Leser fragen – die Redaktion antwortet Von Stefan Rullkötter

1. Beim französischen Industriegas-Konzern Air Liquide gibt es verschiedene Aktiengattungen. Neben der gängigen (ISIN FR 000 012 007 3 )werden auf der Website des Unternehmens auch andere genannt. Dabei ist von einem Loyalty-Bonus die Rede. Was muss ich tun, um mich dafür zu qualifizieren?

Boerse-online.de: Air Liquide hat Sonderprogramme aufgelegt, von denen Aktionäre profitieren, die ihre Aktien länger als zwei Jahre halten. Um die Haltedauer zu überprüfen, gibt es eigene Kennnummern für die sogenannten „intermediary registered shares“, die nicht handelbar sind. Sie können Ihre Depotbank bitten, die regulären Aktien („bearer shares“) in die „intermediary shares“ umzuwandeln. Würden Sie sie noch in diesem Jahr wandeln, stünde Ihnen erstmals 2025 der Treuebonus zu (unter anderem zehn Prozent mehr Divi- dende, außerdem werden Gratisaktien in Aussicht gestellt). Da wohl nicht jede Depotbank bereit ist, den Aufwand zu betreiben, bietet Air Liquide auch an, ein Depot („securities account“) beim Unternehmen selbst zu führen. Informationen hierzu finden Sie auf www.airliquide.com unter dem Reiter „Investors“ und dem Stichwort „Online help & Contact“. 

Wenn es Ihnen vornehmlich um die Dividende geht, sollten Sie beachten, dass Frankreich 30 Prozent Quellensteuer einbehält und das Erstattungsverfahren extrem aufwendig ist. Frankreich hat seine Quellensteuer auf Dividenden im Jahr 2018  zwar von 30 Prozent auf 12,8 Prozent gesenkt. Was zunächst gut klingt gut, macht französische Dividendentitel für deutsche Anleger unattraktiver. Liegen französische Aktien in deutschen Depots wird meist wie bisher der Quellensteuersatz von 30 Prozent einbehalten. Davon werden jedoch nur noch 12,8 und nicht mehr 15 Prozent auf die deutsche Abgeltungsteuer von 25 Prozent angerechnet. Anlegemüssen jetzt 17,2 Prozent aus Frankreich zurückholen. Abhilfe kann ein Antrag auf Vorab-Ermäßigung schaffen. Dabei wird den französischen Behörden vor der Dividendenauszahlung bescheinigt, dass ein in Deutschland ansässiger Investor die Dividende erhält und die Aktien im Inland verwahrt werden. Doch diesen Service bieten die meisten deutschen Depotbanken nicht an. So bleibt oft nur das nachträgliche Erstattungsverfahren. Dazu bedarf es ebenfalls der Unterstützung der Depotbank und des Datendienstleisters Clearstream. Das Erstattungsformular gibt es via bszst.de zum Online- Ausfüllen. Das Formular muss vom deutschen Finanzamt dann mit einer Wohnsitzbestätigung versehen werden. Erstattungsanträge bearbeitet die französische Steuerbehörde nur, wenn diese über die Depotbank eingereicht werden und die deutsche Lagerstelle, also die Clearstream AG, bestätigt, dass die Aktien in einem deutschen Depot verwahrt werden. 


2. Ich habe seit vielen Jahren Aktien von Air Liquide im Depot.Der Weltmarktführer in der Produktion von Industrie- und medizinischen Gasen belohnt alle Anleger, die ihm mehr als zwei Jahre treu bleiben: Sie erhalten jährlich zehn Prozent ihres Akteinbestands als zusätzliche „Loyality Shares“. Ich bekam zuletzt am 8. Juni 2022 für 200 Air-Liquide-Bestandsaktien zwanzig Gratisaktien in meinem Depot gutgeschrieben. Wie wir diese Kapitalmaßnahme aber in puncto Abgeltungsteuer behandelt?

Boerse-online.de: Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit einen neuen Schreiben vom 11.10.2022 klargestellt, dass bei den Air Liquide-Gratisaktien die Voraussetzungen für eine „Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln“ erfüllt sind (Gz IV C 1 - S 2252/19/10028 :019). Die Anschaffungskosten der Altanteile sind demnach dem rechnerischen Bezugsverhältnis auf die eingebuchten jungen Anteile zu übertragen. Als Zeitpunkt der Anschaffung der jungen Anteile gilt der Zeitpunkt der Anschaffung der Altanteile. Wer Air Liquide Aktien schon vor Einführung der Abgeltungsteuer 2009 im Depot hatte und seitdem ohne Unterbrechung hält, kassiert auch Kursgewinne mit den Gratisaktien steuerfrei. Depotbanken behalten nach Zuteilung von Gratisaktien häufig Abgeltungsteuer auf die Anschaffungskosten in Höhe des Börsen- kurses am ersten Handelstag ein und warten dann auf weitere Anweisungen des BMF. Nachdem diese nun vorliegen, müssen sie die Anschaffungskosten der Altaktien auf die mit der Kapitalmaßnahme eingebuchten jungen Aktien im Bezugsverhältnis übertragen. In gleicher Höhe sind die Anschaffungskosten der „Altaktien“ zu mindern. Falls die Depotbank das neue BMF-Schreiben nicht umsetzt, weil etwa die Papiere zwischenzeitlich verkauft wurden, können sich Air-Liquide- Aktionäre einbehaltene Abgeltungsteuer über die Steuererklärung (Anlage KAP) zurückholen.

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