Auf Seite 2: Wie Bennett die Chancen für europäische Aktien einschätzt
Herr Bennett, hat sich für Sie durch Ihre Erfolge etwas verändert?
John Bennett: Nein, eigentlich
nicht. Ich habe zwar das Angebot
erhalten,
bestimmte Managementaufgaben
bei Henderson Global Investors
zu übernehmen, aber ich
habe dankend abgelehnt. Ich bin
schließlich glücklich in meinem Job
als Fondsmanager.
Weshalb?
Weil es das Einzige ist, was ich kann
(lacht). Nein, im Ernst. Ich liebe immer
noch die intellektuelle Herausforderung,
mich mit den Besten meines
Fachs zu messen und am Ende
des Tages zu sehen, wer am besten
abgeschnitten hat.
Dazu müssen Sie die Lage richtig
einschätzen. Wie sehen Sie denn
die Situation in Europa?
Ich glaube nicht, dass wir ein Jahrzehnt
mit hohen Wachstumsraten
erleben werden. Dafür bräuchten
wir clevere Politiker mit dem
Wunsch nach einem politischen
Wandel. Doch wir haben zu viele
hoffnungslose Politiker, die sich dem
Wandel verweigern, wie etwa in
Frankreich.
Das hat jetzt aber einen sehr negativen
Beiklang.
Ich habe ja nur betont, dass wir
keine großen Wachstumssprünge
erwarten dürfen. Aber was wir sehen
werden, ist eine Aufholjagd
für bestimmte Länder, insbesondere
für bestimmte Sektoren und Aktien.
Denn der Abschlag gegenüber den
US-Werten ist derzeit einfach viel
zu groß. Und diese Lücke wird sich
langfristig schließen, indem europäische
Titel aufholen werden.
Ist der europäische Aktienmarkt
denn noch günstig?
Nein, nur im Vergleich zu den noch teureren Aktien an der Wall Street. Ich sehe keine wirklich günstigen Investments mehr. Die Zentralbanken haben mit ihrer Politik des billigen Geldes überall die Preise gehoben. Es gibt ein Rennen um noch so winzige Preis- und Renditeunterschiede, das Geld muss ja irgendwo angelegt werden.
Auf Seite 3: Was Bennett von den Aktienmärkten erwartet
Erwarten Sie eine langfristige Fortsetzung der Aktienmarktrally?
Nein, ich glaube die Rally befindet
sich im Endstadium eines ausgedehnten
Bullenmarkts. Ich kann Ihnen
nicht sagen, wann der Bullenmarkt
vorbei ist. Klar ist aber: Je länger
es so ununterbrochen nach oben
geht, umso heftiger wird es dann
nach unten gehen. Die aktuelle Korrektur
am Markt, die aus unserer
Sicht notwendig ist, fiel dagegen bisher
moderat aus.
Was macht Sie so sicher, dass der
Bullenmarkt zu Ende geht?
Es gibt drei Indikatoren, die darauf
hindeuten: Erstens erzielen Large
Caps nun schon seit Monaten eine
bessere Kursentwicklung als kleine
und mittelgroße Unternehmen.
Zweitens steigt das Geschäft mit
Übernahmen und Fusionen stark
an. Und das auch noch länderübergreifend.
Und drittens gibt es wieder
Börsengänge von abstrusen Unternehmen,
die eigentlich nichts an der
Börse zu suchen haben. Dies gilt
speziell
für Großbritannien und die
Vereinigten Staaten.
Sollten Anleger denn dann noch in
Aktien investiert sein?
Gute Frage. Wenn ich eine Alternative
hätte, würde ich andere Investments
aussuchen. Aber derzeit gibt
es keine Alternativen am Markt, die
besser sind.
Sie könnten in Cash gehen?
Nein, denn wir sind immer investiert, das erwarten meine Anleger. Aber ich bin für einen Crash vorbereitet. So haben wir das Portfolio stärker nach den Titeln ausgerichtet, die bisher noch nicht so stark gestiegen sind. Seit 2014 setzen wir auf die Ölwerte, die zwar kein Wachstum aufweisen, dafür aber sparen und hohe Dividenden ausschütten. Wir haben aber auch Versorgeraktien gekauft, die zuvor acht Jahre nicht im Portfolio waren.
Auf Seite 4: Welche deutschen Aktien Bennett favorisiert - und welche nicht
Sind Versorger nicht riskant?
Ja, bei den Versorgertiteln bin ich
tatsächlich etwas aufgeregt, da diese
seit längerer Zeit mit vielen verschiedenen
Problemen zu kämpfen haben.
Dazu zählen die überstürzte
Energiewende in Deutschland oder
die miesen Bilanzen. Doch langsam
lassen diese Gegenkräfte nach. Ein
weiterer Punkt ist, dass Versorger
wirklich total aus der Mode sind. Das
gefällt mir, da ich gern in Unternehmen
investiere, die von der Mehrzahl
der Investoren nicht mal mit der
Kneifzange angefasst werden.
Welche Versorger bevorzugen Sie?
Ich mag die deutschen Versorger
RWE und Eon, weil sie die größten
Probleme haben und bei den Investoren
so verhasst sind. Die Stimmung
im Markt ist so ähnlich wie bei
Pharmatiteln vor knapp fünf Jahren.
Die mochte auch keiner.
Steigen Sie als Contrarian-Investor
bei Pharmatiteln aus, da diese auch
vom Mainstream-Anleger entdeckt
wurden?
Nein, auf keinen Fall. Denn Pharmatitel
wie Roche oder Novartis sind
erst im fünften Jahr eines 15-jährigen
Bullenmarkts. Wir werden noch
viele gute Jahre sehen.
Was macht Sie so sicher?
Der technologische Fortschritt ermöglicht
es den Konzernen, neue
Medikamente gegen Volkskrankheiten
wie Krebs und Alzheimer auf den
Markt zu bringen. Gleichzeitig sorgen
die Schwellenländer und die demografische
Entwicklung für eine
steigende Nachfrage. Inzwischen
sind die Bewertungen zwar gestiegen.
Aber noch ist das Pendel nicht
so weit in die andere Richtung ausgeschlagen,
dass wir uns von den Titeln
trennen müssen.
Sie haben viele deutsche Werte
im Portfolio. Hat das länderspezifische
Gründe?
Nein, ich wähle Titel nur aus einzelspezifischen
Gründen aus. So macht
die Führung bei Henkel derzeit
einen
hervorragenden Job, um die
Gewinnmargen zu heben. Infineon
und Continental profitieren vom
Boom in der Autoindustrie, Bayer
gehört
zur Liste der gut aufgestellten
Pharmawerte.
Welcher Sektor gefällt Ihnen gar
nicht?
Die Biotechbranche etwa, da passt
mir das Chance-Risiko-Profil nicht.
Und Bankaktien. Die hatten wir
zwar 18 Monate im Portfolio, aber haben
sie in den vergangenen Monaten
verkauft. Die Société Générale ist
raus, die Commerzbank ist raus, die
Unicredit ist raus und die Deutsche
Bank ist raus - vor allem wegen ihrer
schlechten Bilanzen.
Sie legen doch eher langfristig an?
Das stimmt. Aber ich bin immer der Meinung, dass man Banktitel in diesem Umfeld nicht lange besitzen, sondern nur kurzfristig mieten sollte, um in Aufschwungphasen Rendite zu erzielen. Und das hat gut geklappt.
Auf Seite 5: Welche Performance Bennett seinem Fonds zutraut
Was dürfen Anleger denn in diesem Umfeld von Ihrem Fonds an Rendite erwarten?
Ich glaube nicht, dass wir mit meinem
Fonds wie zuletzt wieder 15 Prozent
Rendite im Jahr schaffen werden.
Ein einstelliges Ergebnis auf
Zwölfmonatssicht ist in den kommenden
Jahren viel realistischer, da
ich die Entwicklung am Aktienmarkt
als problematisch ansehe.
Sie hatten 2013 im Interview gesagt,
dass Sie Ihre Anleger auffordern
werden, Fondsanteile zu verkaufen,
sollten die Unternehmen
zu teuer werden - sprich ein KGV
über 18 haben. Stehen Sie immer
noch zu dieser Aussage?
Ja, sollte dies eintreffen, wäre es
wirklich an der Zeit zu verkaufen.
Noch ist es allerdings nicht so weit.
In meinem Fonds haben die Unternehmen
aktuell ein durchschnittliches
Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)
von 15. Das ist zwar nicht teuer, aber
eben auch nicht mehr günstig.
Ihr Fonds gehörte in den vergangenen
Jahren zu den Top-Produkten
auf dem Markt. Glauben Sie, dass
Sie die Leistung so halten?
Das ist schwierig. Ein Kunde in
Deutschland hat tatsächlich Fondsanteile
mit dem Argument zurückgegeben,
dass es jetzt mit meinem
Fonds eigentlich nur noch bergab gehen
kann. Und in gewisser Weise
muss ich ihm recht geben. Auch ich
bin ein Anhänger von Zyklen, also
vom Auf und Ab in allen Bereichen
des Lebens. Dazu zählen eben auch
die Erfolge von Fondsmanagern.
Was meinen Sie konkret?
Na ja, angesichts meiner nun schon
länger anhaltenden Erfolgssträhne
kann es durchaus sein, dass auch ich
wieder einmal schwächere Jahre haben werde.
Vita:
Fondsmanager, Vater, Fußballfan
Der Schotte John Bennett trat 2011 als Director of European Equities bei Henderson ein. Zuvor war er als Senior Investment Manager im European-Equity- Team von Gartmore beschäftigt. Bennett hat mehr als 20 Jahre Erfahrung im Management von europäischen Wertpapieren und war 2010 von GAM, wo er 17 Jahre lang tätig war, zu Gartmore gestoßen. Zu den vom Fondsmanager des Jahres 2014 betreuten Portfolios zählen neben dem Henderson Gartmore Continental European Fund auch der Henderson Gartmore Pan European Fund und der Henderson Gartmore European Long Short Fund. Der vierfache Familienvater und leidenschaftliche Glasgow-Rangers- Fan lebt mit seiner Frau in der Nähe von London.