Die Generation Erbe wird in Deutschland immer stärker. Vergangenes Jahr zahlten Begünstigte 9,82 Milliarden Euro Erbschaft- und Schenkungsteuer. Es gibt aber viele Möglichkeiten, um bei Vermögensübertragungen Abgaben zu sparen. Antworten auf  fünf aktuelle Fragen. Von Stefan Rullkötter

1. Wie funktioniert der Trick mit der Kettenschenkung?

Ich möchte meiner Schwiegertochter, die sich seit vielen Jahren uneigennützig um mich und meine Frau kümmert, ein Aktiendepot zum gegenwärtigen Kurswert von rund 250 000 Euro übertragen. Als Verwandte in nicht direkter Linie hat sie in der Steuerklasse II jedoch nur einen vergleichsweise geringen Schenkungsteuerfreibetrag in Höhe von 20 000 Euro. Demnach sind 230 000 Euro steuerpflichtig. Bei einem Schenkungsteuersatz von 20 Prozent wären 46 000 Euro Abgaben fällig. Ein Freund riet mir daher zu einer Kettenschenkung. Was ist bei dieser Steuergestaltung zu beachten?

Steuerlich günstiger wäre es, wenn das Aktienpaket zunächst nicht an die Schwiegertochter, sondern an den mit ihr verheirateten Sohn verschenkt wird. Jeder Elternteil kann seinen Kindern alle zehn Jahre in der Steuerklasse I bis zu 400 000 Euro abgabenfrei schenken. Der Sohn kann das Aktienpaket in einem zweiten Schritt an seine Frau weiterreichen – und hat dabei als Ehegatte sogar einen Schenkungsteuerfreibetrag von 500 000 Euro, den er ebenfalls alle zehn Jahre erneut ausschöpfen kann.

Das Finanzamt akzeptiert solche Kettenschenkungen nur, wenn der Begünstigte frei über das übertragene Vermögen verfügen kann. Die erste Schenkung darf bei dieser Gestaltung nicht mit der Auflage zur Weiterschenkung verbunden werden. Zudem ist es besser, nicht den identischen Depotbestand weiterzureichen. Andernfalls kann nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ein Gestaltungsmissbrauch vorliegen (Az. II R45/11). Der Zeitraum zwischen der ersten und zweiten Schenkung ist dagegen unerheblich, befanden die obersten Finanzrichter (Az.37/11). Selbst wenn beide Schenkungen in einer Urkunde zusammen- gefasst werden, bedeutet dies nicht zwangsläufig das Aus für die Steuerklasse I, bestätigte der BFH in einem aktuellen Beschluss (Az. II B 37/21).

2. Lauern beim Verkauf einer Haushälfte Steuerfallen?

Ich bin Alleinerbin meines im Jahr 2018 verstorbenen Mannes. Zur Erbschaft gehört eine Haushälfte, an der mein vor eine, Jahr verstorbener Schwiegervater ein Nießbrauchsrecht hatte. Dieser hatte meinem Mann die Haushälfte bereits im Jahr 2003 per Schenkung übertragen. Nun möchte ich diese Gebäudeteil meiner Schwägerin verkaufen. Muss ich hier bei einer Veräußerung Spekulationssteuern bezahlen? Und wird dieses Geschäft überhaupt steuerlich behandelt?

Eine Spekulationssteuer oder ein fiskalisch relevanter Veräußerungsge- winn aus dem Immobilienverkauf fällt in derartigen Konstellationen nicht an, da die Immobilie durch den Vorgänger selbst genutzt worden ist“, erklärt Anton-Rudolf Götzenberger, Steuerberater in Halfing bei Rosenheim . Damit greift der Befreiungstatbestand des Einkommensteuergesetzes. Die einschlägige Vorschrift ist Paragraf 23 Absatz 1 Nr. 1 Satz 3. „Ein Erwerb von Todes wegen gilt steuerrechtlich nicht als Neuanschaffung, die Vorbesitzzeiten des Erblassers werden dem Erwerber angerechnet“, erläutert Götzenberger. Damit sei auch die für private Veräußerungsgeschäfte geltende Zehn-Jahres-Frist erfüllt. Die Veräußerung kann demnach einkommensteuerfrei erfolgen.

Weitere fiskalische Besonderheit: Überlebende Ehegatten zahlen unabhängig vom Verkehrswert auch keine Erbschaftsteuer für Haus oder Eigen- tumswohnung des Erblassers, wenn sie dort für mindestens zehn Jahre ihren ersten Wohnsitz neh- men. Der Steuerbefreiung steht auch Kindern und Enkeln zu, wenn die Wohnfläche des geerbten Ob- jekts die 200 Quadratmeter nicht überschreitet. Voraussetzung: Erben müssen das Objekt tatsächich bewohnen. Die Befreiung ist nur für ein Ob- jekt möglich. Steuerfrei lässt es sich nur vererben, wenn der Erblasser zum Todeszeitpunkt auch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war.


3. Wann sind denkmalgeschützte Immobilien steuerbegünstigt?

In Deutschland gibt es rund eine Million Baudenkmäler. Ich habe kürzlich von einem entfernten Verwandten ein denkmalgeschütztes Haus in Süddeutschland geerbt. Mein Erbschaftsteuer- freibetrag von 20000 Euro ist aber relativ gering. Zudem muss ich umfangreich renovieren, um die Immobilie wieder nutzbar zu machen. Unter welchen Voraussetzungen kann ich eine 85-prozentige Befreiung von der Erbschaftsteuer erhalten?

Das Finanzgericht Münster hat kürzlich geurteilt, dass eine Erbschaftsteuerbefreiung für denkmalgeschützte Objekte zunächst eine zeitliche Nähe zwischen Erwerb und Einleitung von Maßnahmen zur Nutzbarmachung voraussetzt (Az. 3 K 2935/20 Erb). Eine anschließende mehrjährige Umsetzungsphase der Renovierungsmaßnahmamen ist dagegen unschädlich. Im entschiedenen Fall hatte eine Erbin für ein unter Denkmalschutz stehendes Friesenhaus aus dem 17. Jahrhundert 85 Prozent Steuerbefreiung beantragt. Dabei berief sie sich auf Paragraf 13 Absatz 1 Nr. 2 Satz 1a des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes, da sie die „Nutzbarmachung für Zwecke der Volksbildung“ beabsichtigte. Das Finanzamt verweigerte ihr die Steuerermäßigung.

Zu Unrecht, urteilten die Finanzrichter: Der Grundbesitz sei im öffentlichen Interesse erhal- tenswert, da es unter Denkmalschutz stehe. Dass die jährlichen hohen Kosten in der Regel die erzielten Einnahmen übersteigen, habe die Klägerin ebenfalls nachgewiesen. Durch die seit 2019 stattfindenden Führungen habe sie das Objekt auch der Öffentlichkeit mit dem Zweck der Volksbildung nutzbar gemacht. Eine ständige Zurverfügungstellung für die Öffentlichkeit sei hierfür – ins- besondere in Pandemiezeiten – nicht erforderlich. Endgültig in dem Rechtsstreit urteilen werden die obersten Steuerrichter: Das Finanzgericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

4. Kann die Erbschafsteuer aus Gesundheitsgründen entfallen?

Enge Angehörige zahlen unabhängig vom Verkehrswert keine Erbschaftsteuer für Haus oder Eigentumswohnung des Erblassers, wenn sie dort für mindestens zehn Jahre ihren ersten Wohnsitz nehmen. Die Steuerbefreiung steht neben Ehepartnern ja auch Kindern und Enkeln zu – bei Nachkommen aber nur, wenn Wohnflächen der Objekte 200 Quadratmeter nicht überschreiten. Gelten diese Steuervorteile auch, wenn Erben wegen Erkrankungen vor Ablauf der Zehnjahresfrist aus den Objekten ausziehen müssen?

Die Steuerfreiheit bleibt erhalten, wenn Erben die Immobilie aus „zwingenden Gründen“ nicht selbst nutzen können. Dieses Privileg hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun erweitert: Ein Erbe verliert nicht die Steuerbefreiung für ein Familienheim, wenn ihm die eigene Nutzung aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist (Az. II R 18/20). Die Klägerin hatte das von ihrem Vater ererbte Einfailienhaus zunächst selbst bewohnt, war aber bereits nach sieben Jahren ausgezogen. Die Erbin hatte sich kaum noch bewegen und ohne fremde Hilfe dort nicht mehr leben können Die Frau hätte aus gesundheitlichen Gründen so erheblicher Unterstützung bedurft, dass ihr keine selbständige Haushaltsführung mehr möglich war, befand der BFH.

In einem neun Erlass nennt das Bundesfinanzministerium zwei weitere Ausnahmen: Steuerfrei bleiben auch geerbte Eigenheime, die innerhalb des Zehnjahreszeitraums durch höhere Gewalt wie Hochwasser, Unwetter, Brand oder Explosion zerstört wurden und nicht mehr nutzbar sind. Auch zeitweise Unbewohnbarkeit wegen Sanierung oder behördlichen Nutzungsverbots führt nicht zum Verlust der Steuerfreiheit. Erben müs- sen aber unverzüglich nach Wiederherstellung einziehen und bis Ablauf von zehn Jahren bleiben (Fundstelle: R E 13.4 Abs. 6 Satz 4 ErbStG).


5. Bleiben Eigenheime auch bei  vorzeitigem Auszug wegen einer Depression erbschaftsteuerfrei?

Vor sieben Jahren habe ich von meinem verstorbenen Vater auch ein kleines Haus geerbt, das ich seitdem selbst bewohne. Nun bin ich mental nicht mehr in der Lage, den Haushalt dort  zu führen und plane, in eine Seniorenresidenz umzuziehen. Bleibt dann meine Erbschaftsteuerbefreiung für das Familienheim erhalten?

Überlebende Ehegatten sind unabhängig vom Verkehrswert von der Erbschaft- steuer für Haus oder Eigentumswohnung des Erblassers befreit, wenn sie dort für mindestens zehn Jahre ihren ersten Wohnsitz nehmen. Diese Steuerbefreiung steht auch Kindern und Enkeln zu, wenn die Wohnfläche de geerbten Familienheims 200 Quadratmeter nicht überschreitet. Die Steuerfreiheit bleibt auch bei vorzeitigem Auszug erhalten, wenn Erben die Immobilie „aus zwingenden Gründen“ nicht mehr selbst nutzen können. Gesundheitliche Ursachen sind akzeptabel, wenn ihnen die Haushaltsführung generell unmöglich ist, etwa weil sie pflegebedürftig sind, befand das Finanzgericht Hessen (Az. 1 K 877/15).

Auch ein vorzeitiger Auszug wegen einer psychischen Erkrankung führt nicht dazu, dass die Erbschaftsteuerbefreiung rückwirkend entfällt, urteilte kürzlich der Bundesfinanzhof (BFH, Az. II R 1/21). Erfolgreich geklagt hat eine Erbin,die aufgrund Testaments Alleineigentümerin eines Hauses war. Nach knapp zwei Jahren veräußerte sie das Objekt und zog in eine Eigentumswohnung. Die Klägerin argumentierte, sie habe wegen einer depressiven Erkrankung, die sich nach dem Tod ihres Ehemannes gerade durch die Umgebung des ehemals gemeinsam bewohnten Hauses verschlechtert habe, dieses auf ärztlichen Rat verlassen. Der BFH gab ihr Recht: „Zwingende Gründe“ seien nicht nur bei Unmöglichkeit gegeben, sondern auch wenn die Nutzung des Familienheims für Erben psychisch nicht zumutbar sei.


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