Am 23. Februar ist vorgezogene Bundestagswahl. Welche fiskalischen Folgen die Parteiprogramme für Anleger jeweils hätten.

Krise? Welche Krise? Geht es um die Entlastung bei Steuern und weiteren Abgaben, scheint während des Wahlkampfs auch in wirtschaftlich harten Zeiten kein Versprechen der Spitzenpolitiker zu hoch gegriffen. Die sechs nach den aktuellen Meinungsumfragen führenden Parteien loben allesamt Steuersenkungen aus – SPD, Grüne und BSW für kleine und mittlere Verdienste, CDU/CSU, AfD und FDP auch für größere Einkommen. An den folgenden für Anleger wichtigen Steuerstellschrauben müsste dafür in der nächsten Legislaturperiode gedreht werden.

Grundfreibeträge. Am einfachsten lassen sich die ausgerufenen Steuersenkungsversprechen durch eine Erhöhung des Grundfreibetrags einlösen. Das „steuerfreie Existenzminimum“ liegt aktuell bei 12.096 Euro für Alleinstehende und 24.192 Euro für zusammen veranlagte Partner. Die Bandbreite der Erhöhungsankündigungen bewegt sich zwischen 13.000 und 16.000 Euro. Union und SPD stellen in ihren Wahlprogrammen zudem in Aussicht, den Grundfreibetrag künftig „regelmäßig“ zu erhöhen. Dabei übersehen die Autoren geflissentlich, dass dies schon seit Jahren vollzogen wird, um die kalte Progression einzudämmen, etwa bei Gehaltserhöhungen.

Steuertarife. „Wer bietet mehr?“, lautet die essenzielle Frage beim Spitzensteuersatz von 42 Prozent, der für Alleinstehende aktuell ab 68.430 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen fällig wird. Die Union schlägt als neue Obergrenze 80.000 Euro vor, die FDP 96.600 Euro. Alles zu niedrig für den Bund der Steuerzahler, der für 100.000 Euro als Eintrittstarif in die Spitzensteuerklasse plädiert.

Abgeltungsteuer. Relativ klar sind die Fronten bei der 25-prozentigen Pauschalabgabe, die dem Fiskus dank hoher Zins- und Dividendeneinkünfte vergangenes Jahr rekordverdächtige 19,3 Milliarden Euro bescherte. Die SPD möchte die von ihrem Parteigenossen Peer Steinbrück 2009 eingeführte Abgeltungsteuer abschaffen. Auch Grüne, BSW und Linke möchten Zinsen, Dividenden und realisierte Kursgewinne steuerlich dem Arbeitseinkommen gleichstellen – inklusive der Belastung mit Sozialabgaben. Union und FDP tendieren dagegen eindeutig zu einer Beibehaltung der Abgeltungsteuer.

Soli-Zuschlag. Die Sonderabgabe ist Union, AfD und FDP 35 Jahre nach der Wiedervereinigung ein Dorn im Auge: Der Soli für Besserverdiener und Anleger soll komplett abgeschafft werden. Die Sozialdemokraten wollen den „guten alten Soli“ dagegen beibehalten, die Grünen ihn tariferhöhend in die Einkommensteuer einarbeiten. Dazwischenfunken könnte das Bundesverfassungsgericht, das bald seine Entscheidung zur Verfassungsbeschwerde gegen das Solidaritätszuschlagsgesetz verkünden dürfte. Die Beschwerdeführer argumentieren, dass die Weitererhebung mit Auslaufen des „Solidarpakts II“ Ende 2019 verfassungswidrig geworden sei.

Preis der Steuerprogramme. Bei der Gegenfinanzierung der zwischen 30 und 189 Milliarden Euro teuren Steuerversprechen bleiben alle Parteien eher vage. Hoffnungsträger ist bei CDU, AfD und FDP ein steigerungsfähiges Wirtschaftswachstum. SPD, Grüne und Linkspartei liebäugeln mit einem Aufweichen der Schuldenbremse. Sicher scheint: Weil keine Partei beim Wahltermin am 23. Februar die absolute Mehrheit erringen dürfte, ist keines der Steuerprogramme in Reinform umsetzbar, sondern nur als Kompromiss.

Die Parteien und ihre Steuer-Pläne im Vergleich

CDU – Schrittweise Abgaben senken

Einkommensteuer: Bei mittleren und höheren Einkommen soll der Steuertarif abgeflacht werden, der Spitzensteuersatz erst ab 80.000 Euro zu versteuerndem Einkommen greifen. Von der Abschaffung des Soli-Zuschlags (5,5 Prozent der Einkommen- oder Abgeltungsteuer) würden neben Gutverdienern auch Kapitalanleger profitieren.

Erben und schenken: Energetische Sanierungen von geerbten oder geschenkten Immobilien sollen bei der Erbschaftssteuer abziehbar werden. Die Erbschaftsteuerfreibeträge sollen steigen, um besonders den Erben und Beschenkten von Immobilien den Erhalt zu erleichtern.

Kapital und Vermögen: Die seit 1997 abgeschaffte Vermögensteuer soll nicht wieder erhoben werden. Für alle Sechs- bis 18-Jährigen soll eine Frühstart-Rente eingeführt werden. Dabei würde der Staat mit ganzen zehn Euro pro Monat die individuelle und kapitalgedeckte private Altersvorsorge der Heranwachsenden fördern. Der Zugriff auf das angesparte Kapital wäre für Begünstigte ab dem Renteneintritt möglich.


CSU – Ganz spezielle Wohltaten

Einkommensteuer: Die Pendlerpauschale (30 Cent pro Entfernungs-kilometer, ab dem 21. Kilometer 38 Cent) soll angehoben werden. Um Mehrarbeit attraktiver zu machen, sollen Überstundenzuschläge steuerfrei gestellt werden. Zudem sollen die Ehrenamts- (840 Euro pro Jahr) und die Übungsleiterpauschale (3000 Euro jährlich) weiter steigen.

Erben und schenken: Die Schwesterpartei der CDU drängt schon seit Längerem auf eine Reform der Erbschaftssteuer, weil in Bayern die Immobilienpreise stärker als in anderen Bundesländern gestiegen sind. Die Steuerfreibeträge für Erben und Beschenkte stagnieren aber seit 15 Jahren.

Kapital und Vermögen: Um die Schaffung von Immobilienvermögen für Bürger attraktiver zu machen, soll es bei der Grunderwerbsteuer Freibeträge geben, etwa beim erstmaligen Kauf oder Neubau eines Eigenheims. Auch bei Abschreibungen und Verlustverrechnungen soll es Erleichterungen geben. Die CSU lehnt ebenso wie die CDU die Wiedereinführung einer Vermögensteuer kategorisch ab.


SPD – Ran an die Betuchten

Einkommensteuer: 95 Prozent der Steuerpflichtigen sollen entlastet werden, Spitzen- und Reichensteuersatz (42 und 45 Prozent) aber um jeweils drei Prozentpunkte steigen. Der Soli-Zuschlag soll weiter erhoben werden. Überstundenzuschläge sollen steuerfrei gestellt und für Teilzeitbeschäftigung neue fiskalische Anreize gesetzt werden.

Erben und schenken: Die Erbschaft- und Schenkungsteuer soll reformiert werden. Dabei sollen Privilegien für Firmenerben bei der Übertragung von Betriebsvermögen gestrichen, „Omas kleines Häuschen“ für begünstigte Angehörige aber steuerlich nicht angetastet werden.

Kapital und Vermögen: Die 25-prozentige Abgeltungsteuer soll abgeschafft und Kapitaleinkünfte wie Arbeitseinkommen mit persönlichem Steuersatz (bis 45 Prozent) belegt werden. Die Wiedereinführung der Vermögensteuer für große Vermögen ab 100 Millionen Euro ist zumindest „vorstellbar“. Auf „spekulative Finanzgeschäfte“ soll eine Finanztransaktionssteuer erhoben werden.


Grüne – Vermögende belasten

Einkommensteuer: Der Arbeitnehmerpauschbetrag soll um 500 auf 1500 Euro steigen. Für niedrige Einkommen sollen zur weiteren Entlastung „Steuergutschriften“ eingeführt werden. Den Grundfreibetrag (12.096 Euro Singles) wollen die Grünen weiter erhöhen, den Soli-Zuschlag in den Einkommensteuertarif (12 bis 42 Prozent) integrieren.

Erben und schenken: Große Vermögen sollen durch eine höhere Erbschaft- und Schenkungsteuer stärker belastet, mittlere und kleinere Vermögen unangetastet bleiben. Gegen Steuer-Ausnahmen bei der Übertragung von Betriebsvermögen soll es „effektive Maßnahmen“ geben.

Kapital und Vermögen: Zur „Schließung von Gerechtigkeitslücken“ soll eine nationale Vermögensteuer auf sehr hohe Vermögen erhoben und darüber hinaus eine „globale Milliardärssteuer“ eingeführt werden. Zudem sollen Steuerschlupflöcher bei Vermögensübertragungen, insbesondere bei Immobiliengeschäften im Wege sogenannter Share-Deal-Konstruktionen, effektiv geschlossen werden.


FDP – Gutverdiener entlasten

Einkommensteuer: Der Spitzensteuersatz soll erst ab 96.600 Euro (Singles) greifen, aktuell ist er ab 68.430 Euro zu versteuerndem Einkommen fällig. Der Grundfreibetrag soll um 1000 auf 13.096 Euro steigen. Der Soli-Zuschlag soll abgeschafft, ein persönliches „Freiraumkonto“ eingeführt werden, um so steuerfrei für Weiterbildungen zu sparen.

Erben und schenken: Die Erbschaft- und Schenkungsteuer soll nicht erhöht werden, dafür aber der Steuerfreibetrag für Begünstigte. Steuerprivilegien für Firmenerben will die FDP erhalten, um Unternehmensnachfolgen zu sichern, Mittelstand und Familienunternehmen zu stärken.

Kapital und Vermögen: Die Wiedereinführung einer Vermögensteuer wird kategorisch abgelehnt. Am fertigen Gesetzentwurf für eine „Aktienrente“ wird festgehalten: Jeder für die private, kapitalgedeckte Altersvorsorge investierte Euro soll vom Staat mit 20 Cent bezuschusst werden.


Die Linke – Superreiche ins Visier nehmen

Einkommensteuer: Das steuerfreie Existenzminimum soll auf 16.800 Euro steigen. Die Steuerlast bei allen Bruttomonatsgehältern bis zu 7000 Euro (Singles) soll sinken, der Spitzensteuersatz bei höheren Einkommen von 42 auf 53 Prozent steigen. Topverdiener sollen auf ihr Einkommen einen „Reichensteuersatz“ von 75 Prozent entrichten.

Erben und schenken: Die Steuersätze für Erbschaften und Schenkungen sollen auf bis zu 60 Prozent erhöht werden.

Kapital und Vermögen: Eine Vermögensteuer mit einem Freibetrag für Privatvermögen von 1 Mio. Euro und für Betriebsvermögen von 5 Mio. Euro ist geplant. Zusätzlich soll eine einmalige Vermögensabgabe für Superreiche eingeführt werden.


AfD – Wohlhabende privilegieren

Einkommensteuer: Der Grundfreibetrag soll von 12.096 auf 15.000 Euro (Singles) erhöht werden, Steuersätze sollen gesenkt und der Soli-Zuschlag abgeschafft werden.

Erben und schenken: Die Erbschaftsteuer sowie die Grundsteuer auf Immobilien sollen abgeschafft werden.

Kapital und Vermögen: Eine Vermögensteuer soll es nicht geben, stattdessen soll die private Altersvorsorge steuerlich stärker gefördert werden.


BSW – Kapitaler Abgabenfokus

Einkommensteuer: Das steuerfreie Existenzminimum soll am Mindestlohn orientiert, gesetzliche Renten bis 2000 Euro steuerfrei bleiben.

Erben und schenken: Vererbte Vermögen oberhalb der Freibeträge sollen unabhängig von Verwandtschaft gleich besteuert werden.

Kapital und Vermögen: Eine Vermögensteuer soll reaktiviert und eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden.

Übrigens: Dieser Artikel erschien zuerst in der neuen Print-Ausgabe von BÖRSE ONLINE. Die finden Sie hier

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