Johannes Vogel: Grundrente ist ungerecht und teuer
· Börse Online RedaktionDer Mann ist immer noch jung, gerade mal 36 Jahre alt. Der studierte Politikwissenschaftler spricht flott, verfügt über eine blitzschnelle Auffassungsgabe. Und Johannes Vogel hat die Höhen und Tiefen des Politikbetriebs bereits am eigenen Leib erlebt.
Im Herbst 2009, damals gerade mal 27 Jahre alt, zog er dank des berauschenden FDP-Erfolgs mit 14,6 Prozent über die Landesliste Nordrhein-Westfalen in den Bundestag ein. Er wurde gleich Sprecher seiner Fraktion für Arbeitsmarktpolitik. Sein erstes Gastspiel im deutschen Bundestag endete schon nach einer Legislaturperiode mit dem Absturz der FDP bei der Wahl 2013. Nach dem Parlaments-Aus arbeitete er bei der Bundesagentur für Arbeit und leitete dort als Geschäftsführer die Arbeitsagentur Wuppertal-Solingen mit rund 400 Mitarbeitern.
In der Partei reüssierte Vogel als Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen zwischen 2005 und 2010. Im FDP-Bundesvorstand sitzt er seit 2007. Seit 2014 ist er Generalsekretär der nordrhein-westfälischen FDP. In dieser Funktion zeichnete er verantwortlich für den spektakulären NRW-Wahlkampf der FDP, die mit starken 12,6 Prozent wenige Monate vor der letzten Bundestagswahl den Grundstein für den Wiedereinzug in den Bundestag legte. Er selbst bezeichnet diese Kampagne als seinen bisher größten politischen Erfolg. Seit 2017 ist Vogel wieder Abgeordneter in Berlin.
Er ist heute renten- und arbeitsmarktpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Das aktuelle rentenpolitische Programm der FDP trägt seine Handschrift. Das hat sich auch im Berliner Medienbetrieb herumgesprochen. Deshalb war er sofort mit diesem Konzept medial präsent, als Hubertus Heil seine "Respektrente" in die politische Arena stellte.
Für eine breitere liberale Aufstellung muss die FDP neben Christian Lindner weitere kompetente Köpfe profilieren. Das ist eine der personalstrategisch wichtigsten Aufgaben für die Partei in dieser Legislaturperiode. Johannes Vogel gehört ohne Zweifel zu dieser profilierten Riege.
€uro am Sonntag: Hubertus Heil präsentierte sein als "Respektrente" etikettiertes Grundrentenmodell. Bereits tags darauf waren Sie mit Ihrer FDP-"Basisrente" medial präsent. Skizzieren Sie bitte schlagwortartig Ihre Kontrapunkte zum SPD-Entwurf.
Johannes Vogel: Heils Grundrente ist erstens ungerecht, zweitens geht er mit der Gießkanne vor und deshalb ist sie drittens auch teuer. Die FDP geht zwar einig mit der Absicht, gezielt etwas gegen Altersarmut zu tun. Diesem Ziel hat aber schon das milliardenschwere Rentenpaket der Regierungskoalition im vergangenen Jahr Hohn gesprochen - 90 Prozent der Ausgaben helfen gar nicht gegen Altersarmut.
Sie spielen auf die Mütterrente II sowie die doppelte Haltelinie beim Rentenniveau und bei den Beitragssätzen bis 2025 an.
Genau, Letztere ist zudem nichts anderes als eine Manipulation der Rentenformel zulasten der Jüngeren. Das trifft den Kern dieser Rentenpolitik besser. Die Verhinderung von Altersarmut steht dabei überhaupt nicht im Fokus. Wenn man das Problem angehen will, dann braucht es auch eine bessere Lösung als die jetzt von der SPD ins Spiel gebrachte "Grundrente". Denn Heil setzt das Äquivalenzprinzip der Rentenversicherung außer Kraft: Wer mehr einzahlt, erhält auch mehr Rente. Und er schafft neue Ungerechtigkeiten, weil er durch den Wegfall der Bedarfsprüfung auch Renten für Menschen aufstockt, die alles andere als armutsbedroht sind.
Was sind die Eckpunkte Ihrer Basisrente?
Das FDP-Konzept ist fair, zielgenau und finanzierbar. Wir wollen, dass 20 Prozent der individuellen Rentenansprüche als Zuschlag auf die Grundsicherung bezahlt werden, und ergänzend einen Freibetrag für betriebliche und private Altersvorsorge. Die Bedarfsprüfung bleibt. Weil unser Modell zielgenau ist, kostet es rund 400 Millionen Euro, während der Arbeitsminister mit rund fünf Milliarden Euro Kosten kalkuliert.
Kostenschätzungen der Sozialpolitiker zeichnen sich immer durch systematische Untertreibung aus. Aktuelles Beispiel: Die abschlagsfreie Rente mit 63, die viel stärker in Anspruch genommen wird, als Sozialministerin Andrea Nahles vor der Einführung im Sommer 2014 prognostizierte.
Statt fünf Milliarden Euro, wie die Regierung damals schätzte, sind allein in den ersten beiden Jahren 6,5 Milliarden dafür ausgegeben worden, dass gut qualifizierte Vollzeitarbeitskräfte aus den Betrieben herausgekauft wurden. Und wir beklagen den Fachkräftemangel. Rechnet man die ausfallenden Steuern der rund 1,2 Millionen abschlagsfreien Ruheständler und die wegfallenden Sozialbeiträge dazu, dann kostet diese aberwitzige "Reform" zusammen mit der Mütterrente heute monatlich rund 1,2 Milliarden Euro.
SPD und Union fürchten sich vor den Europawahlen im Mai und den drei Landtagswahlen im Herbst in Ostdeutschland. Mit mehr Sozialstaat wollen sie die AfD kleinhalten. Sie, Herr Vogel, haben in diesem Kontext mal den Satz geprägt: "Rentenpopulismus ist keine Antwort auf Rechtspopulismus."
Aus allen Studien über die Ursachen von Rechtsextremismus wissen wir doch, dass die These, es gehe den Protestwählern vor allem um die soziale oder materielle Abgehängtheit, schon im Kern gar nicht zutrifft.
Wie meinen Sie das?
Schauen Sie sich doch nur die Landkarte der Wahlergebnisse der AfD an. Es gibt keine Korrelation zwischen den unterschiedlichen Einkommenshöhen in den Regionen und den Wahlergebnissen der AfD. Es gibt erst recht keine Kausalität. Deshalb hilft einfach "mehr" Sozialstaat nicht gegen Rechts. Wir müssen über andere Fragen reden: Wie können wir den Wandel durch Globalisierung und Digitalisierung als Chance begreifen, nicht als Bedrohung? Das Geschäftsmodell der Populisten besteht natürlich darin, Ängste zu schüren. Sie versprechen einfache Lösungen für komplexe Probleme, oder sie lenken Ängste auf Minderheiten und machen diese zu Sündenböcken.
Schürt nicht die Koalition selbst Ängste, die objektiv gar nicht berechtigt sind, um dafür dann teure sozialpolitische Lösungen anzubieten?
Ich nehme als Beispiel das Rentenniveau, das im vergangenen Jahr von der Regierungskoalition rauf und runter beklagt wurde. Sinkendes Rentenniveau klingt wie sinkende Renten. Und so verstehen das auch viele Menschen. Tatsächlich aber steigen die Renten auch künftig, zwar etwas weniger stark als die Löhne, aber sie steigen, und damit auch ihre Kaufkraft. Aber mit dieser alarmierenden und verstörenden Debatte betreibt die Koalition die Aussetzung des Nachhaltigkeitsfaktors, den die SPD selbst einmal eingeführt hat.
In wenigen Jahren endet die demografische Pause. Dann gehen die starken Geburtsjahrgänge in Rente. Statt dafür Vorsorge zu treffen, wird das Füllhorn über die heutigen Rentner ausgeschüttet.
Es war ja bezeichnend, dass just am Tag, als Hubertus Heil seine teure Grundrente vorstellte, sein SPD-Kabinettskollege Olaf Scholz ein mittelfristiges Haushaltsloch von 25 Milliarden Euro verkündete. Die Große Koalition hat in den letzten Jahren auf allen Feldern Geld ausgegeben, als gäbe es kein Morgen. Es wurden keine Prioritäten gesetzt. Es gab keine Strategie, wie man die guten Jahre dafür nutzen könnte, den Wohlstand unserer Gesellschaft auch in den kommenden Jahrzehnten zu sichern.
Ihr abschließendes Urteil über die schwarz-rote Rentenpolitik?
In der Rentenpolitik besteht die besondere Dramatik darin, dass die in den 2000er-Jahren erreichte Stabilisierung, die in einem überparteilichen Konsens passierte, rückabgewickelt wurde. Schon am Ende dieser Legislaturperiode aber werden die Babyboomer in Rente gehen. Diese schwarz-rote Politik ist irrational und unverantwortlich. Ich nenne das eine "Nach uns die Sintflut"-Politik. Die Zeche zahlt die junge Generation mit niedrigeren Renten, späterem Renteneintrittsalter und steigenden Steuern und Sozialabgaben.
Vita:
Johannes Vogel, geboren 1982 in Wermelskirchen im Bergischen Land, war nach Zivildienst und Studium der Politikwissenschaften von 2005 bis 2010 Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen. Seit 2007 ist Vogel Mitglied des FDP-Bundesvorstands und seit 2014 Generalsekretär der FDP in NRW. Seit der Bundestagswahl 2017 verantwortet er die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der FDP-Fraktion.