Wohnungskauf: Wer eine Neubauwohnung als Kapitalanlage wählt, hofft auf solide Renditen. Diese gibt es jedoch nur dann, wenn nicht bloß die Lage stimmt, sondern auch der Bauträger taugt. Von Bernhard Bomke



Jens Rautenberg schlägt Alarm. Er ist Chef des Kölner Beratungsunternehmens Conversio und prüft im Auftrag von Banken, Maklern oder Anlageberatern Immobilien, darunter viele Wohnungen. Seine Erfahrung: "Jedes Jahr werden in Deutschland allein über Finanzdienstleister Zehntausende Eigentumswohnungen verkauft. Da sind viele gute Objekte dabei, aber auch viele grausam schlechte." Für Anleger, die mit dem Kauf einer Wohnung zumeist das größte Investment ihres Lebens tätigen, heißt dies: "Wenn das in die Hose geht, sind sie ruiniert." Als Hauptrisiken nennt Rautenberg schlechte Lagen, zu hohe Preise und miserable Bauträger.

Mit schlechten Lagen meint der gebürtige Sauerländer nicht die Walachei, denn er analysiert nur in Städten ab 100 000 Einwohnern und in ihren Speckgürteln. "Es werden heutzutage Standorte angeboten, damit hätte sich vor fünf Jahren kein Mensch befasst", sagt Rautenberg, der seit fast 18 Jahren mit Immobilien zu tun hat, zunächst im Vertrieb, später als Berater für Berater, die Wohnungen verkaufen. "Wenn links und rechts der Immobilie Gleise liegen und obendrüber die Einflugschneise zum nächsten Flughafen ist, hätte man da früher nicht gebaut. Heutzutage aber sagt ein Bauträger: ,Da bauen wir Mikroapartments für Studenten hin. Die mieten auch so etwas.‘" Conversio rät von derlei ab, weil die Kölner nicht daran glauben, dass sich solche Wohnungen langfristig gut vermieten lassen.

In vielen Fällen, so fürchtet Rautenberg, werden Wohnungskäufer ihr blaues Wunder erleben. "Wir hatten im vergangenen Jahr gut 200 Immobilien in der Prüfung, davon konnten wir 40 empfehlen", erzählt er. Das entspricht 20 Prozent. "Das Problem: Nicht nur die 40 wurden verkauft, sondern alle 200." Mithin also auch die 80 Prozent, die Conversio als nicht empfehlenswert einstufte. "Die Leute haben Panik, dass sie keine Wohnung mehr abbekommen." Das führe zu Leichtsinn. 2018, so schätzt Rautenberg, wird die Quote der Immobilien, die er empfehlen kann, noch geringer ausfallen.

Nur 30 Bauträger sind top



Als großen Risikofaktor sieht er obendrein die Bauträger. "Nach unseren Kriterien sind in Deutschland nur etwa 30 Bauträger richtig gut", sagt Rautenberg. 90 weitere ordnet er als noch okay ein. Macht zusammen 120. Auf der anderen Seite stehen mehr als 200 Bauträger, von denen sein Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren mehr oder weniger dringend abgeraten hat.

Typische Gründe sind Insolvenzen oder Geschäftsführer, die ständig wieder irgendwo auftauchen, zuvor aber immer nur rote Zahlen geschrieben haben. Oftmals stellen die Prüfer fest, dass die Unternehmen gar keine belastbare Finanzierung für ihr Projekt abgeschlossen haben. "Die leben von der Hand in den Mund." Da stellt sich dann nicht mehr die Frage, wann ein Wohnungsbauprojekt fertig wird, sondern ob überhaupt. "Auch gute Bauträger schaffen es inzwischen nicht mehr, ihre Fertigstellungstermine zu halten", sagt Rautenberg. Wegen des massiv gestiegenen Bedarfs an Wohnungen versuchten sie, mehr Neubauten zu errichten, als sie eigentlich schaffen könnten.

Conversio betrachtet bei den Analysen bis zu 300 Einzelaspekte - von der Bonität des Bauträgers bis hin zur Einschätzung des jeweiligen Wohnungsmarkts. Im Idealfall profitieren Kapitalanleger mittelbar von solchen Checks. Das wäre dann der Fall, wenn sie von Vermittlern nur solche Neubauwohnungen angeboten bekämen, die tatsächlich fertiggebaut werden, weil der Bauträger in der Bauphase nicht pleitegeht, und die langfristig zu vermieten sind, weil die Lage stimmt. Erst dann besteht eine Chance auf die erhoffte Rendite von vielleicht drei bis vier Prozent im Jahr.

Rautenbergs Einschätzungen zum Hoppla-Hopp am Bau und zu den damit verbundenen Risiken bestätigt der Bauherren-Schutzbund (BSB). Nach seiner Statistik hat die Zahl der Schäden an Wohnungsneubauten seit 2009 um 89 Prozent zugenommen. Besonders mangelanfällig sind demnach Dächer, Decken, Wände und die Haustechnik. Oft geht es um Themen wie eindringende Feuchtigkeit, Messfehler und falsche Abdichtungen. Auch das Schadenvolumen je Fall hat im gleichen Zeitraum stark zugelegt, und zwar von gut 50 000 Euro auf 84 000 Euro.

Fehleranfälligkeit nimmt zu



BSB-Geschäftsführer Florian Becker begründet den Zuwachs neben der hohen Auslastung der beteiligten Unternehmen auch mit unzureichender Planung und einem Mangel an Fachkräften. "Bauen wird durch höhere gesetzliche Anforderungen und komplexere Bauteile immer komplizierter", sagt Becker. "Dadurch steigt die Fehleranfälligkeit bei der Planung und Bauausführung." Er rät Bauherren oder Investoren, im Zweifelsfall einen Bausachverständigen einzuschalten (siehe "Wohnungskauf: Worauf Sie achten sollten").

Nach den Erfahrungen von Conversio-Chef Rautenberg, der in Köln neun Mitarbeiter beschäftigt, häufen sich obendrein die Fälle, in denen ein eingeplanter Handwerker plötzlich abspringt. Auch das führe dazu, dass Neubauten nicht rechtzeitig fertig werden. "Da heißt es dann, man habe einen neuen Auftrag reinbekommen, für den es mehr Geld gebe." Wegen der starken Nachfrage nach Handwerkerleistungen könnten sich die Betriebe eine solche Gangart leisten. Das Nachsehen hätten die Bauträger - und die Käufer der Wohnungen, deren Renditerechnung nicht mehr aufgehe.

Wohnungskauf: Worauf Sie achten sollten



Wer überlegt, eine Neubauwohnung als Kapitalanlage zu erwerben, sollte vom Anlageberater belastbare Informationen über die Immobilie, den Standort und den Bauträger verlangen. Dazu rät Jens Rautenberg vom Kölner Beratungsunternehmen Conversio. Der Bauherren-Schutzbund empfiehlt zudem, nach dem erfolgten Kauf einer Wohnung regelmäßig auf der Baustelle vorbeizuschauen, um die Gefahr von Bauschäden zu verringern.

Bonität des Bauträgers: Wohnungskäufer sollten versuchen, über Creditreform oder eine andere Auskunftei in Erfahrung zu bringen, wie es um die Bonität des Bauträgers steht. "Der Anleger verhindert damit, an einen Anbieter zu geraten, der eine schlechte Zahlungsmoral aufweist oder sich bereits in einer Insolvenz befindet", sagt Rautenberg.

Geschäftslage des Bauträgers: Übers Internet können sich Interessenten im Unternehmens- oder Handelsregister über den Bauträger informieren. So lässt sich zum Beispiel in Erfahrung bringen, ob das Unternehmen schwarze Zahlen schreibt und ob das Management alle paar Wochen wechselt oder langfristig dabei ist.

Referenzliste verlangen: Beim Anlagevermittler oder Bauträger sollten Anleger eine Referenzliste der bisherigen Bauprojekte anfordern. Verweigert ein Bauträger die Auskunft über seine vollendeten Projekte, sollten Kaufinteressenten misstrauisch werden. Gleiches gilt für den Fall, dass die bisherigen Bauvorhaben häufig viel später fertig wurden als geplant.

Bausachverständigen einschalten: Wenn der Kauf erfolgt ist und es auf der Baustelle vorangeht, gibt es immer noch die Gefahr, dass es zu Baufehlern kommt, die sich zu größeren Schäden auswachsen können. Wenn Sie unsicher sind, ob bei dem Projekt sauber gearbeitet wird, schalten Sie einen Bausachverständigen ein.