Thomas Keller, Fachanwalt für Arbeitsrecht, erklärt, was Berufstätige in Ferienzeiten beachten sollten Von Stefan Rullkötter
THOMAS KELLER: Urlaub ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts "Freizeit ohne Einschränkung".Arbeitgeber können durch die Überlassung von Diensthandys keine Erreichbarkeit ihres Peronals während des Urlaubs erzeugen. Nichts anderes gilt,wenn ein Arbeitnehmer sein dienstliches Mobiltelefon auch zu privaten Zwecken nutzen darf.
Müssen Beschäftige außerhalb der Arbeitszeiten mobil für die Firma erreichbar sein?
Außerhalb der Arbeitszeit besteht, von besonderen Situationen abgesehen, keine Verpflichtung zur Erreichbarkeit. Vor dem Hintergrund des "war for talents" ist hier eher eine gute Beratung für Unternehmen gefragt als die Kunst, Klauselmonster im Arbeitsvertag zu formulieren. Vorreiter wie Adidas-Chef Kasper Rorsted haben zeitig geäußert, dass das Verlangen der Chefs nach ständiger Erreichbarkeit auch ein Zeichen fehlenden Respekts vor dem Freiraum der Mitarbeiter sein kann.
Was bedeutet das konkret in der Arbeitspraxis?
Die kostenfreie Zurverfügungstellung führt nicht zu einer Verpflichtung, das Dienst-Handy, und sei es nur vorrübergehend, angeschaltet zu lassen. Werden Einschränkungen gemacht, und zwar auch geringfügige Einschränkungen, dann wird der Urlaubsanspruch nicht erfüllt.
Was sind die rechtlichen Grundlagen dafür diese Ansprüche der Arbeitnehmer?
Während des gesetzlichen Mindesturlaubs wäre die Verpflichtung zur Erreichbarkeit nicht wirksam zu vereinbaren. Paragraf 13 des Bundesurlaubsgesetz sieht vor, dass nur durch Tarifvertrag von einzelnen Vorschriften des Gesetzes abgewichen werden kann. Wo kein Tarifvertrag anwendbar ist, ist eine zum Nachteil der Arbeitnehmer abweichende Regelung unwirksam. Die Einhaltung des Gesetzes halte ich auch für sinnvoll. Jeder weiß, dass ein Anruf oder das Lesen einer Nachricht im Urlaub einen ganzen Tag, wenn nicht sogar mehrere Tage beeinflussen kann. Genau dies gilt es zu verhindern. Wenn wir das nicht sehen, wird das Ausmaß der Erkrankungen wegen übermäßiger Beanspruchung weiter ansteigen.
Gibt es davon auch rechtliche Ausnahmen?
Eine Klausel im Arbeitsvertrag, die eine Erreichbarkeit im Urlaub vorsieht, dürfte wirksam sein, soweit die Urlaubstage betroffen sind, die über den 4-wöchigen gesetzlichen Mindesturlaub, also 4 Werktage einschließlich Samstagen, hinaus gehen. Eine solche Klausel müsste dann klarstellen, welcher Teil eines beispielsweise 30-tägigen Urlaubs zuerst erfüllt wird. Also in welcher Reihenfolge der gesetzliche Mindesturlaub und der darüber hinaus gewährte Urlaub erfüllt werden. Zudem müssten Regelungen vorsehen, in welchem Umfang während des zusätzlich gewährten Urlaubs eine Erreichbarkeit vorausgesetzt wird. Der zusätzliche Urlaub wäre dann wohl eher "Urlaub zweiter Klasse".
Darf die Erreichbarkeit auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen fixiert werden?
Die Anforderungen daran, hier transparente allgemeine Geschäftsbedingungen zu formulieren sind durchaus anspruchsvoll, meiner Meinung nach aber rechtlich machbar. Unsere Kanzlei würde aber einen Auftrag, solche Klauseln formulieren, nicht annehmen. Vielmehr würden wir den Arbeitgeber dazu beraten, welchen Vorteil es bedeutet, wenn Arbeitnehmer erholt aus dem Urlaub zurückkehren.
Kann mobile Nicht-Erreichbarkeit von Arbeitnehmern ein Kündigungsgrund sein?
Die Rechtsprechung ist hier eindeutig arbeitnehmerfreundlich. Wer im Urlaub nicht erreichbar sind, hat rechtlich gute Karten- selbst wenn die Erwartungshaltung vieler Arbeitgeber eine andere ist.
Gibt es dazu schon höchstrichterliche Urteile?
Mit Urteil vom 14.März 2006 (Aktenzeichen: 9 AZR 11/05) hat sich das Bundesarbeitsgericht dazu geäußert, dass "Urlaub" im Sinne des Gesetzes nur dann gegeben ist, wenn der Arbeitnehmer "während der Freistellung nicht damit rechnen muss, zur Arbeit gerufen zu werden." Der Arbeitnehmer soll nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in die Lage versetzt werden, die "zustehende Freizeit uneingeschränkt zu nutzen". Andernfalls würde sich der Arbeitgeber vorbehalten, den Urlaub zu unterbrechen oder. zu widerrufen. Dann aber wird der Anspruch eben nicht erfüllt und der Arbeitnehmer kann entweder die Neu-Gewährung der Urlaubszeit oder die Vergütung für seine Arbeit während des Urlaubs verlangen.
Gibt es hier rechtliche Unterschiede zwischen Führungskräften und nachgeordnetem Personal?
Das Bundesurlaubsgesetz unterscheidet bei der Gewährung von Erholungsurlaub nicht zwischen den verschiedenen Arbeitnehmer-Gruppen. Für Geschäftsführer und Vorstände gelten die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes nach überwiegender Auffassung hingegen nicht. In Arbeitsverträgen dieser Führungskräfte finden sich Verpflichtungen zu einer permanenter Erreichbarkeit allerdings nur selten.
Zur Person: Thomas Keller ist Partner der Kanzlei Keller Menz in München und seit mehr als 20 Jahren auf Arbeitsrecht spezialisiert.