Das Modell trägt verschiedene Namen. Inoffiziell heißt es Nahles-Rente, weil die damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hieß, und deren Ressort bei der Durchsetzung im Jahr 2018 federführend war. Offiziell heißt es Sozialpartnermodell, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter die Einführung in einem Unternehmen oder einer Branche gemeinsam beschließen müssen. Genau das wurde im März von Talanx und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi verkündet. Damals sprach Talanx von einem "Durchbruch in der betrieblichen Altersvorsorge". In der Tat wäre es eine bundesweite Premiere gewesen - bislang wurde noch kein einziges solches Modell umgesetzt.
Beide Seiten erklärten damals zwar, dass die Versicherungsaufsicht Bafin noch zustimmen müsse. Doch noch Anfang Juni erklärte eine Talanx-Sprecherin gegenüber boerse-online.de, die Bafin liege in dieser Sache "in den letzten Zügen".
An diesem Donnerstag erklärte die Sprecherin, dass die Vertragswerke noch immer der Bafin zur Freigabe vorlägen. "Aus diesem Grund wird das Projekt heute nicht starten." Man rechne mit einer kurzfristigen Freigabe. Einen neuen Starttermin nannte die Sprecherin nicht. Auf jeden Fall solle er nach den Sommerferien liegen, um die aktuell "vielen abwesenden Mitarbeiter*innnen" gleichzeitig informieren zu können.
Talanx will sich gegenüber seinen Mitarbeitern sehr großzügig zeigen, damit sie diese freiwillige Leistung in Anspruch nehmen. So würde der Konzern für jeden Euro, den ein Mitarbeiter einzahlt, in etwa einen weiteren Euro drauflegen.
Die Verschiebung ist für Talanx auch insofern enttäuschend, als man große Hoffnungen darauf setzt, als Produktanbieter für die Nahles-Rente zu reüssieren. So hat Talanx gemeinsam mit dem Versicherer Zurich die "Deutsche Betriebsrente" gegründet, die sowohl bei Talanx als auch bei anderen Unternehmen als Dienstleister zur Verfügung steht.
Die Nahles-Rente ermöglicht, die Kundenguthaben ohne Restriktionen anzulegen. So gibt es explizit keine Garantien für Auszahlungen. Bislang ist in der betrieblichen Altersvorsorge zumeist die sogenannte Bruttobeitragsgarantie vorgeschrieben, wonach zumindest die Einzahlungen von Kunden und Arbeitgebern zu Renteneintritt erhalten sein müssen. Der Wegfall dieser Restriktionen soll erhebliche Investments in Aktien ermöglichen und damit die Renditechancen erhöhen.
Von der Bafin war bis auf weiteres keine Stellungnahme erhältlich.
Nachtrag: Ein Bafin-Sprecher reagierte mittlerweile auf die Anfrage. Er lehnte einen Kommentar zu Talanx mit dem Hinweis ab, man äußere sich nicht zu Einzelfällen. Generell gelte, dass das Sozialpartnermodell "eine Vielzahl neuer Fragestellungen" aufwerfe. "Es liegt in der Natur der Sache, dass mit der Implementierung eines neuen Vorsorgemodells gewisse Unwägbarkeiten verbunden sein können - zumal mit den Tarifvertragsparteien, dem Anbieter und der Aufsicht verschiedene Beteiligte eingebunden sind."