Simon Lue-Fong ist Leiter der Fixed Income Boutique bei Vontobel Asset Management. Er verfügt über 29 Jahre Erfahrung im Anleihesegment. Lue-Fong rät Anlegern, den Anteil von Unternehmensanleihen mit niedriger Bonität oder Schwellenländerbonds im Depot zu erhöhen.
€uro am Sonntag: Herr Lue-Fong, vor 30 Jahren warfen die zehnjährige US-Staatsanleihe und die deutsche Bundesanleihe jeweils über neun Prozent ab. Werden derartige Renditen nie wieder erreicht?
Simon Lue-Fong: Sicher nicht auf absehbare Zeit. In Reaktion auf die Finanzkrise und die Corona-Pandemie haben die Industriestaaten die Schulden massiv ausgeweitet. Zinssätze wie vor 30 Jahren würden sie nicht verkraften.
Sichere Staatspapiere sind meist negativ verzinst. Machen sie in einem gut diversifizierten Portfolio dennoch Sinn?
Als Renditequelle scheiden sie sicherlich aus. Staatsanleihen stabilisieren jedoch das Depot, wenn die Börsen korrigieren. Nur Aktien im Portfolio machen meiner Erfahrung nach keinen Sinn. Wer ausschließlich in Staatsanleihen investieren will, kann Bonds mit längeren Laufzeiten erwerben. Die Papiere sind noch positiv verzinst.
In den Industriestaaten ziehen die Inflationsraten an. Das schmälert die Erträge. Hält der Trend an?
Zumindest bis ins kommende Jahr hinein. Der Anstieg erklärt sich nicht nur mit Basiseffekten gegenüber dem Vorjahr und mit Lieferengpässen für Vorprodukte. Die wirtschaftliche Erholung fällt stark aus, der Arbeitsmarkt erholt sich schneller als zunächst erwartet. Noch dazu stecken die Staaten Geld in die Infrastruktur. Das treibt die Konjunktur zusätzlich an.
Die Notenbanken werden die Zinsen dennoch nicht anheben?
Nein. Dank höherer Inflationsraten können Staaten und Unternehmen ihre hohe Verschuldung abbauen. Das ist ganz im Sinne der Notenbanken. Sie haben die Geschichte studiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg sank dank Inflation die Staatsverschuldung in den USA innerhalb von nur zehn Jahren von 110 auf 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Ab welcher Inflationsrate müsste die EZB zwingend die Zinsen erhöhen?
Die EZB hat ja jüngst ihre Strategie geändert. Eine klare Zahl gibt sie nicht vor. Sie will jetzt aber eine Inflationsrate von über zwei Prozent temporär tolerieren. Eine baldige Straffung der Geldpolitik ist da nicht zu erwarten. Die EZB signalisiert gleichzeitig den Investoren, dass sie einen weiteren Anstieg der Teuerungsrate verhindern will. Die Kommunikation wirkt. Investoren trennen sich nicht aggressiv von Anleihen.
Was halten Sie von inflationsgeschützten Anleihen?
Wir favorisieren konventionelle Papiere und raten zum Kauf bei Kursverlusten beziehungsweise Renditeanstiegen. Die Liquidität herkömmlicher Anleihen ist deutlich größer als bei inflationsgeschützten Bonds.
Wer mit Anleihen Geld verdienen will, muss mehr ins Risiko gehen?
Ja. Anleger müssen den Anteil von Unternehmensanleihen mit weniger gutem Rating erhöhen oder Schwellenländeranleihen kaufen. Diese weisen einen Spread gegenüber Staatsanleihen von zwei bis fünf Prozentpunkten auf. Wir raten Anlegern jedoch, bei der Suche nach Spread die Expertise von Fondsmanagern zu nutzen.
Sind für deutsche Anleger Papiere sinnvoll, die auf Dollar lauten?
Ja, wir gehen in den kommenden Monaten von einem gegenüber der Europäischen Gemeinschaftswährung stärkeren Greenback aus. Zudem sind US-Papiere attraktiver verzinst.
Breit gestreut Das Portfolio umfasst 241 Positionen, darunter Anleihen der Ukraine und Ägyptens. Seit Jahresanfang legte der Fonds um 5,8 Prozent zu und belegt damit in der Anlageklasse Schwellenländeranleihen Platz 1.