Der Kurs der Digitalwährung Bitcoin ist im Verlauf der Vorwoche massiv eingebrochen. Das passierte in Reaktion auf einen Versuch, das bisherige Rekordhoch von Ende 2017 nachhaltig zu überwinden. Die jüngste Abwärtsbewegung ist aber auch vor dem Hintergrund einer in den vergangenen Monaten vorzüglichen Entwicklung zu sehen, Schließlich ist der Preis seit Mitte März von knapp 5.000 USD in der Spitze bis auf deutlich über 1.900 Dollar gestiegen.

Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang, dass Bitcoin nicht nur in diesem Jahr die beste Asset-Klasse ist, sondern sie war das auch im Vorjahr, sowie seit 2017 und seit 2015. Von einer Eintagsfliege kann somit nicht mehr gesprochen werden. Auch sonst tut sich sehr viel in dem Segment, was dazu führt, dass sich neben privaten auch immer mehr institutionelle Anleger mit dem Segment beschäftigen.

Mit dem Thema haben sich auch die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in einer aktuellen Studie beschäftigt. Darin gehen die Autoren unter dem Eindruck, dass Kryptowährung wie Bitcoin auf dem Weg zum Mainstream sind, wie die jüngste Preisentwicklung von Bitcoin zu bewerten ist? Zudem beleuchten die Autoren das Geschehen rund um Bitcoin aktuell und sie stellen dazu interessante Grafiken zur Verfügung. BÖRSE ONLINE berichtet.

Sechs Grafiken für einen allgemeinen Marktüberblick



LLBW-Volkswirt Guido Zimmermann stellt als Autor an den Beginn seiner Studie zunächst einige Charts vor, die allgemein dabei helfen, die derzeitige Lage rund um Bitcoin besser zu verstehen und einzuschätzen.

Den Auftakt macht dabei die These, wonach der Bitcoin-Kurs stark durch Narrative und zunehmend durch institutionelle Investoren getrieben wird.



Danach folgt die Feststellung, dass sich der Krypto-Assets-Sektor nach dem Platzen der Blase 2018 wieder im Aufwind befindet. Digitale Assets wie Bitcoin, Ethereum und Litecoin bezeichnet Zimmermann als kryptografisch gesicherte, softwaregesteuerte und meist nicht zentral emittierte Assets, die als Speichermedium, Tauschmittel oder Technologieinvestitionen dienen. Der nachfolgend gezeigte MVIS CryptoCompare Digital Assets 10 Price Index liefert ein kondensiertes Abbild der nach Marktkapitalisierung und Liquidität wichtigsten digitalen Aktiva.



Einen Eindruck vom aktuellen Marktgeschehen vermittelt auch der CCI30 Index. Dieser bildet die Entwicklung der 30 größten Kryptowährungen in Bezug auf Marktkapitalisierung ab. Stablecoins werden nicht berücksichtigt.



Zimmermann weist außerdem mit Hilfe der nachfolgenden Grafik darauf hin, dass Bitcoin bei weitem den größten Marktanteil im Krypto-Assets-Markt innehat.



Die fünfte Grafik zeigt, dass Bitcoin vor allem ein Zahlungsnetzwerk für westliche Industrieländer ist. Per 18.11.2020 existierten weltweit geschätzt 18645 Bitcoin-ATM und Bitcoin-Händler.



Warum die Annahme Bitcoin goes Mainstream statthaft ist, zeigt die stark gestiegene Zahl der Wallet-Benutzer auf der Bitcoin-Blockchain.



Starke Retail-Investorenbasis - Zahl der Institutionellen Investoren steigt



Ein Merkmal von Bitcoin ist laut Zimmermann die starke Retail-Investorenbasis. Gemäß einer Studie von Fidelity hat die Anzahl der Bitcoin-Adressen, die über weniger als 10 Bitcoin verfügen, zwar auch nach dem Platzen der Blase 2018 weiter zugenommen. Allerdings hat die diesbezügliche monatliche Veränderungsrate seit Januar 2018 nachhaltig abgenommen. Dies deutet darauf hin, dass verstärkt institutionelle Investoren in den Markt eintreten.



Wie Zimmermann weiter ausführt, war Bitcoin-Preisanstieg zuletzt weniger durch Retail-Anleger getrieben als 2018. Zwar sei der Großteil der Bitcoin-Anleger aus dem Retail-Segment, die Liquidität werde aber in erster Linie von institutionellen Investoren bereitgestellt. Die Normalisierung der Krypto-Asset-Klasse und damit auch von Bitcoin erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass Bitcoin zu einem normalen, wenn auch sehr kleinen Teil von Finanzportfolios werde. Dies erhöhe wiederum seinen Gleichgewichtswert. Die nächste Abbildung zeigt auf, dass unter Umständen der aktuelle Preisanstieg weniger blasenhaften Charakter als 2017 hat.



Auch weist Zimmermann darauf hin, dass Institutionelle Investoren verstärkt in den Markt eintreten. Zwar sei der Großteil der Bitcoin-Anleger aus dem Retail-Segment, die Liquidität werde aber in erster Linie von institutionellen Investoren bereit gestellt. Hinzu kämen immer mehr institutionelle Engagements in dieser Assetklasse.

Laut dem Institutional Investors Digital Asset Survey 2020 von Fidelity stieg der Anteil von institutionellen Investoren, die in digitale Assets investieren 2019 von 22 Prozent auf 27 Prozent. 26 Prozent dieser Investoren haben ein Exposure zu Bitcoin. 91 Prozent der Investoren, die in digitale Assets zu investieren gedenken, planen diesbezüglich einen Portfolioanteil von mindestens 0,5 Prozent in den nächsten fünf Jahren.

Für 36 Prozent der Investoren sind die (vermeintliche) Nichtkorreliertheit zu traditionellen Assetklassen, für 33 Prozent die Renditeopportunitäten und für 34 Prozent die neue Technologie die interessanten Eigenschaften von digitalen Assets. Für rund die Hälfte aller Investoren sind die hohe Preisvolatilität sowie die Probleme bei der Bewertung Hindernisse für Investments in digitale Assets.



Besteht momentan einfach ein Mangel an Bitcoin?



Angesichts des skizzierten Umfelds stellt Zimmermann die Frage, ob momentan einfach ein Mangel an Bitcoin besteht? Grund für den Preisanstieg seit 21. Oktober 2020 könnte neben der Suche nach Rendite seitens institutioneller Investoren gemäß Analysen der Financial Times auch sein, dass PayPal plane, ab Anfang 2021 den Handel mit Kryptowährungen direkt vom PayPal-Konto für die Nutzer aus zu ermöglichen. Mit PayPal kämen nun Kunden, die bereits einen KYC-Prozess durchlaufen haben, als potenzielle Nachfrager von Bitcoin auf den Markt.

Gleichzeitig werde geschätzt, dass ein Wettbewerber von PayPal, der Bezahldienstleister Square, rund 40 Prozent der neu emittierten Bitcoin aufgekauft hat. Die Abbildung des Volumens der Krypto-Börse itBit in der nachfolgenden Grafik, die dem Anbieter Paxos, dem Broker-Dealer von PayPal gehört, zeigt laut Zimmermann, dass itBit vor PayPal wohl über diese Börse das Angebot von neu emittierten Bitcoin aufkauft.

Die These, dass die Restriktionen der chinesischen Regierung für die Miners, geschürfte Bitcoin in Yuan zu konvertieren, und diese neu geschürften Bitcoin damit aber auch nicht auf den Markt gelangten, sei wohl nicht haltbar laut einer diesbezüglichen Studie. Dagegen könnte unter Umständen ein Bitcoin-spezifischer Grund den Preisanstieg mit erklären: das "Halving" 2020. Hierbei handele es sich um eine Halbierung der Entlohnungen der Miners für das Schürfen von Bitcoin. Werde dieser Block Reward halbiert, so müsse entsprechend der Preis von Bitcoin tendenziell steigen, damit das Mining profitabel bleibe.



In Bitcoin zu investieren beißt sich mit dem Postulat der Nachhaltigkeit



Gemäß Schätzungen hat die Blockchain Bitcoin einen CO2-Fußabruck wie Neuseeland, verbraucht Bitcoin soviel Elektrizität wie Chile und verursacht Bitcoin so viel elektronischen Müll wie Luxemburg. Allerdings werden seitens der angestammten Miners (China, USA) verstärkt erneuerbare Energiequellen verwendet, so Zimmermann.

Die Schätzungen seien hier ebenfalls immens unsicher: Die 3. Globale Kryptoasset-Benchmarkstudie des Cambridge Centre for Alternative Finance kommt zu dem Schluss, dass rund 76 Prozent aller Miners erneuerbare Energien in ihrem Energie-Mix haben. Dies werde aber wohl konterkariert durch neue Mining-Farmen zum Beispiel aus Kasachstan.



Das Mining finde vor allem in kalten Regionen mit günstigen Energiequellen statt. Allerdings unterlägen Schätzungen in Bezug auf die Mining-Farmen extrem hohen Unsicherheiten. Gemäß industriespezifischen Untersuchungen seien lediglich 42 Prozent aller Miners bekannt.



Krypto-Tokens sind keine Währungen und Bitoin ist hochspekulativ



Laut LBBW sind Krypto-Tokens keine Währungen. Jedenfalls erfüllten sie nicht die klassischen Geldfunktionen. Als Zahlungsmittel seien sie ineffizient, als Recheneinheit zu volatil. Als "Rohstoff" hätten sie keinen intrinsischen Wert wie Gold, sie seien hoch manipulierbar. Außerdem sei das Konzeption hoch kopierbar und es gebe daher viel Konkurrenz.

Bitcoin bleibt aus der Sicht von Zimmermann ein hochspekulatives Asset. Krypto-Tokens erfüllen nicht die klassischen Funktionen traditioneller Aktiva. Es komme zu keiner Generierung von Cash Flows analog zu Bonds , keiner Generierung von Gewinnen via Wirtschaftswachstum und aufgrund unstabiler Korrelationen sei es auch kein konsistentes Diversifikationsinstrument.

Zu konstatieren sei eine hohe historische Volatilität. Es gebe keine Funktion als sicherer Hafen bei Krisen traditioneller Assetklassen. Kryptowährungen als Assetklasse unterlägen nicht der Knappheit (3 Versionen von Bitcoin existent - Bitcoin, Bitcoin Cash, Bitcoin SV). Zudem sei die Marktinfrastruktur noch sehr jung und anfällig für Cyber-Attacken.

Was ist an Bitcoin innovativ?



Die Bitcoin-Blockchain hat das Anreizproblem bei der Konsensbildung in dezentralen Peer2Peer-Netzwerken gelöst, sich ehrlich zu verhalten, so Zimmermann. Gelöst worden sei dies durch die Entlohnung via Bitcoin, wenn eine Transaktion verifiziert wurde. Bitcoin machte es auch für "kleine" Nutzer, die keinen Beitrag zum Betreiben des Netzwerks leisten (wie die Miners und die Full Nodes, d. h. die Netzwerkknoten, die die Validierung der Transaktionen vollziehen und hierfür mit Bitcoin entlohnt werden), möglich, an einem derartigen Netzwerk zu partizipieren.

Bitcoin war laut Zimmermann das erste Netzwerk, dass mehr als ein einfaches Zahlungsverkehrssystem als Alternative zum traditionellen Bankensystem bot. Das White Paper von Bitcoin habe sehr erfolgreich das Anreizproblem gelöst, dass Miners strategische Attacken auf das Netzwerk fahren. So zeige sich Bitcoin bislang sehr resistent gegen derartige Attacken, weil die Miners hierzu finanziell keinen Anreiz hätten.

Welche Konstruktionsfehler hat Bitcoin?



Die Anzahl verfügbarer Bitcoin, die in das Netzwerk eingespeist werden, ist auf 21 Millionen Coins begrenzt. Viel entscheidender sei, dass lediglich 2^52 Satoshis als atomare Einheit eines Bitcoin (im Vergleich Euro versus Cent) existierten. Dies bedeute, dass Bitcoin viel zu wenige verfügbare Einheiten aufweise, um als weltweites Zahlungsmittel für eine breite Bevölkerung eingesetzt werden zu können.

Die begrenzte "Geldmenge" von 21 Millionen Bitcoin wirkt deflationär, was wiederum einer Nutzung von Bitcoin in einer modernen Volkswirtschaft, die bei steigender Anzahl von Transaktionen auch eine steigende Geldmenge benötige, entgegenstehe. Da die Bitcoin-Blockchain zeitlich linearer Natur seien, sei es für einen Nutzer sehr schwierig, alte Transaktionen ex post zu kontrollieren. Der Proof-of-Work, bei dem Computerknoten darum konkurrieren, als erste eine Transaktion zu verifizieren, sei ökologisch nicht nachhaltig. Die steigende Rechenkraft, die zum Mining benötigt werde, bewirke eine Zentralisierungstendenz, die dem Dezentralisierungsanspruch des Netzwerks entgegen laufe.

Die Größe der Blocks (1 MB) und das 10-Minuten-Intervall zwischen den Blocks sei sicher verbesserungswürdig. Die Anonymität der Nutzer von Bitcoin sei letztlich einerseits - wie versprochen - praktisch nicht gewährleistet und könne durch informationstechnologische Verfahren durchbrochen werden; andererseits sei diese Pseudonymität den Regulierungsbehörden auch ein Dorn im Auge und verhindere eine breitere Akzeptanz bzw. lade zur Nutzung für kriminelles Verhalten ein.

Niemand wisse, ob die Miners noch einen Anreiz zum Schürfen haben, wenn sie nicht mehr neue Bitcoin schürfen, sondern nur noch eine einzelne Transaktionsgebühr als Entlohnung für ihre Arbeit beziehen. Bislang bestehe die Entlohnung der Miners nämlich aus der Summe von neu geschaffenen Bitcoin und der jeweiligen Transaktionsgebühr. Bitcoin liefert im Gegensatz zu Ethereum nur eine begrenzte Möglichkeit zum Einsatz von Smart Contracts, so Zimmermann.

Fazit



Seit 2015 beschäftigt sich die LBBW intensiv mit der Entwicklung des Krypto-Marktes, deren weiterhin prominentester Vertreter das Krypto-Asset Bitcoin ist. Frühzeitig hat man laut Zimmermann 2017 darauf hingewiesen, dass Bitcoin inhärent ein Spekulationsobjekt ist. Denn die Probleme von Bitcoin seien mannigfaltig und wohlbekannt: Eine hohe Energieineffizienz, die mangelnde Erfüllung von Geldfunktionen sowie die Konkurrenz durch andere Krypto-Token und möglicherweise durch entsprechende digitale Angebote seitens der Zentralbanken in der Zukunft.

An der prinzipiellen LBBW-Einschätzung in Bezug auf Bitcoin habe sich nichts geändert. Man sieht Bitcoin und andere Krypto-Aktiva als hochspekulative Investments an, die weder eine konsistent geringe Korrelation zu traditionellen Assets aufweisen - auch Bitcoin musste in den Marktverwerfungen während der 1. Welle der Corona-Krise erhebliche Verluste aufweisen -, noch hat sich in den grundlegenden Problemen von Bitcoin etwas geändert. Der starke Kursrückgang zuletzt bestärkt die Analysten dabei in ihrer Meinung.

Der fulminante Anstieg des Bitcoin-Preises in den letzten Wochen sei angesichts des Niedrigzinsumfelds von einem verstärkten Markteintritt institutioneller Anleger begleitet worden. Geholfen werdeihnen hierbei durch ein zunehmendes Angebot an Marktinfrastruktur seitens professioneller, seriöser Anbieter. Es existiere zudem ein entsprechendes Universum an Krypto-Assets, das allein aus Diversifikationsgründen Anreize gebe, in den Krypto-Asset-Markt zu investieren. Insbesondere das Angebot von PayPal an seine Kunden, ab 2021 problemlos Kryptowährungen traden zu können, habe wohl zuletzt den Markt beflügelt. PayPal habe wohl selbst derzeit stark Bitcoin angekauft. Hinzu kämen Bitcoin-spezifische Gründe (der Halbierungszyklus 2020).

Geholfen werde dem Krypto-Markt auch immer wieder durch Narrative wie das der "Hyperbitcoinification", wonach Bitcoin letztendlich die einzig "wahre" Weltwährung werden soll - vor dem Hintergrund, dass die Zentralbanken dauerhaft Negativzinsen und Inflation produzieren würden. Laut Zimmermann hat die LBBW mehrfach darauf hingewiesen, dass nicht davon auszugehen ist, dass Bitcoin jemals eine Weltwährung werden wird, aus Gründen der Energieineffizienz, der hohen Effizienz des Zahlungsverkehrs in den Industrieländern, der Dezentralität des Bitcoin-Netzwerks und der hieraus resultierenden Ablehnung seitens der Regulierungsbehörden, den Problemen in Sachen Know-Your-Customer/AML-Richtlinien (Anti-MoneyLaundering - "Anti-Geldwäsche"), und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Erwartung, dass die Zentralbanken mittelfristig selbst digitale Währungen emittieren und damit Bitcoin Konkurrenz machen dürften.

Die LBBW erwarten aber, dass sich der Krypto-Markt weiter professionalisieren wird. Es sei anzunehmen, dass der Krypto-Markt weiter expandiert. Bitcoin selbst werde weiterhin ein hochspekulatives Anlageobjekt bleiben. Die wenigen wissenschaftlichen Studien in Bezug auf die Hedging- und Safe-Haven-Eigenschaften von Bitcoin kämen zu uneinheitlichen Ergebnissen. So sei Bitcoin ein abrupter und starker Preisrückgang im März 2020 im Gleichlauf mit traditionellen Assets nicht erspart geblieben. Auch widersprächen Anlagen in Bitcoin widersprechen dem Postulat der Nachhaltigkeit, da die Validierung der Transaktionen ("Mining") extrem energieintensiv und der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix der Miners wohl noch nicht signifikant sei.