Ein neuer Bericht der Vereinten Nationen warnt davor, dass die Zahl der Hungernden im Jahr 2018 weltweit zum dritten Mal in Folge gestiegen sei und nun bei über 820 Millionen liege. Und rund zwei Milliarden Menschen - über ein Viertel der Weltbevölkerung - habe keinen regelmäßigen Zugang zu sicheren, nahrhaften und ausreichenden Lebensmitteln. Diese stillen Todesfälle und das stille Leiden erregen nicht die Aufmerksamkeit der Welt wie die vergangenen Hungersnöte. Sehr zu Unrecht. Obwohl wir Fortschritte bei der Bekämpfung des Hungers gemacht haben, gibt es einen überzeugenden Grund, noch mehr zu tun: Insbesondere die Verbesserung der Kinderernährung ist eine der transformativsten Investitionen, die Regierungen und Geber machen können.

Untersuchungen des Think Tanks des Copenhagen Consensus Center zeigen, dass jeder Dollar, der in den ersten 1000 Tagen des Lebens eines Kindes für Ernährung ausgegeben wird, der Gesellschaft letztlich 45 US-Dollar zurückgibt, indem er sicherstellt, dass er oder sie eine gesündere und wohlhabendere Zukunft hat.

Solche phänomenalen Renditen erklären, warum die US-Regierung 2010 die Initiative "Feed the Future" ins Leben gerufen hat, die von der jetzigen ­Regierung erneut genehmigt wurde, und warum die Europäische Union 2013 zugesagt hat, 3,5 Milliarden Euro für ­Ernährung im Zeitraum 2014 bis 2020 aus­zugeben. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Vereinigten Staaten und die EU diese Bemühungen fortsetzen.

Einer der am häufigsten verwendeten Ernährungsindikatoren ist ein Zustand der zurückgebliebenen Entwicklung, das sogenannte Stunting. Im Gegensatz zu Untergewicht, das meist auf kurz­fristige Unterernährung hinweist, zeigt das Stunting, dass ein Kind schon lange unterernährt ist.

Obwohl sich das Stunting global seit 1990, als vier von zehn Kindern betroffen waren, fast halbiert hat, bleiben die Auswirkungen heimtückisch. Chronische Unterernährung bei Kindern kann zu einer verminderten kognitiven und körperlichen Entwicklung, einer geringeren Produktionskapazität, einem schlechten Gesundheitszustand und ­einem erhöhten Risiko für chronische degenerative Krankheiten wie Diabetes führen. Unterernährung hat auch weitreichende Auswirkungen auf die Ge­sellschaft, wobei einige Schätzungen darauf hindeuten, dass sie die Weltwirtschaft über zwei Billionen Dollar pro Jahr kosten könnte. Tatsächlich ist die Unterernährung nach wie vor eines der größten Hindernisse für Kinder, Gemeinschaften und Länder, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Gut ernährte Kinder werden zu hochproduktiven Erwachsenen


Der größte langfristige Nutzen der an­gemessenen Kinderernährung ist seine positive Auswirkung auf die kognitive Entwicklung. Gut ernährte Kinder lernen in der Schule mehr und werden viel eher zu hochproduktiven Erwachsenen. Sie verdienen folglich mehr, was es ihnen ermöglicht, ihre eigenen Kinder besser zu ernähren, zu schützen und zu erziehen, was wiederum die Entwicklung ihres Landes beschleunigt.

Heute kostet es etwa 100 Dollar, einem Kind in den ersten zwei Jahren eine gute Ernährung zu geben. Weil den Kindern, die davon profitieren, so viel geholfen wird, ist es, als ob die Lebenseinkommen jedes Kindes heute im Durchschnitt um das Äquivalent eines einmaligen Betrags von 4500 Dollar gestiegen wären. Der Investitionsrahmen der Weltbank für Ernährung schätzt, dass 70 Milliarden Dollar über einen Zeitraum von zehn Jahren benötigt werden, um die wichtigsten Ziele der Weltgesundheitsorganisation zur Unterernährung bis 2025 zu erreichen. Aber die Fortschritte sind nicht schnell genug.

Zusätzliche Investitionen in die frühkindliche Ernährung sind daher von entscheidender Bedeutung und sollten für Geber- und Empfängerregierungen, multilaterale Entwicklungsorganisationen und philanthropische Stiftungen hohe Priorität haben. Die Gründe für solche Ausgaben sind eindeutig, und die Nutzen werden mit ziemlicher Sicherheit enorm sein.

Copyright: Project Syndicate

Kurzvita

Bjørn Lomborg
Direktor des Copenhagen Consensus Center
Der 54-jährige Däne ist ein wegen seiner ­Thesen umstrittener ­Politikwissenschaftler, Dozent, Statistiker und Buchautor. Weltweit ­bekannt wurde er durch den kontrovers diskutierten Bestseller "The Skeptical Environmentalist" (deutsch: "Apocalypse No! Wie sich die menschlichen Lebensgrundlagen wirklich entwickeln").