Der frühere Seriengewinner ist zurück: Nach zweijähriger Durststrecke holt sich die ING bei unserer Leserwahl den Titel als Publikumsliebling. Von Brigitte Watermann

Nein, kein Aprilscherz: Aus 1,75 Prozent wird null Euro - alle ihre rund 800 ETF-Sparpläne bietet die ING ab 1. April komplett kostenlos an, und das ab einer Sparrate von einem Euro. "Die Mindestsparplanrate von einem Euro ist derzeit einzigartig in Deutschland", sagt Thomas Dwornitzak, Leiter Sparen und Anlegen bei der ING (siehe Interview ganz unten). "Im Februar liefen zwei Prozent aller neuen Sparpläne auf Ein-Euro-Basis. Die durchschnittliche Sparplanrate liegt bei uns immer noch bei mehr als 100 Euro."

Es liegt auf der Hand: Der Schritt von Deutschlands größter Direktbank, ETF-Sparen ab einem Euro anzubieten, dürfte den ohnehin intensiven Branchenwettbewerb um Sparplankunden weiter anheizen. Klar ist aber auch: Mit den seit 2019 gestarteten Neobrokern ist wieder Leben in die Bude gekommen. Sie punkten mit einfacher Bedienbarkeit, sehr günstigen Konditionen, bei allerdings begrenztem Produktangebot - und vermögen es, insbesondere jüngere Anleger und neue Zielgruppen für die Börse zu begeistern. Das schlägt sich auch in den Erfolgen bei unserer diesjährigen Brokerwahl nieder.

Doch der Sieger heißt 2021 wieder mal ING. Bei der Leserwahl 2018 hatte sie noch mit Minivorsprung gewonnen, 2019 wurde sie dann von der niederländischen Degiro entthront. 2020 gelang Degiro denkbar knapp die Titelverteidigung, seinerzeit vor Newcomer Trade Republic und der ING auf Rang 3. Unterm Strich kommt die ING bei der 22. Auflage unserer Leserumfrage auf inzwischen 15 Siege.

Diesmal haben wir allerdings den Umfragemodus geändert, daher sind die aktuellen Ergebnisse mit den älteren nicht vergleichbar. Erstmals stellten wir den Brokerkunden nur eine Frage: "Wer ist Ihrer Meinung nach der beste Onlinebroker des Jahres 2021?" Die reduzierte Form der Umfrage vom 23. Dezember 2020 bis zum 24. Januar 2021 schlug sich in sehr hohen Teilnehmerzahlen nieder: 72 734 Personen gaben ihr Votum ab. Sie durften bis zu drei Depotanbieter benoten.

Das führte dazu, dass deutlich mehr Anbieter von Brokerage als sonst das Quorum von mindestens 300 Bewertungen schafften. Im Ranking vertreten sind daher 23 Anbieter: vom Leistungsspektrum breit aufgestellte Direktbanken und große Filialbanken mit Onlinebrokerage ebenso wie auf Wertpapierhandel spezialisierte Onlinebroker.

ING startet digitales Beratungsangebot

Gewinner ING will künftig auch Kunden, die bei Börsengeschäften noch unsicher sind, unter die Arme greifen: mit der Komfortanlage. "Wir bieten damit digitale Unterstützung bei der Suche nach der passenden Wertpapieranlage", sagt Dwornitzak. Bestandskunden durchlaufen online eine Beratungsstrecke und erhalten anschließend einen Anlagevorschlag.

Die Beratung, das ING Komfort-Depot sowie alle Transaktionen sind kostenlos. Fällig wird allerdings eine Fondsgebühr von 0,99 Prozent des Kurswerts pro Jahr. Die Anlageempfehlung fußt auf sieben weltweit gestreuten, auf Nachhaltigkeitskriterien der ING geprüften Dachfonds, deren Basis 20 ETF- und Indexfonds bilden. Damit deckt das Angebot über 10 000 Aktien und Anleihen aus 50 verschiedenen Ländern ab.

Wer sich dabei noch unsicher ist, kann Unterstützung von sogenannten Anlage-Coaches bekommen. "Unsere Anlage-Coaches sind bei der Bafin registrierte Anlageberater und ein ergänzender Service. Sie stehen den Kunden zur Verfügung, wenn Unterstützung beim Durchlaufen der digitalen Anlagestrecke gewünscht wird", sagt Dwornitzak.

Daneben will die ING aber auch bei aktiven Kunden punkten: "Ab 1. April stellen wir unser Derivateangebot ganz neu auf. Alle Produkte von fünf großen Emittenten können dann zum Preis zwischen null und 2,90 Euro als Flat gehandelt werden - mindestens bis Ende 2021 und mit Aussicht auf Verlängerung", sagt Dwornitzak.

Comdirect ganz knapp auf Rang 2

Gerundet auf die dritte Nachkommastelle landet die Comdirect sehr knapp vor Verfolger Gratisbroker auf dem zweiten Platz. Zum November 2020 wurde die Comdirect mit ihrer Mutter Commerzbank verschmolzen, die eigene Börsennotiz ist Geschichte. "Für die Comdirect-Kunden ändert sich zum jetzigen Zeitpunkt nichts. Bei der Verschmelzung handelte es sich erst einmal um einen rechtlichen Schritt, der sich organisatorisch für die Kunden kaum auswirkte", sagt Björn Andersen, Bereichsleiter Brokerage bei Comdirect, einer Marke der Commerzbank AG, wie sie jetzt heißt. Für die Zukunft ist geplant, die Angebote zusammenzuführen - das Angebot einer Direktbank soll mit einem Beratungsangebot gepaart werden. Weitere Details sind noch nicht bekannt.

Derweil setzt die Comdirect stark auf ihre digitale Vermögensverwaltung Cominvest. Darin "werden fünf je nach Risikoeinstellung verschiedene Portfolios angeboten", erzählt Andersen. "Wir wollen Cominvest auch für Neukunden ohne den Mindestanlagebetrag von 3000 Euro sparplanfähig machen. Es ist allerdings eher unwahrscheinlich, dass wir das noch in diesem Jahr anbieten werden", sagt Andersen. Das Thema Nachhaltigkeit sieht auch Comdirect als wichtigen Trend: "Unsere Kunden interessieren sich sehr für nachhaltige Investments. Daher schauen wir uns derzeit an, ob wir auch Cominvest in einer nachhaltigen Variante anbieten werden." Den Abschluss von Sparplänen will man vereinfachen. Derzeit gibt es rund 140 kostenlos besparbare ETFs und aktiv gemanagte Fonds ohne Ausgabeaufschlag im Rahmen der Toppreisangebote. "Alles auf null zu setzen, kommt für uns eher nicht infrage." Auch das Thema Sparen mit Kleinstbeträgen erachtet Andersen als wichtig: "Ich persönlich finde Wechselgeldinvestments sehr spannend." Kleinstbeträge ließen sich auf diese Weise bequem in ETF-Sparpläne investieren.

Auch bei der Comdirect wird in die Apps investiert: "Wir wollen unsere klassische Comdirect App mit weiteren neuen Features versehen. So nehmen wir beispielsweise neue Tradingfunktionalitäten wie den börslichen Soforthandel mit hinein, auf dem Radar haben wir auch Watchlisten und Kursalarme", sagt Andersen. Gleichzeitig solle die App aber so einfach und bequem wie möglich gehalten werden. Neben der klassischen Comdirect App sind noch Spezial-Apps für CFD-Handel und Brokerage im Angebot.

Newcomer Gratisbroker auf Rang 3

Denkbar knapp landet der Gratisbroker auf dem dritten Platz. "Nach knapp anderthalb Jahren, die wir erst am Markt sind, ist das für uns ein toller Erfolg", sagt CEO Malte Rubruck. Der Name des Anbieters ist Programm: "Wir wollen die Null auf keinen Fall aufweichen, das honorieren unsere Kunden." Tatsächlich verzichtet Gratisbroker auf Depot- und Ordergebühren, Fremdkostenpauschalen, andere Nebenkosten oder Negativzinsen. Käufe sind erst ab einem Volumen von 500 Euro möglich, Verkäufe auch darunter, sofern die Position aufgelöst wird. "Man kann als Broker kostenloses Traden anbieten, wenn man alles weglässt, was man nicht unbedingt braucht", so Rubruck. Für Goldinvestoren hat der Broker, der nunmehr der Axel-Springer-Tochter finanzen.net gehört, daher zum Beispiel nicht Xetra-Gold im Angebot, sondern seit Kurzem das vergleichbare Produkt des Anbieters Wisdom Tree, das ebenfalls einen Lieferanspruch auf physisches Gold verbrieft.

"Bei uns funktioniert der Wertpapierhandel wirklich einfach, und das soll auch so bleiben", sagt Rubruck. Nicht zuletzt deshalb seien die Kunden sehr aktiv, der Aktienhandel stehe klar im Fokus. "Die durchschnittlichen Tradezahlen pro Kunde sind bei uns auf Jahressicht definitiv dreistellig", freut er sich. Das liege auch daran, dass die Kunden eigenen Angaben nach häufig bereits börsenerfahren seien, aber es kämen natürlich auch Neulinge.

ETF-Sparpläne suchen Anleger beim Gratisbroker bisher vergeblich. "Aber inzwischen stecken wir in konkreten Planungen zu ETF-Sparplänen", erzählt Rubruck. "Wir werden zwar keine Sparpläne ab einem Euro Mindestrate anbieten, aber spätestens im dritten Quartal wird es bei uns eine Auswahl geben." Im Übrigen plant Gratisbroker noch für den Sommer 2021, eine App an den Start zu bringen. "Der Markt bietet uns allen noch ein großes Wachstumspotenzial, weil wir einen Kundennerv treffen", glaubt Rubruck.

Vorjahressieger Degiro wird Vierter


Zweimal hatte Degiro unsere Brokerwahl gewonnen. Dieses Jahr wurde der Anbieter aus den Niederlanden, der seit Sommer 2020 Teil der FlatexDegiro-Gruppe ist, Vierter, Schwester Flatex landete im Mittelfeld. Gemeinsam haben sie rund 1,4 Millionen Kunden in 18 europäischen Ländern. Bis Jahresende möchte man auf 1,8 bis zwei Millionen Kunden kommen. "Wir wachsen weiterhin sehr stark, das sind spannende Zeiten", erzählt Manuel Suckart, Degiros Deutschland-Chef.

Wegen der Fusion haben die deutschen Kunden von Degiro inzwischen Verrechnungskonten bei der FlatexDegiro Bank mit EU-Einlagensicherung von 100 000 Euro erhalten. Die alte Degiro hatte keine Banklizenz, Tradingguthaben der Kunden wurden daher bislang in einem Geldmarktfonds geparkt. Vorteil für Degiro-Kunden: Anders als diejenigen von Flatex zahlen sie auf die ersten 2500 Euro Tradingguthaben keine Negativzinsen von derzeit 0,5 Prozent.

Die FlatexDegiro AG will eine übergreifende europäische Plattform schaffen, die unterschiedlichen Profile der Broker sollen aber bestehen bleiben. So ist noch nicht entschieden, ob es auch bei Degiro einmal ETF-Sparpläne geben wird. Flatex hingegen mischt im Kampf um die Sparplankunden künftig noch kräftiger mit als bisher: Seit April können dort rund 1200 ETFs dauerhaft kostenfrei bespart werden, die Mindestsparrate sinkt von 50 auf 25 Euro. Geplant ist, dass Degiro-Kunden künftig auch über Tradegate handeln können, bisher sind nur Xetra und das Frankfurter Parkett angeschlossen.

Die Marken und Angebote von Flatex und Degiro sollen nebeneinander bestehen bleiben, aber über die Plattform stärker miteinander vernetzt werden. Auf diese Weise soll es bald möglich werden, Flatex-Kunden den Futures- und Optionenhandel von Degiro zu ermöglichen und Degiro-Kunden ihrerseits den Handel mit strukturierten Produkten, den es bei Flatex gibt. Der Markt bleibt also weiterhin kräftig in Bewegung.

Neue Serie zu Onlinebrokern In der nächsten Ausgabe beginnen wir mit unserer achtteiligen Serie zum konkreten Angebot diverser Onlinebroker. In Teil 1 geht es um Börsenplätze und Anlageklassen.

 


INTERVIEW

Thomas Dwornitzak - " Die App wird zur Schaltzentrale"

Börse Online: Zwei Jahre hat es nicht geklappt, im dritten Anlauf holen Sie sich den Sieg bei der Brokerwahl zurück. Was haben Sie getan für die Mission Titelrückgewinn?

Thomas Dwornitzak: Diese Auszeichnung war und ist für uns sehr wichtig. Wir haben viele kleine Verbesserungen vorgenommen, zum Beispiel den Brokerage-Bereich auf unserer Website kundenfreundlicher gestaltet und neue Services in unsere App integriert. Wir freuen uns, dass das bei unseren Kunden gut angekommen ist.

In welcher Hinsicht haben Sie die App weiterentwickelt?

Wir haben unsere App unter anderem um noch mehr Wertpapierfunktionen angereichert. Jetzt ist alles Wesentliche drin, etwa die Auswahl von verschiedenen Limittypen und Handelsplätzen. Auch kann man sich Push-Nachrichten schicken lassen, wenn etwa eine Order ausgeführt ist. 2021 werden wir die Funktion Watchlist integrieren.

Welche Bedeutung hat die App bei der ING - angesichts neuer Wettbewerber, bei denen alles nur über die App läuft?

Die App wird bei uns immer mehr zur Schaltzentrale für Banking und Brokerage: Inzwischen werden bereits 58 Prozent aller Wertpapiergeschäfte darüber abgewickelt. Gerade unsere Neukunden nutzen sie zum überwiegenden Teil.

Mächtig Gas gegeben haben Sie bei ETF-Sparplänen, die Sie prominent ins Schaufenster stellen. Welche Bedeutung haben sie für Ihre Kunden?

Wertpapier-Sparpläne sind für uns ein wichtiges Wachstumsfeld. Wir stehen seit Langem bei unseren Kunden für das Thema Sparen mit Tagesgeld. Aber damit können unsere Kunden derzeit angesichts der Zinssituation fast keine Rendite erzielen. Wir sehen seit Jahren eine große Nachfrage unserer Kunden nach Wertpapier-Sparplänen. Vor allem ETF-Sparpläne werden immer beliebter. Mit der Senkung der Sparrate auf einen Euro für alle unsere Wertpapier-Sparpläne sowie der Möglichkeit, ab dem 1. April mehr als 800 ETF-Sparpläne ohne Kaufgebühren abzuschließen, machen wir das Investieren in Wertpapiere genauso einfach wie das regelmäßige Sparen auf dem Tagesgeldkonto.

Was für Sie früher das Extra-Konto war, sind also jetzt ETF-Sparpläne?

Wir bieten unseren Kunden zumindest diese Alternative, die sie auch nutzen. 20 bis 30 Prozent unserer Wertpapierkunden haben bereits ETF-Sparpläne.

Beim 2019 gestarteten Neobroker Trade Republic sind es schon 80 Prozent. Täuscht der Eindruck, dass sich die Onlinebroker derzeit im Kampf um Kunden besonders mit ETF-Sparplänen zu überbieten versuchen?

Von unseren Wertpapier-Neukunden eröffnet schon ein Großteil einen Sparplan. Wir möchten bei unseren Kunden die Berührungsängste zu Wertpapiergeschäften weiter abbauen.

Bemitleiden müssen wir Sie aber nicht, Sie bekommen gewiss Marketingzuschüsse der ETF-Anbieter zum Ausgleich?

Ja, das deckt zumindest die Kosten. Wir investieren auch gerne in unsere Kundenbeziehung, denn wir wollen uns als zuverlässiger Bankpartner für Trading ebenso wie für die langfristige Geldanlage positionieren. Viele unserer Kunden erkennen, dass sie etwas anderes als nur ein Extra-Konto brauchen, allein es hapert noch an der Umsetzung.

Und wie helfen Sie denen?

Ab Mai startet unser volldigitales Beratungsangebot, die Komfortanlage. Wer will, kann sich dabei zusätzlich von spezialisierten Coaches an die Hand nehmen lassen.