Schon der Begriff ist missverständlich. "Private Unfallversicherung" suggeriert, dass die Police bei jedem Unfall außerhalb des Arbeitslebens greift. Tatsächlich bezahlt wird aber nur bei Invalidität. Und die Bedingungen sind eng definiert: Erstens muss die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person durch einen Unfall beeinträchtigt sein. Zweitens hat die Beeinträchtigung voraussichtlich länger als drei Jahre zu bestehen und irreversibel zu sein.

Angesichts dieser starken Restriktionen ist es kein Wunder, dass die gut 27 Millionen Haushalte mit Privatunfallschutz nur selten Geld aus ihrer Police sehen. Das macht diese Versicherungsart zur Goldgrube für die Assekuranz. Die Anbieter machen mit jedem eingezahlten Euro rund 20 Cent Gewinn - die Kosten für Schäden und Verwaltung bereits abgerechnet. Kaum ein anderer Versicherungszweig ist für sie so lukrativ.

Dennoch sind private Unfallpolicen manchmal sinnvoll. Jedermann kann als Fußgänger oder Radfahrer, beim Freizeitsport oder im Haushalt einen Unfall erleiden, der zu lebenslanger Invalidität führt. Vor allem Hausfrauen und -männer, kleine Kinder, Freizeitsportler, alte Menschen oder Selbstständige sind vielfach erhöhten Gefahren ausgesetzt und erhalten keinerlei Schutz von der gesetzlichen Unfallversicherung, die lediglich bei Arbeits-, Ausbildungs- und Wegeunfällen zahlt. Zudem ist die private Unfallversicherung für alle wichtig, die wegen einer Vorerkrankung oder ihres Berufs keinen oder kaum bezahlbaren Berufsunfähigkeitsschutz erhalten. Gründe genug für das Deutsche Kundeninstitut (DKI), im Auftrag von €uro private Unfallpolicen zu testen.

Generell gilt: Die Höhe der Kapitalzahlung hängt unter anderem von der ursprünglichen Versicherungssumme und dem Invaliditätsgrad ab. Der Invaliditätsgrad wird in der sogenannten Gliedertaxe des Tarifs für jeden Körperteil oder jedes Sinnesorgan festgelegt. Beispiel: Wenn für eine Hand ein Invaliditätsgrad von 50 Prozent gilt, eine Versicherungssumme von 200 000 Euro und keine Progression vereinbart wurde, erhält der Versicherte bis zu 100 000 Euro. Ist ein geschädigter Körperteil noch teilweise funktionsfähig, bezahlt die Versicherung einen geringeren Prozentsatz.

Um die ausbezahlte Versicherungssumme zu erhöhen, kann der Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss meist eine Progression wählen. In unserem Test beträgt sie 500 Prozent. Das bedeutet: Bei einem Invaliditätsgrad von 100 Prozent werden eine Million Euro fällig.

Wieviel ein Versicherer in unserem Hand-Beispiel zahlt, hängt von der individuellen Progressionsstaffel des Tarifs ab. Hier wird die Summe auch bei einer Progression von 500 Prozent nicht automatisch verfünffacht. Nach Auskunft von Thomas Vetter, Geschäftsführer von ATV Assekuranzmakler aus Röthenbach, werden im geschilderten Fall üblicherweise 200 000 Euro ausbezahlt.

Zu den weiteren Grundannahmen der Untersuchung und den beiden betrachteten Modellfällen lesen Sie den Kasten auf Seite 115.

Zu den wichtigsten Testergebnissen zählt: Die Jahresprämien weichen bis zum Sechsfachen voneinander ab. Am größten ist der Unterschied beim Modellfall 2, einem siebenjährigen Mädchen. Die GVO nimmt hier 71,80 Euro, bei der Arag sind es sage und schreibe 488,10 Euro. Allerdings erfüllt die Arag alle Vor-gaben, während bei der GVO einiges fehlt: Die Invaliditätssumme beträgt nur 100 000 Euro (statt der geforderten 200 000 Euro), die Todesfallleistung 5000 Euro (statt 10 000 Euro) und es wird keine Unfallrente bezahlt.

Anzumerken ist, dass eine Kinderinvaliditätsversicherung - trotz oft höherer Prämien - üblicherweise gegenüber einer Kinderunfallversicherung vorzuziehen ist. Denn wenn Kinder invalide werden, liegt das meistens nicht an Unfällen, sondern an Krankheiten. Und die werden zumeist von einer Kinderinvaliditätsversicherung erfasst. Aus Gründen der Einheitlichkeit haben wir in unserem Test dennoch Kinderunfallversicherungen einbezogen.

Beim Erwachsenen weichen die Prämien immerhin um das Dreifache voneinander ab. Am günstigsten ist wiederum die GVO (270,34 Euro), am teuersten ist diesmal die R + V (775,40 Euro). Doch auch hier sind bei der GVO einige Abstriche zu machen. Bei Invalidität infolge einer Krebserkrankung zahlt sie nichts, ein Krankentagegeld und eine Unfallrente sind nicht vorgesehen.

In der Gesamtwertung belegt die HanseMerkur Platz 1 mit der Note "sehr gut" (Tarif "Unfallversicherung Flex - Leistungsvariante Exklusiv, Gliedertaxe I"). Der Anbieter erreicht bei Angebot, Konditionen und Kundenservice durchweg sehr gute Ergebnisse. Bei den Konditionen deckt er beim Erwachsenen 22 und beim Kind 21 der 31 abgefragten Leistungen ab. Die Prämie liegt mit 383,14 Euro für Erwachsene und 193,97 Euro für Kinder jeweils im günstigsten Drittel. Das Angebot der HanseMerkur ist sehr flexibel. Beispielsweise stehen neun verschiedene Progressionen zur Auswahl. Beim Kundenservice landet das Unternehmen auf Rang 1. Mails beantwortete es am schnellsten und es benötigte für die Entgegennahme von Anrufen am zweitwenigsten Zeit.

Den letzten Platz in der Gesamtwertung belegt die WGV mit "befriedigend". (Erwachsener: Tarif "Basis", Kind: "Optimal"). Das Ergebnis setzt sich aus befriedigenden Bewertungen bei Konditionen und Angebot sowie einer ausreichenden Leistung im Kundenservice zusammen. Bei den Konditionen fällt unter anderem negativ auf, dass die Bewertung des Invaliditätsgrads beim Erwachsenen unter dem Testdurchschnitt liegt. Beim Angebot stört unter anderem, dass der Kunde die Laufzeit des Vertrags nicht selbst festlegen kann. Außerdem gibt es keine Spezialtarife für bestimmte Per-sonengruppen. Beim Kundenservice fiel auf, dass die Mitarbeiter der WGV nur die Hälfte aller E-Mail-Anfragen beantworteten und lediglich drei von acht Testanrufen entgegennahmen.

So wurde getestet


Das Deutsche Kundeninstitut (DKI) hat für €uro private Unfallversicherungen von elf Anbietern auf 440 Kriterien gecheckt.

Testkategorien sind Konditionen (Gewicht: 50 Prozent), Angebot (30 Prozent) und Kundenservice (20 Prozent).

Es gab zwei Modellfälle. Hier einige Annahmen beziehungsweise geforderte Konditionen dazu: 1. Angestellter außerhalb des öffentlichen Dienstes (52), monat-liches Nettoeinkommen: 3000 Euro, Invaliditätssumme: 185 000 Euro, Todesfallsumme: 50 000 Euro, jährliche Zahlungsweise, Progression: 500 Prozent (Erklärung auf Seite 113), Dynamik (regelmäßige Anhebung von Prämien und Leistungen).

2. Mädchen (7), Invaliditätssumme: 200 000 Euro, Todesfallsumme: 10 000 Euro, jährliche Zahlungsweise, Progression: 500 Prozent, keine Dynamik.

Die Versicherer wurden gebeten, jenen Tarif heranzuziehen, der möglichst viele geforderte Leistungen enthält.

Beim Angebot wurde bewertet, inwiefern die gewünschte Versicherung beim Vertragsabschluss an die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Versicherungsnehmer angepasst werden kann. In der nicht eigens gewerteten Kategorie Preis-Leistungs-Verhältnis sind die Aspekte Konditionen und Angebot ins Verhältnis zueinander gesetzt. In der Kategorie Kundenservice wurde die direkte Kommunikation zwischen Anbieter und Kunde bewertet, also wie freundlich, schnell und kompetent Kundenanfragen per Hotline und E-Mail bearbeitet wurden.

In den Tabellen auf den Seiten 113 und 114 sind die Wertungen für beide Modellfälle eingeflossen, die Tabellen auf Seite 115 zeigen die Wertungen für die einzelnen Modellfälle (Erwachsene, Kinder).