Mit ETFs zukunftssicher investieren: Unser Experten-Talk zeigt, warum sie die ideale Wahl sind. Sie bieten Kosteneffizienz, Diversifikation, Transparenz, Liquidität und Stabilität. Erfahren Sie, wie ETFs neue Märkte erschließen und Anleger sie strategisch nutzen – taktisch, zum Vermögensaufbau und auch im Ruhestand
€uro: Wachsende Ungewissheit prägt die Weltlage. Wie sieht in diesem Umfeld eine zukunftssichere Anlagestrategie aus?
Sebastian Wielert (Head of Xtrackers Regional Sales Germany): Egal wie die Welt sich verändert – eine kluge Asset-Allokation ist und bleibt die Grundlage eines erfolgreichen Portfolios. Wenn wir über eine zukunftssichere Anlagestrategie sprechen, ist Diversifikation daher das zentrale Element. Es geht nicht nur darum, verschiedene Anlageklassen wie Aktien und Anleihen zu kombinieren, sondern auch darüber hinauszudenken. Heute sind alternative Anlagen wie Immobilien, Gold und Infrastruktur oder sogar Kryptowährungen zunehmend wichtige Bestandteile eines Portfolios, das auf Langfristigkeit ausgelegt ist. Der ETF als Anlageinstrument bietet hier den Vorteil, dass man einfach und kostengünstig in diese verschiedenen Bereiche investieren kann. Aber was oft unterschätzt wird, ist die Wichtigkeit, die ursprünglichen Gewichtungen in einem Portfolio regelmäßig wiederherzustellen. So bleibt die Balance im Portfolio erhalten, und keine Position wird zu dominant, was das Risiko erheblich reduziert.
erzielen.
Paul Jung (iShares Fixed Income ETF Product Strategist, BlackRock): Wir erleben derzeit eine Phase, in der die Stabilität der vergangenen Jahrzehnte – die sogenannte „Great Moderation“ – einer Phase mit deutlich höheren Anpassungsanforderungen gewichen ist. Geopolitische und gesellschaftliche Herausforderungen, ökologischer Wandel – all diese Faktoren tragen zu einer Unbeständigkeit bei, die sich in der Weltwirtschaft widerspiegelt. Darum sollte die Diversifikation in Portfolios auch in den kleineren Details stimmen und nicht nur zwischen den großen Anlageklassen. Die Zeit, in der ein MSCI World Index allein eine ausreichende Grundlage für ein Portfolio bildete, ist vorbei. Vielmehr braucht es eine granularere Streuung über verschiedene Assetklassen sowie Länder und Sektoren hinweg. Dabei ist gleichzeitig keine starre Allokationsquote mehr angebracht. Eine sich permanent verändernde Welt verlangt es heute umso mehr, sich seiner Investmentrisiken genau bewusst zu sein und sich durch die flexible Nutzung verschiedener Portfolio-Bausteine gegen globale Schwankungen abzusichern. Diversifikation und Vermögensaufteilung können aber nicht vollständig vor Marktrisiken schützen.
Claus Hecher (Regional Head of ETF Sales DACH and Nordics bei BNP Paribas Asset Management): Das Thema Nachhaltigkeit wird langfristig ein wichtiger Treiber sein, auch wenn wir aktuell beobachten, dass politische Veränderungen, wie sie die neue US-Administration andeutet, eventuell zu Rückschritten führen könnten. Dennoch bleibt die Nachfrage nach nachhaltigen Indizes groß. Die Herausforderungen des Klimawandels und die steigende Bedeutung von ESG-Kriterien werden auch in Zukunft viele Anleger beeinflussen. Unsere Daten zeigen, dass nachhaltige Indizes langfristig attraktive Renditen bieten.
Denis Friess (Leitung institutionelles Fondsmanagement Deka Investment): Die mehrfach erwähnte politische Situation beeinflusst auch die Märkte, aber oft wird dieser Einfluss überschätzt. Tatsächlich ist die Signalwirkung für die US-Aktienmärkte aktuell positiv, unabhängig davon, ob wir eine proaktive oder protektionistische Politik erwarten. Beim Blick auf den ETF-Markt sehen wir, dass sich dieser in den vergangenen Jahren extrem dynamisch entwickelt hat. Er bietet Anlegern zusätzliche Möglichkeiten, die sie vor einigen Jahren noch nicht hatten. Aus meiner Sicht ist es entscheidend, dass Investoren ihre Chancen und Risiken umfassend bewerten und ihre Strategie dementsprechend ausrichten. Insgesamt bietet der ETF-Markt auch in dieser unsicheren Welt das passende Instrument, um langfristig eine sichere und stabile Rendite zu erzielen.
Was macht ETFs zur idealen Anlageform für diese Welt im Wandel?
Hecher: Die Kernstärke eines ETFs liegt in der Flexibilität und Effizienz, die er bietet. ETFs sind liquide und an den Börsen frei handelbar, was enorme Transparenz und Verfügbarkeit sicherstellt. Anleger können ETFs fast wie Einzelaktien handeln und sie in ihr Portfolio einbinden, ohne auf die Diversifikationsvorteile eines Fonds verzichten zu müssen. Im Vergleich zu aktiv verwalteten Fonds sind ETFs überdies meist erheblich günstiger. Diese Kostenvorteile, gepaart mit der Einfachheit und Zugänglichkeit, machen ETFs für Anleger auf der ganzen Welt zur bevorzugten Wahl. Institutionelle Investoren im Besonderen profitieren davon, dass ETFs für fast alle Anlageklassen, Regionen und sogar für spezifische Themen verfügbar sind. Zudem gibt es innovative Ansätze wie Smart-Beta-Strategien und Faktor-ETFs. Besonders hervorzuheben ist die stark gewachsene Bandbreite an ESG-ETFs, die unterschiedliche Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen und so der steigenden Nachfrage nach verantwortungsbewusstem Investieren gerecht werden.
Friess: Ein Punkt, der meiner Meinung nach ebenfalls hervorgehoben werden muss, ist die Rolle von Core-Satellite-Strategien im und mit dem ETF-Bereich. Die ETF-Industrie hat enorme Fortschritte gemacht und eine Vielzahl neuer Produkte auf den Markt gebracht, die sich gezielt für spezifische Anlagestrategien eignen. Die Core-Satellite-Strategie ist ein hervorragendes Beispiel für die Flexibilität, die ETFs bieten: Anleger können einen Kern-ETF wie den MSCI World als stabilen Grundbaustein nutzen und ihn mit Satellite-ETFs ergänzen, die sich auf spezielle Themen wie nachhaltige Technologien oder regionale Investments konzentrieren. Diese Strategie erlaubt es Anlegern, ihre Portfolios effizient zu diversifizieren, ohne dass sie ständig manuell nachjustieren müssen. Es ist diese Balance aus Stabilität und Flexibilität, die den ETF so wertvoll macht.
Wielert: Zusätzlich möchte ich noch betonen, dass ETFs gerade im Anleihebereich auch den Zugang zu Märkten öffnen, die traditionell schwer zugänglich sind – besonders für Privatanleger. Der direkte Anleihekauf ist für Privatanleger oft sehr schwierig, da Anleihen meist außerbörslich und mit hohen Mindestbeträgen und Spreads gehandelt werden. Ein Anleihe-ETF bietet hier eine gute Lösung, da er eine große Diversifikation und den Zugang zu unterschiedlichen Anleihetypen und Laufzeiten mitbringt, jedoch mit geringeren Einstiegshürden. Ein Privatanleger kann sich so mit einem ETF ein gut diversifiziertes Anleihe-Portfolio aufbauen, ohne sich um die Komplexität des Anleihekaufs sorgen zu müssen.
Jung: Auch wir sehen gerade bei Anleihe-ETFs deutliche Vorteile für Privatanleger, die ansonsten oft Schwierigkeiten haben, einen direkten Zugang zu Anleihen zu erhalten. Die Diversifikation, die sie über Anleihe-ETFs erreichen können, senkt nicht nur das Risiko, sondern bietet auch eine kostengünstige Möglichkeit, an den Renditechancen der Anleihemärkte teilzuhaben. Ein weiterer Vorteil, den ETFs bieten, ist die einfache Handelbarkeit über eine Börse. Gerade in unsicheren Märkten können Anleger ihre Positionen schnell und kosteneffizient anpassen, was bei Einzelanleihe-Investments häufig nur schwerer möglich ist. Wenn sich die Marktlage verändert, könnte man leicht den Schwerpunkt im Portfolio verschieben, etwa durch die Hinzunahme von Unternehmensanleihen in ein Staatsanleihe-Portfolio oder von Hochzinsanleihen. Es ist aber auch zu betonen, dass auch Diversifikation nicht vollständig vor Marktrisiken schützen kann.
Das Zinsumfeld und der Anleihemarkt haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Wie schätzen Sie die aktuellen Entwicklungen ein, und welche Rolle können ETFs in diesem Umfeld spielen?
Jung: Das aktuelle Zinsumfeld stellt Anleger vor neue Herausforderungen. In Europa sehen wir, dass seit Anfang des Jahres in Erwartung von Zinssenkungen bereits längere Laufzeiten auf der Zinskurve gekauft wurden. Zugleich können wir auch sagen: Das Geld kommt nach Hause, weil es auch wieder attraktive Renditen im Euroraum gibt. In den USA sieht das Bild hingegen ganz anders aus: Hier konzentriert sich das Anlegerinteresse stark auf sehr kurzfristige Laufzeiten bis zu einem Jahr, was uns zeigt, dass das Vertrauen in zügige Zinssenkung hier noch etwas schwächer ist. Ein wesentlicher Vorteil von Anleihe-ETFs in diesem Umfeld ist die Flexibilität. Anleger können sich mittels ETFs gezielt in einzelne Laufzeiten positionieren oder verschiedene Laufzeiten kombinieren und so ein diversifiziertes Anleihe-Portfolio aufbauen, ohne das Risiko der individuellen Anleiheauswahl tragen zu müssen. Anleger können sich so gezielt auf kurzfristige oder langfristige Anleihen konzentrieren und ihre Strategie je nach Marktlage anpassen. Zudem bieten ETFs eine kosteneffiziente Möglichkeit, Zugang zu Marktsegmenten zu erhalten, die im direkten Anleihekauf schwer zugänglich wären, wie zum Beispiel Hochzinsanleihen oder Emerging-Markets-Anleihen.
Wielert: Die Normalisierung der Zinsstrukturkurve – also die Rückkehr zu einem Szenario, in dem langfristige Zinsen höher sind als kurzfristige – ist ein gesundes Signal für die Märkte. Dadurch eröffnen sich für Anleger wieder neue Chancen im Anleihemarkt, und ETFs spielen hier eine wichtige Rolle. Ein Beispiel: Viele Investoren sehen derzeit eine Chance im Geldmarkt, der durch die Zinserhöhungen wieder attraktiv geworden ist. Geldmarkt-ETFs bieten Anlegern eine flexible und liquide Lösung, um in das aktuelle Zinsumfeld zu investieren, aktuell zu Renditen von ca. 3,15 Prozent nach Kosten. ETFs dieser Art sind bei Xtrackers stark nachgefragt, hier sind mittlerweile über zehn Milliarden Euro angelegt.
Hecher: Ich würde noch hinzufügen, dass das aktuelle Umfeld auch für Green Bonds, also grüne Anleihen, eine Chance sein könnte. Green Bonds sind zwar häufig mit langen Laufzeiten verbunden, was sie für konservative Anleger riskanter macht, aber sie bieten Renditen, die mit denen der nicht nachhaltigen Anleihen vergleichbar sind. Sie sind besonders für langfristig orientierte Investoren interessant, die nachhaltige Investitionen tätigen möchten und gleichzeitig von einer potenziellen Zinsentspannung profitieren können.
Friess: Der Anleihemarkt ist ein Bereich, in dem ETFs gut zur Ertragssteuerung passen. Gerade für Anleger, die auf die Stabilität von Zinseinnahmen angewiesen sind, bieten Anleihe-ETFs einen stabilen Cash-flow und die Möglichkeit, durch eine breite Streuung über verschiedene Laufzeiten das Zinsänderungsrisiko zu verringern. So nutzen viele unserer Kunden Anleihe-ETFs als Ergänzung zu klassischen Aktienanlagen, da sie hier einen stabilen Einkommensstrom steuern beziehungsweise generieren können, der sich besonders für die langfristige Vermögenssteuerung eignet.
Aktien bleiben für viele Investoren das Rückgrat ihrer Portfolios. Wie schätzen Sie die Aussichten der Aktienmärkte ein und welche Lösungen kommen konkret für Anleger infrage?
Friess: Das langfristige Wachstumspotenzial, das Aktien bieten, ist durch nichts zu ersetzen. Ein global diversifizierter ETF wie der MSCI World stellt hier eine solide Grundlage dar. Er ermöglicht es Anlegern, von der Entwicklung der internationalen Märkte zu profitieren, ohne das Risiko auf ein einzelnes Land oder einen Sektor zu konzentrieren. Für langfristig orientierte Anleger, die ihre Altersvorsorge aufbauen, bieten Aktien-ETFs eine hervorragende Möglichkeit, Renditen zu erzielen, die weit über denen von Anleihen liegen. Ein weiteres Thema, das wir bei Deka Investment angegangen sind, ist der Klimawandel. Mit unserer Climate-Change-Produktreihe legen wir den Fokus auf Unternehmen, die einen geringen CO2-Fußabdruck haben.
Wir sind davon überzeugt, dass sich solche nachhaltigen Unternehmen langfristig positiv entwickeln werden, und ein klimafreundliches Investment kann so eine strategische Komponente in einem diversifizierten Portfolio sein.
Hecher: Nachhaltige Investments sind ein zunehmend wichtiger Baustein im Portfolio, und ETFs bieten hier eine breite Auswahl an spezialisierten Produkten. Bei BNP Paribas Asset Management haben wir etwa einen ETF, der sich auf die Kreislaufwirtschaft konzentriert. Der sogenannte Circular-Economy-ETF setzt auf Unternehmen, die sich beispielsweise auf Ressourceneffizienz und Recycling, erneuerbare Energien oder Sharing-Plattformen spezialisieren. Spannend ist, dass ein solcher ETF langfristig stabil performt und in der Historie häufig den MSCI World bei der jährlichen Wertentwicklung übertroffen hat.
Wielert: Nach dem DWS CIO View, der Einschätzung unserer hauseigenen Analysten, gibt es für mittelfristige Aktieninvestments in Europa, Japan und den Schwellenländern derzeit Potenzial. Die Volatilität in den USA hat einige Investoren dazu veranlasst, sich verstärkt nach Alternativen umzusehen. Ein MSCI World ex USA ETF ist ein guter Ansatz für Anleger, die sich breiter aufstellen möchten. Dieser Index umfasst über 800 Werte aus den Industrieländern mit Ausnahme der USA. Japan ist mit rund 20 Prozent am stärksten gewichtet. Der größte Einzelwert stammt aktuell aus Dänemark, gefolgt von den Niederlanden. Investoren vermeiden mit einem MSCI World ex USA ETF eine zu starke Konzentration auf den US-Aktienmarkt. Sie können den US-Anteil mit einem ETF ihrer Wahl gezielt darstellen, zum Beispiel mit einem ETF auf den S&P 500 oder den Nasdaq. Ein weiteres Thema, das wir für sehr vielversprechend halten, ist künstliche Intelligenz. Bei neuen Themen und Technologien werden die kurzfristigen Auswirkungen oft überschätzt und die langfristigen unterschätzt. Xtrackers bietet weltweit den größten ETF, der sich auf Unternehmen fokussiert, die als führend bei Technologien rund um KI angesehen werden.
Jung: Ich möchte ergänzen, dass der Wert von Aktien-ETFs oft auch in ihrer Rolle als Bestandteil einer dynamischen – nicht hektischen – Allokationsstrategie liegt. Bei BlackRock haben wir dafür eine Abteilung, die sich gezielt um den Aufbau und die Pflege von Modell-Portfolios kümmert. Mittels dieser Orientierungshilfen können Anleger je nach eigener Risikoneigung über verschiedenen Anlageklassen hinweg ausgewogene Portfolios aufbauen. Alle Bausteine dieser Modell-Portfolios lassen sich zudem einfach mittels ETFs umsetzen.
Sogenannte aktive ETFs, die Sie hier ansprechen, erleben besonders in den USA eine hohe Nachfrage. Wie entwickelt sich das Segment in Europa?
Wielert: Aktive ETFs gibt es tatsächlich schon seit über 15 Jahren in Europa, auch wenn viele Anleger aktuell vermehrt die Chancen erkennen, die in diesen Produkten stecken. Unser erster aktiver ETF bei Xtrackers entstand in Zusammenarbeit mit Dr. Andreas Beck. Dieser ETF kombiniert verschiedene passive Bausteine, um ein ausgewogenes Portfolio zu schaffen, das rund 50 Prozent Aktien und 50 Prozent Anleihen enthält. Dr. Beck ist ein bekannter Finanzexperte, und seine Analysen sind eine wertvolle Grundlage für diesen Ansatz. Wir sehen, dass aktive ETFs gefragt sind, weil sie die klassische aktive Fondsverwaltung und die Effizienz eines ETFs kombinieren. Wir haben gerade einen neuen ETF mit Dr. Beck aufgelegt, der sich auf die „Green Transition Innovators“ konzentriert. Dieser Begriff bezieht sich auf die Aktienauswahl mithilfe von Patentdaten, um weltweit Unternehmen in nachhaltigen Zukunftstechnologien zu identifizieren, die besonders disruptive Potenziale haben und davon profitieren können. Dafür haben wir Experten hinzugezogen, die sowohl mit diesen Patentdaten als auch mit Portfolio-Allokationen bestens vertraut sind.
Jung: Bei BlackRock verfolgen wir die Entwicklung aktiver ETFs ebenfalls mit großem Interesse. Für uns ist der aktive ETF weniger eine Revolution als vielmehr eine Evolution in der Nutzung der ETF-Hülle. So haben wir kürzlich zwei neue aktive ETF Reihen auf den Markt gebracht. In einer sind Income-orientierte ETFs, die sich darauf spezialisieren, eine konstante Ausschüttung zu erzielen. In der zweiten ETF-Reihe sind „Equity Enhanced Active“-ETFs, die auf eine Outperformance gegenüber traditionellen Indizes abzielen und zugleich als vertraute Portfolio-Bausteine wie Weltaktien, Emerging Markets, USA, Europa und Asien ex Japan eingesetzt werden können. Durch eine Vielzahl von geringen, auf quantitativer Analyse beruhenden Abweichungen von der Benchmark versuchen wir, langfristig risikokontrollierten Mehrertrag zu schaffen.
Friess: Bei der Deka haben wir uns entschlossen, im Bereich der High-Yield-Anleihen einen aktiven ETF aufzulegen. Der Anleihemarkt ist ideal für aktive Strategien, da sich die Bonität einzelner Unternehmen schnell ändern kann. Ein aktiver ETF kann diese Marktveränderungen gezielt nutzen, ohne dass sich der Anleger um die laufende Analyse kümmern muss. Wir befinden uns derzeit im Auflageprozess und wir rechnen damit, dass das Produkt Anfang 2025 verfügbar sein wird.
Hecher: Auch wir bei BNP Paribas nutzen aktive ETFs, um ESG-Profilen besser gerecht zu werden. So können wir beispielsweise bei Unternehmensanleihen mit hoher Bonität sicherstellen, dass tatsächlich 100 Prozent nachhaltige Investments im ETF enthalten sind und eine Klassifizierung nach Art. 9 Offenlegungsverordnung möglich wird – das ist bei klassischen Indizes in der Regel nicht möglich. Aktive ETFs erlauben es uns zudem, kritische Anlagen sofort aus dem Portfolio zu nehmen und auf Marktveränderungen schneller zu reagieren. Das macht sie zu einem wertvollen Instrument, um Anlegern in einem dynamischen Marktumfeld ein ESG-konformes Investment zu bieten.
Wie können Anleger ETFs richtig nutzen? Zum Einstieg bietet sich ein Sparplan an.
Friess: Sparpläne bieten in der Tat eine hervorragende Möglichkeit, systematisch und langfristig Vermögen aufzubauen. ETFs sind dafür ideal. Die niedrigen Kosten machen sie zu einem besonders geeigneten Anlagevehikel für Privatanleger, die regelmäßig auch kleinere Beträge investieren möchten. Durch den Cost-Average-Effekt profitieren Anleger bei fallenden Kursen, da sie für denselben Betrag mehr Anteile erhalten. Langfristig gesehen führt das zu einem soliden Aufbau von Vermögen, da man nicht den gesamten Betrag auf einmal investiert und sich so gegen kurzfristige Marktschwankungen absichern kann. Noch eine wichtige Ergänzung: Bei der Dekabank eröffnete Depots werden insbesondere für Sparpläne genutzt. Wir sehen einen fast 90-prozentigen Anteil von Sparplänen dahinter. Neben der Einmalanlage gewinnt regelmäßiges Sparen für viele Menschen einen immer höheren Stellenwert. Besonders erfreulich ist, dass insbesondere junge Anleger, die ihre Altersvorsorge aufbauen wollen, Sparpläne nutzen. Für sie sind ETFs perfekt. Denn regelmäßiges Sparen ermöglichen es, schon mit kleinen monatlichen Beträgen in ein breit diversifiziertes Portfolio zu investieren. Man kann mit einem einzigen globalen ETF wie dem MSCI World starten und später spezialisierte ETFs wie etwa nachhaltige oder technologieorientierte Fonds ergänzen. Die Flexibilität von ETFs passt einfach zu den wechselnden Bedürfnissen, die sich im Lauf des Lebens ergeben.
Jung: Das sehe ich auch so. Der Wert von ETFs zeigt sich nicht nur in der Ansparphase, sondern auch, wenn es darum geht, das Vermögen im Ruhestand geordnet zu entnehmen. Hier kommen zum Beispiel unsere iBonds ins Spiel – eine relativ neue Produktkategorie, Anleihe-ETFs mit fixierten Laufzeiten. Ein iBond-ETF ist so aufgebaut, dass alle seine Anleihen zum Laufzeitende im gleichen Jahr fällig werden und dann ausgezahlt werden. Das bedeutet, dass jemand, der sich für die nächsten Jahre ein festes Einkommen sichern möchte, iBonds nutzen könnte, um Jahr für Jahr in einer planbaren, stabilen Weise Kapital zu entnehmen. Ein weiterer Anwendungsfall ergibt sich im Rahmen des Kapitalabrufmanagements. iBonds bieten durch ihre planbare Fälligkeit und die Rückführung des Kapitals zu einem festgelegten Zeitpunkt ein sehr nützliches Instrument etwa in Bereichen der Privatmarktanlage (z.B. Private Equity). Dort wird oft nicht sofort die gesamte Summe investiert, sondern schrittweise. Bis das Kapital abgerufen wird, können Anleger es rentabel in iBonds parken.
Das ist eine Anwendung für Großanleger.
Jung: Auch im Privatsektor gibt es interessante Einsatzmöglichkeiten. Ein Beispiel ist die Baufinanzierung: Wer etwa in der Niedrigzinsphase eine Immobilie zu einem Prozent mit einem Festzinssatz über zehn Jahre finanziert hat, steht 2030 oder 2034 vor einer Refinanzierung. Sondertilgungen lohnen sich in solchen Fällen oft nicht. Stattdessen könnte das Kapital bis zur Fälligkeit in iBonds investiert werden, die derzeit für eine Laufzeit bis 2034 etwa 3,5 Prozent Rendite bieten. Nach Abzug des einprozentigen Finanzierungszinses könnte sich ein Spread von 2,5 Prozent ergeben, der nach Steuern immer noch eine attraktive Rendite darstellen könnte.
Hecher: Zusätzlich können ausschüttende ETFs im Rentenalter eine große Rolle spielen. Wer regelmäßig Erträge benötigt, sei es durch Dividenden oder Zinszahlungen, kann sich mit ausschüttenden ETFs eine zusätzliche Einkommensquelle sichern, ohne gezwungen zu sein, regelmäßig Anteile zu verkaufen. Dies erleichtert es Rentnern, ihr Vermögen schrittweise zu nutzen und ihren Lebensstandard zu halten. Gleichzeitig haben sie weiterhin die Chance, vom Kapitalmarkt zu profitieren, was angesichts steigender Lebenshaltungskosten und der längeren Lebenserwartung entscheidend ist.
Wielert: Wir haben bewusst viele Sparplan-Kooperationen mit Banken und Brokern. Wir alle wissen nicht, wie sich die Kurse in den nächsten Jahren entwickeln. Ein ETF-Sparplan kann von vorübergehend sinkenden Kursen profitieren. Ich mag die Erklärung in Bildern. Nehmen sie dazu das Bild der Hängematte: Es symbolisiert den optimalen Chartverlauf für Sparpläne: Eine Phase, wie wir sie von Anfang 2000 bis 2008 bei Tech-Werten erlebt haben. In dieser „Hängematte“ hätten Anleger über viele Jahre hinweg von wiederholten Kursrücksetzern profitieren und monatlich investieren können, um dann finanziell gestärkt aus der Hängematte aufzustehen, wenn die Kurse langfristig steigen.
Ein Altersvorsorgedepot, das steuerliche Anreize für das Altersvorsorgesparen auch mit ETFs bieten würde, könnte Indexfonds in Deutschland einen weiteren Aufschwung verleihen. Wie sehen Sie das?
Hecher: Ein staatlich gefördertes Altersvorsorgedepot könnte dem ETF-Markt in Deutschland tatsächlich einen enormen Schub geben. In Ländern wie Schweden und Frankreich sehen wir, dass steuerliche Anreize für die Altersvorsorge durch Fonds einen großen Effekt haben. In Schweden beispielsweise investiert ein Großteil der Bevölkerung über das staatliche Pensionssystem in Indexfonds. Das Modell hat dort bewiesen, dass es langfristig hilft, eine größere finanzielle Sicherheit im Ruhestand aufzubauen.
Jung: Ein steuerlich gefördertes Altersvorsorgedepot würde natürlich einen zusätzlichen Anreiz für Menschen bieten, frühzeitig und regelmäßig in ETFs zu investieren. Allerdings sehe ich auch unabhängig von dieser politischen Komponente bereits ein wachsendes Interesse am Wertpapiersparen.
Wielert: Steuerliche Anreize für die Altersvorsorge könnten die ETF-Nachfrage nochmals erhöhen, das ist richtig. Allerdings beobachten wir ebenfalls, dass ETFs auch ohne solche Anreize zunehmend genutzt werden, besonders weil sie eine kostengünstige und transparente Möglichkeit bieten, langfristig zu investieren. Die Flexibilität und Effizienz, die ETFs bieten, sind starke Argumente, und die Nachfrage zeigt, dass Anleger sich dieser Vorteile zunehmend bewusst sind.
Friess: Das Altersvorsorgedepot wäre ein weiterer positiver Schritt, der sicher zu einer Verbreitung von ETFs in Deutschland führen könnte. Wenn man den internationalen Vergleich heranzieht, liegt Deutschland im Wertpapiersparen insgesamt noch hinter Ländern wie den USA oder Großbritannien. Die staatliche Unterstützung durch steuerliche Anreize würde viele Anleger ermutigen, den Schritt in den Kapitalmarkt zu wagen und ETFs als langfristige Vermögensbausteine zu nutzen. Vor allem für Anleger, die sonst auf klassische Sparprodukte setzen, wäre das Altersvorsorgedepot eine Möglichkeit, die Kapitalmarktrendite ohne komplizierte Produkte zu nutzen.
Was sehen Sie als die nächsten großen Entwicklungen und Trends im ETF-Markt?
Wielert: In den letzten Wochen haben sich zwei Trends abgezeichnet: Erstens ein verstärktes Interesse an Nebenwerte-Indizes wie dem Russell 2000. Zweitens der Trend zu Indizes mit gleich gewichteten Indexmitgliedern. Dies wird nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass das Gewicht einer einzigen Apple-Aktie ein Vielfaches fast aller anderen Aktien im S&P 500 Index entspricht. Der S&P 500 Equal Weight gewichtet hingegen jede Aktie mit 0,2 Prozent und setzt diese alle drei Monate wieder ins Gleichgewicht.
Hecher: Ein weiterer Trend, den wir beobachten, sind Infrastruktur-ETFs, die auf den weltweiten Ausbau der Infrastruktur und auf die Entwicklung nachhaltiger Infrastrukturprojekte setzen. Regierungen weltweit haben erkannt, dass Investitionen in die Infrastruktur nötig sind, und viele Staaten planen milliardenschwere Programme in diesem Bereich. Der Infrastruktursektor wird nicht nur durch seine stabilen Cash-flows interessant, sondern auch durch die hohe gesellschaftliche Relevanz. Diese Art von ETFs ermöglichen es Anlegern, sich an diesem Wachstumsbereich zu beteiligen, und sie bieten stabile Renditen in einem sich ändernden Zinsumfeld.
Jung: Ich möchte noch einmal die Lanze für Anleihe-ETFs und aktive ETFs brechen. Bei BlackRock setzen wir beispielsweise in unseren aktiven ETFs auf quantitative Modelle, die, unterstützt von künstlicher Intelligenz, riesige Datenmengen analysieren und daraus vorteilhafte Handelsstrategien entwickeln. Das ermöglicht es uns, unsere ETFs noch besser an spezifische Anforderungen von Investoren und Marktbedingungen anzupassen. Darüber hinaus sehen wir weiterhin noch großes Potenzial bei der Verwendung von Anleihe-ETFs. Gerade im Vergleich zu Aktien-ETFs, die bereits acht bis zwölf Prozent des Aktienmarkts ausmachen, sind es bei Anleihe-ETFs bisher noch weniger als vier Prozent. Nachdem die Zinsmärkte nun wieder deutlich attraktivere Renditen als in der vergangenen Dekade aufweisen, wird auch der Anleihe-ETF für Investoren immer häufiger das Mittel der Wahl, um an diesem Markt zu partizipieren.
Friess: Ich sehe ebenfalls Potenzial in der Entwicklung von aktiven ETFs, gerade im Anleihebereich. Hier beobachten wir eine verstärkte Nachfrage nach flexiblen und aktiv gemanagten Produkten. Ein weiteres Thema ist die zunehmende Integration von ESG-Kriterien in aktive und passive ETFs. Unser Ziel ist es, die ESG-Anforderungen unserer Kunden zu erfüllen und ihnen gleichzeitig eine attraktive Rendite zu bieten. Wir sind fest davon überzeugt, dass ESG-Strategien perspektivisch eine starke Nachfrage erleben und sich ETFs in diesem Bereich hervorragend eignen, um die Nachhaltigkeitsziele unserer Kunden zu unterstützen.
Moderation: Frank Mertgen