Die Zeit der Stille ist vorüber in Ho Chi Minh City. Das Wirtschafts- und Finanzzentrum Vietnams ist in Schwung gekommen. Der dröhnende Sound der Motorbikes beruhigt die Investoren und bringt den Aktienmarkt zum Brummen. In den vergangenen sechs Wochen legten vietnamesische Werte um über fünf Prozent zu. Die Gefahr einer Rezession scheint gebannt.

Anfang Oktober hatten die Behörden einen 90 Tage währenden Lockdown aufgehoben. 76 Prozent der Menschen in Ho Chi Minh City sind mittlerweile vollständig geimpft. Auch in anderen Städten und Regionen werden hohe Impfquoten erreicht. Das rechtfertigt nach Ansicht der Regierung den Strategiewechsel. Statt "Zero-Covid" heißt es jetzt "Leben mit dem Virus".

Die zur Abwehr der vierten Covid- Welle von Juli bis Ende September über das ganze Land erlassenen Beschränkungen hatten den bis dahin so starken Aufschwung jäh gestoppt. Zwischen 2009 und 2019 war Vietnams Wirtschaft jährlich um sieben Prozent gewachsen. Während des Lockdowns dagegen schrumpfte die wirtschaftliche Gesamtleistung im Vergleich zum Vorjahresquartal um sechs Prozent. Seit Beginn von "Doi Moi" im Jahr 1986 war dies der größte ökonomische Rücksetzer. Doi Moi bedeutet "Erneuerung" und steht für den wirtschaftlichen Reformeifer der regierenden Kommunistischen Partei Vietnams.

Um den Lebensstandard der Bevölkerung zu heben, privatisiert die Regierung teilweise Staatsunternehmen und bringt sie an die Börse. Auch öffnet sie das Land zunehmend für ausländische Investoren. Künftig will die Regierung ihr Reformtempo noch erhöhen. Die konjunkturelle Abbremsung sollte daher schnell wieder aufzuholen sein. Im kommenden Jahr traut das Analysehaus DBS Vietnam wieder eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts von um die acht Prozent zu.

Wie in Ho Chi Minh City kehren auch in Hanoi, dem IT-Zentrum Danang, der Hafenstadt Haiphong sowie in Provinzen wie Dong Nai oder Binh Duong immer mehr Beschäftigte an ihren Arbeitsplatz zurück. Laut vietnam-briefing.com erreichen die Betriebe aktuell Auslastungsgrade zwischen 60 und 75 Prozent. Bis Ende des Jahres wollen viele wieder auf 100 Prozent kommen.

Bei den in Vietnam operierenden ausländischen Unternehmen wie Nike oder Unilever wächst daher der Optimismus. Sie rechnen damit, pandemiebedingte Einbußen in den kommenden Monaten kompensieren und unterbrochene Lieferketten schließen zu können.

Aufstieg zum Emerging Market

Wie Aktienanleger sind auch Direktinvestoren davon überzeugt, das der bislang noch als Frontier Market eingestufte Staat Vietnam schon in wenigen Jahren zum Schwellenland aufsteigt. Viel Geld haben sie bereits investiert, nun erhöhen sie den Einsatz. Vor Kurzem steckte beispielsweise das koreanische Unternehmen LG Display 1,4 Milliarden Dollar in den Ausbau seiner Produktionsstätte in Hai Phong. Auch Nestlé und das schwedische Unternehmen Tetra Pak erweitern die Fertigung.

Ausländische Unternehmen kommen jedoch nicht nur wegen günstiger Arbeitskosten nach Vietnam, um für den Export zu produzieren. Das Land selbst verspricht ein attraktiver Absatzmarkt zu werden. Die Demografie ist günstig: 68 Prozent der 97 Millionen Einwohner sind im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren, und pro Jahr treten 1,5 Millionen Menschen neu in den Arbeitsmarkt ein. Bis zum Jahr 2030 werden laut Vietnam Invest Review 56 Millionen Menschen der Mittelschicht angehören. Aktuell sind es 23 Millionen.

Schon jetzt ziehen Löhne und Gehälter an. Das durchschnittliche Jahreseinkommen lag in Vietnam nach Angaben von Germany Trade & Invest 2020 bei knapp 1.526 Euro - doppelt so hoch wie 2012. Im Jahr 2030 können es bereits 5.156 Euro sein.

Was Anlegern zudem gefällt: Die Regierung ist sich der Bedeutung der Börse für die wirtschaftliche Entwicklung bewusst. Banken allein reichen nicht aus, um Investitionen nationaler Unternehmen zu finanzieren. Dazu braucht es den Kapitalmarkt. Und der wächst. Waren im Jahr 2004 erst 24 Unternehmen gelistet, notieren aktuell 745 Werte. Ende 2020 lag die Marktkapitalisierung bei 160 Milliarden Euro.

Zu den Schwergewichten an der Ho Chi Minh Stock Exchange zählt Vietnam Dairy Products. Der Lebensmittelhersteller betreibt neben zahlreichen Produktionsstätten zudem 17 Farmen mit insgesamt über 160.000 Milchkühen. Im dritten Quartal dieses Jahres erzielte das auch Vinamilk genannte Unternehmen dank steigender Onlinebestellungen mit umgerechnet 690 Millionen Euro den bislang höchsten Quartalsumsatz in seiner Unternehmensgeschichte. Trotzdem weist der Titel seit Jahresanfang noch einen Verlust von 17 Prozent auf. Mittlerweile aber hat die Aktie ihren Boden gefunden.

Schon länger im Aufwind befindet sich dagegen die Hoa Phat Group. Die Aktie des Stahlherstellers bringt es seit Jahresanfang auf ein Plus von mehr als 84 Prozent. Zwischen Januar und September steigerte das Unternehmen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum den Nettogewinn gleich um 200 Prozent auf rund eine Milliarde Euro. Das Unternehmen, das in die USA, Europa und Südostasien exportiert, profitierte von steigenden Preisen und der Nachfrage Chinas.

Digitale Chance

Gut verdient haben auch Anleger, die in den IT-Titel FPT Corporation investiert haben. Die Aktie erzielte innerhalb eines Jahres 109 Prozent Plus. FPT bedient eigenen Angaben zufolge weltweit mehr als 700 Kunden aus den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Automotive, Banken und Finanzen, Kommunikation, Logistik und Transport. Vor wenigen Tagen vereinbarte das Unternehmen eine weitreichende Kooperation mit Airbus.

Künftig werden wohl weitere aussichtsreiche IT-Unternehmen auf dem Kurszettel der Börse erscheinen. Vietnams Führung will die Internetökonomie zum Wachstums- und Produktivitätstreiber ausbauen. Sie berät und fördert daher Start-up-Firmen aus dem Techbereich. Bis zum Jahr 2025 sollen dann 80 Prozent der Leistungen im öffentlichen Dienst via Smartphone von den Bürgern abgerufen beziehungsweise online bearbeitet werden können. Zudem verfolgt die Regierung das Ziel, dass die digitale Wirtschaft schon in drei Jahren 25 bis 30 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt.
 


INVESTOR-INFO

Xtrackers FT. Vietnam Sw. ETF

21 Bluechips im Portfolio

Mit dem Exchange Traded Fund partizipieren Investoren an der Wertentwicklung vietnamesischer Bluechip-Unternehmen. Aktuell umfasst das Portfolio 21 Werte. Hoch gewichtet sind Vietnam Dairy Products und die Hoa Phat Group. Auf Immobilienwerte und Konsumtitel entfallen über 60 Prozent der Mittel. Auf Sicht von fünf Jahren erzielte der ETF ein Plus von 86 Prozent.

Templ. Frontier Markets Fund



Breiter Fokus

Der Templeton Frontier Markets Fund hat vietnamesische Aktien mit rund 22 Prozent gewichtet. Zu den Top-10-Werten zählt das IT-Unternehmen FPT. Hinzu kommen Aktien von den Philippinen, aus Ägypten, Saudi-Arabien, Marokko und Kasachstan. Der Fonds erzielte innerhalb eines Jahres 49 Prozent. Auf Sicht von zehn Jahren legte er um 96 Prozent zu. Für risikofreudige Anleger.