"Mein Lebensgefährte verdient wesentlich mehr als ich, lässt mich aber die Hälfte der Miete unserer gemeinsamen Wohnung zahlen. Auch beim Essengehen, beim Urlaub und bei gemeinsamen Anschaffungen besteht er auf halbe-halbe. Ich hätte gern, dass er mehr bezahlt. Verlange ich zu viel?"Leserin ist der Redaktion bekannt.
Offenbar kann Ihr Freund seine Interessen besser durchsetzen, als Sie das können. Schauen wir uns das im Detail an.
Das Thema Miete gehört zum partnerschaftlichen Bereich einer Beziehung. Auf diesem Gebiet geben Verhandlungen den Ausschlag. Offenbar haben Sie, was die Miete angeht, vor dem Einzug in die gemeinsame Wohnung gar nicht oder nur schlecht über die Modalitäten verhandelt. Die übrigen Themen - essen gehen, Urlaub, Anschaffungen - gehören vorwiegend in den freundschaftlichen Bereich einer Paarbeziehung. Ein freundschaftlicher Umgang miteinander kann allerdings nicht verhandelt werden. Er ist vielmehr auf gegenseitiges Wohlwollen und entsprechende Abmachungen angewiesen. Das gilt auch für das Thema Geld. Ihrer Formulierung "Er lässt mich zahlen" entnehme ich, dass Sie beide keine derartigen Abmachungen getroffen haben. Vielmehr scheint es so zu sein, dass Sie sich den Vorstellungen Ihres Freundes angepasst haben.
Sie können, was die Miete angeht, nachverhandeln. Das mag eine Weile in Anspruch nehmen, weil Ihre Position, jetzt, da sie beide bereits zusammen wohnen, eine schlechtere ist. Wichtig ist, dass Sie eine klare Vorstellung in die Verhandlung einbringen und eine klare Forderung vertreten. Beispielsweise könnten Sie fordern, dass jeder einen prozentualen Anteil an der Miete trägt, der dem jeweiligen Einkommen entspricht. Das mag momentan für Ihren Freund nachteilig erscheinen, aber sollte er beispielsweise einmal arbeitslos werden, dann tragen Sie eben einen größeren Teil der Mietlast. Insofern wäre diese Abmachung eine Art gegenseitiger "Versicherung" und daher womöglich auch für ihn akzeptabel.
Was die übrigen Themen angeht, sollten Sie Abmachungen anstreben, die für beide Partner in Ordnung sind. In Ordnung bedeutet in diesem Fall: Was den einen glücklich macht, darf den anderen nicht unglücklich machen. Sie sind offenbar nicht glücklich mit der Situation, und das sollte Ihr Freund wissen, und dann dürfte es ihn nicht kalt lassen. Dazu müssen Sie ihm auch klarmachen, wieso Sie mit der bestehenden Regelung unzufrieden sind. Dann muss Ihr Freund zeigen, ob ihm Ihr Glück am Herzen liegt und ob er Sie in irgendeiner Form an seinen reichhaltigeren Ressourcen teilhaben lassen möchte - oder nicht.
Sollte das nicht der Fall sein, bleibt Ihnen nur, Ihre eigenen Konsequenzen zu ziehen. Diese sollten allerdings nicht willkürlich sein und auch nicht auf Machtstreben oder Rache beruhen, sondern Ihrer Situation gerecht werden. Machen Sie sich dazu klar, womit genau Sie unglücklich sind. Bleibt Ihnen nicht genug Geld für eigene Vorhaben? Dann können Sie sich ähnlich "egoistisch" zeigen wie Ihr Freund. Vielleicht fahren Sie einmal nicht mit ihm in den Urlaub, weil Ihnen das zu teuer ist. Oder Sie gehen nicht mit ihm essen, weil Sie das Geld für andere Dinge brauchen. Oder Sie beteiligen sich nicht an einer Anschaffung, weil Sie die allein auch nicht tätigen würden.
Der Umgang mit Geld sollte sich an der Beziehung orientieren, die zwei miteinander haben. Geht es darin vorwiegend um gemeinsame Projekte, dann wäre es eine partnerschaftliche Bindung. Geht es vorwiegend um Verliebtheit, dann wäre es eine leidenschaftliche Bindung. Geht es aber auch und nicht unwesentlich um Freundschaft - darum, einander Gutes zu tun und sich gegenseitig in der persönlichen Entfaltung zu unterstützen - dann wäre es eine freundschaftliche Bindung.
Ist die Beziehung wenig freundschaftlich, dann ist auch kein freundschaftlicher Umgang mit Geld nötig. In den Auseinandersetzungen mit Ihrem Freund wird sich herausstellen, welche Art von Beziehung Sie beide tatsächlich haben.
Michael Mary arbeitet seit 1980 als Paar-, Individual- und Singleberater und macht Workshops, Seminare und Fortbildungen. Er ist Autor von knapp 40 Büchern, unter anderem "Liebes Geld. Vom letzten Tabu in Paarbeziehungen" (Piper Verlag). Mary lebt in Hamburg.