Deutschlands berühmtester Ökonom Professor Hans-Werner Sinn warnt im Interview mit BÖRSE ONLINE davor, dass das deutsche System in etwa 10 Jahren kaputt geht. Was die Bundesregierung jetzt sofort tun muss und wie die maximale Verwerfung aussehen könnte.
BÖRSE ONLINE: Vor etwa neun Monaten sagten Sie uns, es sei für Deutschland "kurz vor zwölf". Ist es jetzt wirtschaftlich "nach zwölf"?
Prof. Hans-Werner Sinn: Nein. Es gibt immer noch Möglichkeiten, umzusteuern.
Profesor Hans-Werner Sinn: "Bin sehr skeptisch"
Kann es zu einem echten Kurswechsel kommen?
Da bin ich eher skeptisch. Der Grund dafür ist das mangelnde ökonomische Verständnis in der Bevölkerung. Im Vergleich zur angelsächsischen Welt, wo wirtschaftliches Grundwissen oft zum Grundstudium gehört, bleibt volkswirtschaftliches Denken in Deutschland eine Randerscheinung – insbesondere auch in der geisteswissenschaftlich geprägten Medienlandschaft.
Sie konstatieren einen Strukturbruch.
Das liegt daran, dass es sich aktuell nicht um eine konjunkturelle, sondern um eine strukturelle Krise handelt, eben einen Strukturbruch: Es wird mehr abgebaut als aufgebaut. Wenn Sie sich die Wirtschaftsentwicklung seit 2018 ansehen, erkennen Sie einen kontinuierlichen Abwärtstrend. Der Grund dafür ist ein ausgeprägter Attentismus bei Investitionen. Eine Folge von politischen Weichenstellungen, insbesondere in der Energiepolitik. Ein Land, dem schrittweise die Energieversorgung abgedreht wird, hat keine solide wirtschaftliche Perspektive. Unternehmer sehen das und investieren lieber anderswo.
Die Bundestagswahl steht vor der Tür. Welche drei Schritte müsste eine neue Bundesregierung sofort umsetzen?
Als erstes müssten wir die Politik der Nachfrageverbote bei fossilen Brennstoffen aufgeben, solange die anderen großen Länder nicht folgen. Denken Sie nur an den Verbrennungsmotor oder die Ausstiegsbeschlüsse der EU bei der Steinkohle, dem Öl und dem Gas. Die Nachfrage nach international handelbaren Brennstoffen zu reduzieren macht keinen Sinn, weil die anderen Gebiete der Welt eben diese Brennstoffe dann billiger erwerben und sie selbst verbrennen. Wirksam sind nur Maßnahmen auf der Angebotsseite. Wenn wir Europäer weniger Kohle fördern, bleibt sie in der Erde und kann nirgendwo sonst in der Welt verbrannt werden. Außerdem sollten wir Kohlenstoff sequestrieren. Den Kohlenstoff, den wir auf den Weltmärkten kaufen, könnten wir nach der Verbrennung als CO2 abscheiden und unter dem Meeresboden verpressen. Der zweite Schritt ist die Aktivierung der Arbeitsmarktreserve: Millionen von erwerbsfähigen Menschen arbeiten nicht und beziehen statt dessen Bürgergeld.
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