Vor allem das Vordringen der Fluglinien aus dem Nahen Osten könne zum Sterben der europäischen Luftfahrt führen, übt sich der Nochkapitän der Airline in Branchenpessimismus: "Wir können uns im internationalen Wettbewerb keinen regulatorischen Luxus leisten", erklärt der Manager, den Carsten Spohr im Mai ablöst. Und: "Wir haben mit Auflagen zu kämpfen, die unsere Wettbewerber nicht haben." Von der neuen Bundesregierung forderte er die Abschaffung der Luftverkehrsteuer. Zudem solle der geplante Handel mit Emissionsrechten nicht zu weiteren einseitigen Belastungen in Europa führen.
Mit seiner Schwarzmalerei ist Franz in bester Gesellschaft. Auch Warren Buffett lässt kein gutes Haar an der Branche: "Investoren pumpen seit 100 Jahren Geld in Fluglinien und Flugzeughersteller. Die Resultate sind schrecklich", so der Guru.
Wenn man derartige Sätze hört, verspürt man in der Regel einen inneren Drang, möglichst rasch das Tradingprogramm hochzufahren, Airline-Titel zu markieren, den Sell-Knopf zu suchen und diesen ohne Umschweife zu drücken.
Verstärkt wird dieser Reflex, wenn einst stolze nationale Linien wie Alitalia immer neue Schulden aufnehmen und es trotzdem nicht schaffen, operativ ins Plus zu kommen. Vom Finanzergebnis ganz zu schweigen. Ende 2013 mussten die Italiener ihre Investoren einmal mehr zur Kasse bitten und eine Kapitalerhöhung über 300 Millionen Euro durchziehen.
HVB-Mutter Unicredit stieg mit 50 Millionen Euro ein und nimmt mit einem Anteil von knapp 13 Prozent die Position des drittgrößten Anteilseigners ein. Damit zog das Institut am bislang größten Aktionär, der französisch-niederländischen Fluglinie Air France-KLM, vorbei. Deren Management hatte bei der Kapitalerhöhung abgewinkt und die Beteiligung so von 20 auf sieben Prozent reduziert. Das war wohl nicht der schlechteste Schachzug. Denn die Italiener erwirtschaften täglich einen Verlust von 700 000 Euro und sitzen auf einem Schuldenberg von 800 Millionen Euro. Das bedeutet: Trotz Kapitalerhöhung und staatlicher Hilfe könnte Alitalia in einem halben Jahr wieder vor dem Aus stehen. Also doch Buffetts Rat folgen und alles meiden, was Flügel hat? Nicht unbedingt.
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Schubkraft durch Sparkurs
Denn gerade Air France-KLM wirkt durchaus verlockend. Das Unternehmen ist mit 2,8 Milliarden Euro bewertet, das ist gerade mal ein Zehntel des Umsatzes. Zudem fährt das Management einen beinharten Sanierungskurs, der 2014 nach sechs Jahren im Minus erstmals wieder in positive Zahlen münden soll. Und das gleich recht deutlich: Analysten schätzen fürs laufende Jahr ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von zwölf.
Wenn die Franzosen ihren Rückzug von Alitalia mit zu geringen Sparanstrengungen der Italiener begründen, wissen sie, wovon sie reden. Immerhin streicht die franko-niederländische Airline selbst bei den laufenden Bemühungen zur Kostensenkung 7800 Stellen. Zwar hat die Dividendenrendite von etwa 0,2 Prozent eher symbolischen Charakter. Weil das Sparprogramm als Kurstreiber wirkt und der Turnaround rasch vonstattengeht, ist die Aktie aber ein spekulativer Kauf.
Auch bei der Lufthansa wird kräftig gespart: Der Aufwand für Kerosin, der größte Kostenblock, soll in diesem Jahr von 7,1 auf 6,9 Milliarden Euro sinken, wie aus einer Präsentation von Finanzchefin Simone Menne hervorgeht. Damit hat das Sparprogramm Score, das aus 2500 Einzelpunkten besteht, zwei starke Säulen: Einsparungen bei den Treibstoffkosten und Jobkürzungen, bei denen 3500 Stellen abgebaut werden sollen. Auf KGV-Basis ist die Lufthansa zwar nicht höher bewertet als Air France-KLM, doch das Kurs-Umsatz- Verhältnis beträgt immerhin 0,4.
Das spricht dafür, dass Air France-KLM mehr Luft nach oben hat. So lange jedenfalls, wie keine neue Wirtschafts- oder Kreditkrise die Rückkehr in die schwarzen Zahlen verhindert. Ganz meiden müssen Anleger die Branche also nicht - auch nicht in den USA, wo die himmlische Schrumpfkur weiter vorangeschritten ist. Dort haben die Kurse bereits abgehoben.
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Index im Höhenflug
Allein 2013 legte der von Dow Jones berechnete Airline-Index um gut 95 Prozent zu. Seit 2009 beträgt das Plus schon mehr als 500 Prozent. Allerdings war das Fluglinienbarometer zuvor innerhalb von zwei Jahren um 84 Prozent abgestürzt. Am deutlichsten wird dies am Beispiel American Airlines. Die Mitte 2007 gültigen Kurse entsprachen nach heftigem Auf und Ab etwa dem Niveau von 1991. Dann kam die Finanzkrise - und von da an ging es richtig abwärts. Kräftige Rückschläge müssen bei Investments in Fluglinien deshalb jederzeit einkalkuliert werden. Insbesondere dann, wenn sich die Wall Street - wie im Januar - mal wieder eine Auszeit nehmen sollte.
Doch es gibt auch gute Gründe, die für einen weiter anhaltenden Aufstieg sprechen - vor allem nach der Runderneuerung der Branche in den zurückliegenden Jahren. Höhepunkt war der Zusammenschluss der Fluglinien American Airlines und US Airways zur - gemessen an den Passagierzahlen - weltgrößten Fluggesellschaft. Auch die Plätze 2 und 3 belegen mit United Continental und Delta Air Lines zwei US-Branchenvertreter. Nach etlichen Fusionen und Insolvenzen sind die Unternehmen heute auch nicht mehr mit jenen von vor der Finanzkrise vergleichbar.
Wie gut es momentan läuft, zeigen die jüngsten Quartalszahlen. So hat Delta Air Lines mit einem bereinigten Gewinn von 0,68 US-Dollar je Aktie die Erwartungen der Analysten um drei Cent übertroffen. Die wichtige Kennziffer Umsatz pro Passagier stieg um 6,1 Prozent. Die Analysten von Standard & Poor’s hoben das Kursziel zuletzt von 40 auf 42 Dollar. Auch die Zahlen von United Continental überzeugten. Das passt zu den Berechnungen der Branchenexperten, dass künftig rund 80 Prozent des amerikanischen Inlandflugverkehrs über die vier großen Linien US Airways, United Continental, Delta und Southwest Airlines laufen werden. Für die großen US-Fluggesellschaften hat das den Vorteil, nicht mehr nach Wachstum um jeden Preis streben zu müssen, sondern auch etwas für die Margenoptimierung tun zu können. Wird dieser Kurs beibehalten, winkt der Branche auch 2014 ein gutes Börsenjahr.
Das gilt auch für Europas Branchengrößen - trotz der Bedrohung aus dem Nahen Osten. "Wirtschaftswachstum und die damit verbundenen Handels- und Passagiervolumina werden sich verbessern, was wiederum die Umsätze der Unternehmen im europäischen Transportsektor antreiben sollte", schreibt Nomura-Analyst Mark McVicar in einer Studie zur Branche. Die Analyseabteilung von Barclays führt wiederum "unterschätzte zukünftige Margen" als Kaufargument ins Feld.
Primus auf dem alten Kontinent, und auch der Liebling der Analysten, ist mittlerweile der von British Airways und Iberia dominierte Zusammenschluss International Consolidated Airlines, kurz ICA. Sowohl Nomura als auch Barclays stufen die Mega-Airline als Kauf ein, ebenso wie Citigroup und UBS. Von den jüngsten Einschätzungen großer Investmenthäuser hat lediglich die in Großbritannien ansässige HSBC die Airline auf "Hold". Die Briten stellen mit einem Kurspotenzial von etwas mehr als zehn Prozent auch die vorsichtigste Analyse. Im Schnitt liegen die Erwartungen ungefähr doppelt so hoch.
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Teure Billigflieger
Bleibt die Frage, inwieweit auch die Konkurrenz durch Billigflieger den etablierten Linien zu schaffen machen kann. Zumindest können große Player wie ICA, Lufthansa und Air France entspannt bleiben. Denn obwohl sich die Preisbrecher auf einigen Linien durchgesetzt haben, fliegen sie viele Flughäfen wegen hoher Gebühren nicht an. Dem Wachstum von Ryanair und Co sind also Grenzen gesetzt. Auch aus Anlegersicht ist Ryanair, die Mutter aller Billig- Airlines, kaum der Erwähnung wert. Tatsächlich entstehen bei einem KGV von 17, einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 2,6 und der nicht vorhandenen Dividendenrendite durchaus Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines Investments. Im Vorjahr mussten die Iren ihre Gewinnprognosen zweimal binnen weniger Monate kappen. Für das bis März laufende aktuelle Geschäftsjahr sagt die größte Billigfluggesellschaft Europas jetzt einen Gewinn von 510 Millionen Euro voraus, ursprünglich sollten es 570 Millionen sein. Zum ersten Mal seit fünf Jahren dürfte damit der Gewinn verglichen mit dem Vorjahr zurückgehen.
Konkurrent Easyjet - natürlich für den Margendruck mitverantwortlich - scheint Ryanairs Spiel inzwischen besser zu beherrschen als der Erfinder selbst. In ihrem abgelaufenen Geschäftsjahr (bis Ende September) haben die Briten vor Steuern einen Gewinn von 478 Millionen Pfund (rund 580 Millionen Euro) erwirtschaftet - im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von 51 Prozent. Für Aktionäre gibt es eine Sonderdividende von 44,1 Pence je Aktie - also etwa 2,7 Prozent Rendite. Da Easyjet im Branchenvergleich zudem noch die solideste Eigenkapitalquote hat, bleibt aus Investorensicht eigentlich nur ein Makel: der Preis der Aktie. Sowohl Ryanair als auch Easyjet stemmen mehr Börsenwert auf die Waage als die Lufthansa, die doppelt so viel Gewinn einfliegt. Das spricht in beiden Fällen nicht für den Einstieg. Noch riskanter ist Air Berlin: die niedrigste Eigenkapitalquote im Branchenvergleich, kein KGV, keine Dividende und folglich auch kein Investment. Die Aktie ist allenfalls als Übernahmespekulation interessant - doch das wäre im Moment zu gewagt.
Im Segment der Billigflieger ist deshalb ein US-Wert erste Wahl: Jetblue ist mit einem KGV von zwölf ähnlich bewertet wie Air France oder Lufthansa und hat Analystenschätzungen zufolge das Potenzial, den Gewinn jährlich um mehr als 20 Prozent zu steigern. Dieser dynamische Trend soll bis 2019 anhalten - wenn nicht wieder mal eine Branchenkrise dazwischenkommt. Denn ganz unbegründet sind die Zweifel nicht, die Buffett und Co an der Branche hegen: In keiner anderen Industrie gibt es in Abschwungphasen mehr Pleiten.