noch viel mehr Geld. Ich dachte: Was ist da los? Als Sänger hatte ich ja bis dahin in Deutschland kaum Geld verdient, weil meine erste Plattenfirma Polydor mir verboten hat, meine selbst komponierten Lieder zu singen.

Was haben Sie stattdessen gesungen?

Bittere Schlager von anderen. "Monika", "Es waren weiße Chrysanthemen" und solche Grausamkeiten. Alles Flops. Aber dann kam das Geld aus den USA, später auch aus Europa und Asien. Und 1963 das Angebot des Musikproduzenten Hans R. Beierlein, der mich meine eigenen Lieder singen ließ. Von da an war ich auch als Interpret ganz oben.

Wann waren Sie das letzte Mal knapp bei Kasse?

Als ich bei der Gisela gespielt hab'.

Nein, vor kürzerer Zeit.

So gesehen bin ich ständig klamm. Ich habe immer nur 500 Euro bei mir.

Viele Leute finanzieren ihr Leben auf Pump. Haben auch Sie Schulden?

Ich habe praktisch keine.

Seit 2007 erlebt die Welt eine gewaltige Schuldenkrise. Hat diese schon einmal in irgendeiner Form Ihr Leben berührt?

Sie macht mir Sorgen, manchmal sogar Angst. Aber da ich hauptsächlich in der Schweiz lebe und mein Geld sicherheitsorientiert angelegt ist, bin ich persönlich kaum betroffen.

Auf Seite 5: Warum auch kritische Texte kein Tabu sein dürfen



In vielen Ihrer Lieder wie "Der ganz normale Wahnsinn", "Fehlbilanz" und "Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff" thematisieren Sie Missstände in der Wirtschaft. Warum singen Sie solche kritischen Texte?

Ich will über alles singen können, was mich berührt. Musik soll nicht nur erzählen, wie schön der Sonnenuntergang und die Liebe sind. Bei diesen Dingen gibt es ja auch schmerzliche Komponenten. "Guten Morgen, mein Liebes. Guten Morgen, mein Kind. Welch ein strahlender Tag, doch woher weht der Wind." So geht ein Lied los. Der Wind kann von der politisch rechten Seite kommen, aber auch Radioaktivität anwehen. Warum sollte ich so etwas nicht auch in gesungener Sprache verständlich klingen lassen?

Häufig komponieren Sie kritische Songs im Stile von Schunkelliedern zum Mitklatschen. Da verpufft doch die Wirkung.

Würde ich solche Texte ganz ernst vortragen, würden sie klingen wie vorgelesene Zeitungsartikel. Ein Musikstück wird daraus erst, wenn man den Schalk in den Augen hat und sich - auch selbstironisch -über den Ernst der Lage lustig macht. Musik kann die Welt ohnehin nicht verändern, sondern nur Denkanstöße geben.

Angenommen, Sie sollten entweder dem Schweizer Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann oder der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ein Ständchen singen ...

...sie saß kürzlich im Flugzeug neben mir. Mit einem Buch, Zeitschriften und einem Glas Rotwein in der Hand. Ganz gemütlich in der Business Class.

Und, haben Sie angestoßen?

Ich habe überlegt, ob ich sie ansprechen soll. Aber wenn ich Frauen anspreche, werden mir immer seltsame Absichten unterstellt. Da habe ich es lieber gelassen.

Was halten Sie von ihr?

Sahra Wagenknecht ist attraktiv, sicher auch eine kluge, aber auch eine extrem linke Frau. Da hätten wir am Ende wohl ein Streitgespräch geführt. Diese Gleichmacherei der Linken finde ich nicht gut.

Welches Lied würden Sie ihr singen?

Ich habe Lieder, die ihr inhaltlich zusagen dürften, obwohl ich kein Kommunist bin. Zum Beispiel "Fehlbilanz". Aber wie gesagt, ein Gespräch fände ich besser.

Würden Sie mit Josef Ackermann auch lieber reden?

Er ist ein beeindruckender Mann. Natürlich sind Gespräche mit ihm interessant. Aber ihm habe ich auch schon etwas vorgesungen. Zu seinem Geburtstag. Ich war zwar furchtbar erkältet, habe aber trotzdem fast eine Stunde gesungen für ihn und seine Gäste. Er hatte mich darum gebeten.

Für lau gesungen oder gegen Geld?

Natürlich gegen eine Gage.

Wir reden hier an Ihrem Wohnort nahe der Finanzmetropole Zürich miteinander. Gehören Banker zu Ihrem Freundeskreis?

Zu meinem Freundeskreis nicht. Aber ich lerne immer wieder welche kennen.

Banker werden für die Finanzkrise verantwortlich gemacht. Hoch bestraft worden ist bislang keiner. Wäre Verantwortung ein Thema für einen Songtext von Ihnen?

Gute Idee. Das Problem dabei: Ein Lied ist wie ein Vögelchen - ist etwas Entzückendes, Liebes. In einem Lied wird verniedlicht, indem eine Stimme sich erhebt, um zu singen. Bei kritischen Inhalten muss man aufpassen, dass sie gesungen nicht lächerlich wirken. Das ist übrigens einer der Gründe, warum Operntexte so schlecht sind. Da geht es meist um unglaubliche Banalitäten.



Auf Seite 6: Was Udo Jürgens von Frauen in Führungspositionen hielt



Manche Soziologen glauben, wenn es mehr Frauen in Führungspositionen gäbe, würden Unternehmen weniger aggressiv agieren. Glauben Sie dieser These?



Ich glaube schon, dass Frauen in Führungspositionen ein Gewinn für die Gesellschaft sind. Ich bin aber nicht sicher, ob sie weniger aggressiv sind. Wenn ich nur an die Eiserne Lady Maggie Thatcher denke: Die war als Politikerin auch deshalb so bedeutend, weil sie härter war als die Männer.

Also sollten Frauen doch lieber vor allem nette, schicke Ehefrauen sein?

Diese Reduzierung wäre ganz sicher unter ihrem Wert. Andererseits: Was passiert mit der Institution Familie, die jetzt schon in Gefahr ist, wenn die Frau als extrem wichtige Komponente wegfällt? Es ist ja eine Tatsache, dass die Frauen die Kinder kriegen. Ein sehr schwieriges Thema.

Hat Geld für Männer eine andere Bedeutung als für Frauen?

Ich denke schon: Männer verbinden Geld mit Macht, Frauen verbinden Geld eher mit Glamour und Lebenslust. So wie ich auch.

Auf Seite 7: Udo Jürgens über seine Lust auf schnelle Autos


Was waren Ihre letzten Lustkäufe?

Ein hübsches Haus in Portugal. Und ein Bentley. Ich bin ein Autoverrückter.

Wie viel PS hat der Bentley?

Ich glaube 350.

Eine echte Umweltsau!

Ich habe schon als kleiner Junge von einem solchen Auto geträumt und mir diesen Traum nun verwirklicht. Ich weiß, dass der Bentley nicht umweltfreundlich ist. Aber ich fahre so wenig damit, dass er so schädlich nun auch wieder nicht ist.

Der Klatschkolumnist Michael Graeter hat einmal gesagt: "Ich brauche keinen Porsche, ich habe einen Penis." Ein guter Gag? Über freche Sprüche kann ich immer lachen. Übrigens habe auch ich keinen Porsche (lacht).



Udo Jürgens

Udo Jürgens (bürgerlich: Udo Jürgen Bockelmann) wurde am 30. September 1934 im elterlichen Schloss Ottmanach bei Klagenfurt geboren. Sein Vater, ein Landwirt, war halbrussischer Abstammung, die Mutter Deutsche. Jürgens' Onkel mütterlicherseits war der Dadaist Hans Arp. Ein Bruder des Vaters, Werner Bockelmann (SPD), war von 1957 bis 1964 Oberbürgermeister von Frankfurt am Main. Von 1964 bis 1989 war Jürgens mit dem Ex-Fotomodell Erika "Panja" Meier verheiratet. Die beiden haben zwei gemeinsame Kinder. Außerdem hat Jürgens zwei nichteheliche Töchter. 1999 heiratete Udo Jürgens seine Lebensgefährtin Corinna Reinhold. 2006 erfolgte die Scheidung. 2007 erhielt der heute 76-jährige Österreicher auch die Staatsbürgerschaft der Schweiz, wo er die meiste Zeit wohnt. Am Sonntag ist Udo Jürgens im Alter von 80 Jahren an einem Herzversagen gestorben.