Insolvenzverwalter Matthias Dieckmann erklärt im Interview, wie Firmen bei einer Schieflage richtig reagieren
Börse Online: Die Zuwachsraten bei den beantragten Insolvenzen sind nach neuen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) seit Mitte 2023 im Vergleich zum Vorjahr durchgängig zweistellig. Was sind die Hauptgründe für immer mehr Firmenpleiten hierzulande?
Matthias Dieckmann : Mit der Corona-Pandemie und dem Ukrainekrieg befindet sich die deutsche Wirtschaft vier Jahre in Folge im Krisenmodus. Die Auswirkungen wurden zwar teilweise durch staatliche Hilfen abgemildert, mit dem Auslaufen staatlicher Unterstützungsleistungen treten die Probleme nunmehr deutlich zu Tage.
Welche Faktoren beschleunigen diese verheerende Entwicklung?
Die Hauptursachen dafür sind eine insgesamt schlechtere konjunkturelle Lage, anhaltende hohe Energie- und Materialpreise, Fachkräftemangel sowie die Zinswende.
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Sind in Deutschland sämtliche Branchen gleichermaßen von der Pleitegfahr tangiert?
Insgesamt sind hier nunmehr auch lange Zeit als stabil geltende Branchen wie Maschinenbau, Gesundheitswesen, Chemieindustrie und insbesondere die Bauindustrie betroffen. Im Krankenhaus- und Pflegebereich spielen neben dem Fachkräftemangel auch strukturelle Änderungen eine große Rolle.
Ist bei der aktuell steigenden Zahl der Firmenpleiten auch ein „Post-Corona-Effekt“ von Bedeutung?
Man muss neben dem prozentualen Anstieg der Insolvenzverfahren, der für 2024 mit 30 Prozent erwartet wird, auch immer im Blick haben, dass seit dem Jahr 2019 das Insolvenzgeschehen eben aufgrund der Staatshilfen auf einem unnatürlich niedrigen Niveau war.
Warum häufen sich gefühlt die Pleiten im Bau-und Immobiliensektor – und welche Branchen sind noch betroffen ?
Die Baubranche ächzt unter den anhaltenden hohen Baukosten sowie unter der sich abzeichnenden Zinswende, welche insbesondere auch verschuldete Immobilienportfolios stark in Mitleidenschaft zieht. Im übrigen leidet ebenso die Maschinenbaubranche immens unter den hohen Energie- und Materialpreisen sowie den nach wie vor bestehenden Lieferengpässen.
Welche grundlegenden Punkte sollten Unternehmen beachten, damit sie erst gar nicht in Insolvenzgefahr geraten?
Der Hauptgrund für die Insolvenz eines Unternehmens sind nach wie vor Fehler im Management. Das Wichtigste ist meines Erachtens daher sein Unternehmen immer kritisch im Blick zu haben. Das betrifft nicht nur die üblichen betriebswirtschaftlichen Controlling Maßnahmen sondern eben auch der Blick auf die Stakeholder, der Blick auf eine klare Strategie, der Blick auf die eigenen Produkte und Dienstleistungen und deren Rentabilität verbunden mit der steten Bereitschaft zur Kommunikation, Veränderung und Entscheidungsstärke, wenn Dinge aus dem Ruder laufen.
Inwieweit können Insolvenzverwalter in dem Zusammenhang Fehlentscheidungen korrigieren?
Sie können bspw. einen verschärften Blick auf die Prozesse im Unternehmen sowie auf die Rentabilität von Produkten werfen oder auch Verträge, die sich als nachteilig für das Unternehmen herausgestellt haben, auflösen und neu verhandeln - etwa Miet- oder Lieferverträge mit nicht marktgerechten Konditionen. Generell gilt: Man muss als Insolvenzverwalter gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten offen kommunizieren, um betroffen Firmen wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bekommen.
Das vollständige Interview lesen Sie in der Wochenzeitung €uro am Sonntag, ab 26. Januar 2024 im Handel und hier als digitale Ausgabe erhältlich
Zur Person:
Matthias Dieckmann ist Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Insolvenzverwalter, Sachwalter sowie zertifizierter Zwangsverwalter. Seit dem Jahr 2000 war er in mehr als 1000 Firmen- und Privatinsolvenzen als Gutachter Insolvenzverwalter und CRO tätig. Nach Stationen als angestellter Rechtsanwalt und Partner in Kanzleien gründete er 2016 in Landshut seine eigene Kanzlei. Darüber hinaus ist er seit Jahren Notgeschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens und Veranstalter des Ostbayerischen Insolvenzrechtstages.