Digital Euro - so soll er offenbar heißen. Ein Pilotprojekt soll wohl im Sommer starten, die tatsächliche Einführung ist für 2026 angedacht. Auf den ersten Blick sieht das Vorhaben durchaus attraktiv aus: Künftig bekommt jeder Bürger aus dem Euroland eine Wallet, also eine elektronische Geldbörse. Dort liegen dann digitale Euros, die genauso wie Bargeld zum Bezahlen genutzt werden können.

Der Vorteil wäre, dass es sich bei E-Euros nicht um die Verbindlichkeiten einer Privatbank handeln würde, sondern um die der EZB. Während eine Geschäftsbank pleitegehen kann - siehe Lehman Brothers - ist das bei einer Zentralbank kaum vorstellbar. Und im Gegensatz zu Bitcoin und Co würde der digitale Euro überall als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Die EZB wirbt für das Vorhaben damit, dass das Bezahlen einfacher würde und ein E-Euro den Übergang des alten Kontinents ins digitale Zeitalter forcieren würde.

Bei näherem Hinsehen gibt es den Euro allerdings bereits in digitaler Form: Verbraucher können so gut wie überall mit EC- und Kreditkarte oder per Paypal und Handy bezahlen. Das alles passiert digital und ist kinderleicht. Diese Zahlungen funktionieren auch international und in verschiedenen Währungen. Zur Erinnerung: Den Euro gab es am Anfang im Jahr 1999 sogar nur in einer digitalen Form als Verrechnungseinheit, Münzen und Scheine kamen erst 2002.

Was also motiviert die EZB, den digitalen Euro einführen zu wollen? Erstens sind den Währungshütern Kryptowährungen ein Dorn im Auge. Denn Bitcoin und Co entziehen sich ihrem Einfluss. Mit ihnen gibt es gewissermaßen Parallelwährungen mit einem Eigenleben. Das können die Zentralbanken kaum dulden, denn sie reklamieren für sich, als einzige die Währungen zu beeinflussen und zu beherrschen. Doch der direkte Durchgriff ist nicht mehr möglich. Gleichzeitig würde die EZB gern ihren Einfluss ausweiten. Denn ihre geldpolitischen Instrumente sind weitgehend ausgeschöpft. Banken, die Geld bei der EZB parken, zahlen bereits Strafzinsen, und die Zentralbank kauft bis Ende März des kommenden Jahres für insgesamt 1,85 Billionen Euro Anleihen. Damit stößt die EZB an ihre Grenzen. Da kämen neue Instrumentarien sehr gelegen.

Zwar heißt es bislang, beim Digital Euro soll es keine Zinsen geben und damit auch keine negativen Strafzinsen. Aber wer hätte noch vor wenigen Jahren gedacht, dass die EZB einmal für die Einlagen der Geschäftsbanken Strafgebühren verlangt? Mit negativen Zinsen auf den Digital Euro könnten die Währungshüter direkt die Nachfrage der Konsumenten anregen. Mit negativen Leitzinsen gelingt dies offensichtlich nicht. So sind von Januar 2020 bis Januar 2021 nach Angaben der Deutschen Bundesbank die Bankeinlagen der privaten Haushalte in Deutschland um 182 Milliarden auf 1,73 Billionen Euro gestiegen.

Ob das in den vergangenen Monaten über das normale Maß hinaus gesparte Geld tatsächlich verkonsumiert wird, wenn die Corona-Krise überwunden ist, darf zumindest bezweifelt werden. Zum einen lassen sich die seit dem Beginn Krise ausgefallenen Konsumausgaben zum Teil gar nicht mehr nachholen. Zum anderen dürfte bei vielen Verbrauchern ein größeres Maß an Verunsicherung herrschen. Wenn der Arbeitsplatz nicht als sicher wahrgenommen wird, dürfte der Euro nicht besonders locker sitzen.

Mit dem digitalen Euro könnte die EZB allerdings direkt die Konsumneigung der Verbraucher und damit die Entwicklung der Konjunktur steuern. Und sie würde die Hoheit über den Euro zurückgewinnen. Die EZB ist längst nicht die einzige Zentralbank, die an einer digitalen Währung arbeitet. Die schwedische Reichsbank wollte bereits 2018 die E-Krone einführen. Technische Schwierigkeiten sorgen allerdings dafür, dass die Testphase erst einmal bis 2026 verlängert wird. Und in China läuft seit gut einem Jahr ein erster Test mit E-Yuans. Bereits im nächsten Jahr soll es bei den Olympischen Winterspielen ein digitales Zentralbank-Geld geben. Schöne neue Welt.

 


Hans-Peter Schupp
Fondsmanager der Fidecum AG

Die Fidecum AG aus Bad Homburg bietet Asset-Management-Konzepte für professionelle Investoren an.

Schupp verantwortet für die Fidecum seit Februar 2008 die Contrarian-Value-Fonds. Er hat über 25 Jahre Erfahrung als Portfoliomanager und wurde als Fondsmanager schon mit zahlreichen Awards ausgezeichnet.