Das Beispiel des Lakestar SPAC I verdeutlicht die Chancen und Risiken eines SPACs: Investoren vertrauen einem - möglichst erfahrenen - Managementteam Kapital an, in der Hoffnung, dass dieses mit dem leeren Börsenmantel eine attraktive Akquisition tätigt und nach der Übernahme hilft, den Wert des Unternehmens zu steigern.
Zum Zeitpunkt des Börsengangs können SPACs keine historischen Umsätze oder Gewinne ausweisen, an denen sich Investoren üblicherweise orientieren. Auch kennen die Investoren zum Zeitpunkt des Börsenganges das Übernahmeziel nicht. Sie kaufen sprichwörtlich "die Katze im Sack". SPACs werden daher auch als Blankocheck-Unternehmen ("blank check companies") bezeichnet, die in den USA in den 1980er Jahren Bedeutung erlangten und in den 1990er Jahren nach zahlreichen Betrügereien mit dem Penny Stock Reform Act und der SEC Rule 419 strikter reguliert wurden.
In Europa haben erfahrene Unternehmer in den vergangenen Monaten ihr Interesse an SPACs entdeckt. Kapital paart sich mit Expertise. Bernard Arnault, der mit dem Luxusgüterunternehmen LVMH zu einem der reichsten Männer der Welt aufstieg, arbeitet bei der Auflage des SPACs Pegasus Acquisition Co. Europe mit dem früheren UniCredit Chef Jean Pierre Mustier und dem Ex-Investmentbankchef der Bank of America Diego De Giorgi zusammen, der seit dem 29. April 2021 an der Börse in Amsterdam handelt. Francois Pinault, der mit Kering und der Marke Gucci zum Milliardär avancierte, hat sich an dem 345 Millionen schweren SPAC des früheren Credit Suisse CEOs Tidjane Thiam beteiligt, der in New York notiert ist. Dem Ex-Commerzbank Chef Martin Blessing ist zu gratulieren, da er mit der European FinTech IPO Company 1 (EFIC1) mit renommierten Partnern einen SPAC lancierte und rund 415 Millionen Euro an Kapital einsammelte. Der SPAC EFIC1 ist an der Börse in Amsterdam handelbar. Die Beispiele zeigen, dass SPACs in den vergangenen Monaten auch vermehrt in Europa Anklang finden.
Während der SPAC-Boom in den USA weit fortgeschritten ist und dort zunehmend Sportler und Prominente als Sponsoren von SPACs auftreten, steht Europa noch am Anfang dieser Entwicklung. In Europa werden SPACs überwiegend von erfahrenen Fachleuten gesponsert und verwaltet.
SPACs ermöglichen es kleineren Unternehmen, Zugang zu Kapital zu bekommen ohne Kontrolle an Private Equity Gesellschaften abzugeben oder lange IPO-Prozesse durchlaufen zu müssen. Aus Sicht eines Investors sind SPACs interessant, da im Durchschnitt 97% des Kapitals in einem Trust hinterlegt wird und das Kapital mit Zinsen zurückbezahlt wird, wenn es den Sponsoren nicht gelingt, nach typischerweise 18 bis 24 Monaten eine Akquisition zu tätigen. Die Frist kann oftmals verlängert werden. Die Sponsoren erwerben üblicherweise Optionen zum Zeitpunkt des IPOs typischerweise zum Kurs von USD 1,50 bei einem Unit-Preis von USD 10. Dieses Kapital kann genutzt werden, um Gebühren und Kosten bis zum Börsengang zu bezahlen. Auf diese Weise ist das Kapital der Investoren bis zum Börsengang relativ gut geschützt. Schutz bieten Anlegern auch Regelungen, nach denen sie einer Übernahme zustimmen müssen. Verweigern sie ihre Zustimmung, dann erhalten sie ihr eingebrachtes Kapital verzinst zurück. Aus diesem Grund zählen erfahrene Hedgefondsmanager und andere institutionelle Kunden zu den größten Kapitalgebern von SPACs. Beim Börsengang laden die Sponsoren oftmals PIPE (Private Investment in Public Equity) Investoren ein, die weitere Barmittel einbringen, um Anleger auf Wunsch auszubezahlen und das Kapital für die Übernahme zu erhöhen.
Zu den Nachteilen von SPACs zählen die oftmals überdimensionierten Anreizstrukturen für die Sponsoren. Diese erwerben üblicherweise 20% des SPACs zu einem Preis von USD 25.000, während die Anleger Millionen USD an Kapital in den SPAC einbringen. Die FT hat im November 2020 auf die hohen Gewinne der Sponsoren um den früheren Citigroup Investment Banker Michael Klein hingewiesen, die Clarivate Analytics mit einem SPAC an die Börse gebracht hatten, sich dann USD 60 Millionen für eine ursprüngliche Beteiligung in Höhe von USD 25.000 nach nur zwei Jahren ausbezahlen ließen und danach immer noch rund USD 400 Millionen an dem Unternehmen hielten (Angaben: FT vom 23. November 2020).
Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert, wenn die Gesetzgeber und Regulatoren transparentere und längerfristige Anreizsysteme in Europa für die Sponsoren vorschreiben würden. Hohe Kapitalbeteiligungen der Sponsoren sind aus Anlegersicht wünschenswert: Wer langfristig "Skin in the game" hat, sucht sorgsamer nach später erfolgreichen Investitionsobjekten und entwickelt diese weiter. Eine akademische Studie von Gahng / Ritter / Zhang von März 2021 zeigt, dass SPAC IPO Investoren über eine Beobachtungsperiode von 8 Jahren durchschnittlich attraktive Renditen erzielt haben. Nach dem Merger erzielten Investoren mit Aktien, die aus einem SPAC hervorgehen, jedoch eine gleichgewichtete Rendite von -15,6% und damit eine um 24,3% schlechtere Rendite als der Gesamtmarkt.1) Auch bei SPACs gilt anscheinend, dass der frühe Vogel den Wurm fängt.
Am 2. Mai 2021 berichtete die Financial Times, dass SPACS gegenüber ihren Höchstständen bereits durchschnittlich zwei Fünftel an Wert verloren haben. Angesichts erster Zeichen für Übertreibungen am SPAC-Markt, insbesondere in den USA, empfehlen wir eine sorgfältige Abwägung der Risiken, u.a. der Risiken einer Verwässerung durch übermäßige Anreize für Sponsoren, und nur in Blankoscheck-Unternehmen mit sehr starkem Wachstumsprofil zu investieren.
Fazit: Auch in Europa werden SPACs zunehmend mit Private Equity Unternehmen und strategischen Bietern in einen Bieterwettstreit um Technologieunternehmen, Fintechs und andere Wachstumswerte treten, die sie an die Börse bringen wollen. Während in den USA Übertreibungen zu beobachten sind, ist Europa in einer frühen Phase, was SPACs betrifft. Neben der Wahl des Managementteams ist die sorgsame Analyse der Anreizstrukturen eines SPACs vor einer Investition entscheidend. Aus Anlegersicht sind hohe Kapitalbeteiligungen der Sponsoren, lange Lock-Ups des Managements über den Börsengang hinaus und eine verbesserte Transparenz wünschenswert. Die Fehler, die in den USA mit verfehlten Anreizsystemen gemacht werden, müssen in Europa nicht zwangsläufig wiederholt werden.