"Das Ausmaß der Welle ist größer als man vor acht Wochen angenommen hätte", sagte Finanzvorstand Christoph Jurecka am Donnerstag in München. Die Beschränkungen könnten auch im Herbst zu Schäden für die Münchener Rück führen, etwa durch den Ausfall von Großveranstaltungen. In vielen Ländern stünden noch Urteile aus, ob die Versicherer für die erzwungene Schließung von Fabriken und Restaurants zahlen müssen. Er stehe aber hinter den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, um eine weitere Verschärfung der Lage zu verhindern, sagte Jurecka. "Es ist wichtig, dass wir geschlossen dem Virus entgegentreten."
Bis Ende September hat die Corona-Krise die Münchener Rück schon 2,3 Milliarden Euro gekostet, allein im dritten Quartal kamen 800 Millionen an Schäden hinzu. Vom Ziel eines Gewinns von 2,8 (Vorjahr: 2,7) Milliarden Euro hatte sie sich deshalb schon im Frühjahr verabschiedet. Noch vor kurzem hatte Vorstandschef Joachim Wenning aber eine neue Aussage zum Ergebnis für Herbst in Aussicht gestellt. Dass sie ausblieb, ließ die Aktie der Münchener Rück um mehr als drei Prozent in die Knie gehen.
Die Nummer drei unter den größten Rückversicherern, Hannover Rück, hatte am Mittwoch einen Gewinn von mehr als 800 Millionen Euro vorhergesagt und will 2021 an das Niveau von vor der Krise anknüpfen. Jurecka ist eher skeptisch: "Wenn die Covid-19-Welle so weiterläuft, werden wir auch 2021 noch Schäden haben." Wie es mittelfristig weitergeht, will die Münchener Rück am 8. Dezember auf einem Investorentag erklären. Die Dividende sei aber sakrosankt, deutete Jurecka an: Dass sie seit Jahrzehnten nicht gesenkt wurde, sei "ein extrem hohes Gut, das wir vehement verteidigen wollen".
STÜRME, WALDBRÄNDE UND DIE EXPLOSION IN BEIRUT
Im dritten Quartal holte die Erstversicherungs-Tochter Ergo die Kastanien für die Münchener Rück aus dem Feuer. Das einstige Sorgenkind steuerte mehr als zwei Drittel zum Konzerngewinn bei, der um mehr als drei Viertel auf 199 Millionen Euro einbrach. Dabei litt auch der Düsseldorfer Versicherer unter den Folgen von Corona, etwa in der Reiseversicherung. Dank sinkender Kosten und niedrigen Schäden sei Ergo aber auf Kurs zu einem Gewinn von 530 Millionen Euro in diesem Jahr, bekräftigte Jurecka.
In der Schaden-Rückversicherung musste die Münchener Rück 27 Prozent der Beitragseinnahmen für Großschäden ausgeben, mehr als doppelt so viel wie geplant. Den Löwenanteil machten die Folgen der Corona-Pandemie aus, aber auch Stürme und Waldbrände in den USA und die Explosion im Hafen von Beirut schlugen ins Kontor. Daher schrieb die normalerweise ertragsreichste Sparte im dritten Quartal rote Zahlen. Und die Hurrikan-Saison sei noch nicht vorbei, betonte der Finanzvorstand. In der Lebens- und Gesundheits-Rückversicherung machen sich steigende Todesfälle in den USA infolge der Pandemie bemerkbar: Im zweiten und dritten Quartal hat die Münchener Rück dafür jeweils 100 Millionen Euro reserviert.
rtr