Der Bundefinanzhof (BFH) hält den gesetzlichen Zinssatz von 6,0 Prozent pro Jahr für sogenannte Aussetzungszinsen für verfassungswidrig. Die oberersten Finanzrichter haben deshalb nun per Beschluss das Bundesverfassungsgericht angerufen.

Der konkrete Fall:

Ein Bürger hatte seinen Einkommensteuerbescheid für 2012 angefochten. Dessen Vollziehung setzte das Finanzamt aus. Seine Klage blieb aber letztlich erfolglos. Aussetzungszinsen von 6 Prozent p.a. wurden für 78 Monate festgesetzt, unter anderem für den Zeitraum von 01.01.2019 bis zum 15.04.2021. Der Kläger wandte sich gegen die Zinsfestsetzung. 

Der neue Beschluss  des Bundesfinanzhofs:

Nach Auffassung des BFH ist ein Satz für die Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung in Höhe von 6 Prozent p.a. gemäß der Abgabenordnung im Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 15.04.2021 mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar. Zumindest während einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase ist der gesetzliche Zinssatz der Höhe nach evident nicht (mehr) erforderlich, um den durch eine spätere Zahlung typischerweise erzielbaren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen. Die oberersten Finanzrichter haben deshalb nun per Beschluss das Bundesverfassungsgericht angerufen (Az. VIII R 9/23).

Die rechtlichen Hintergründe:

Einspruch und Klage haben im Steuerrecht grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung: Die Erhebung einer Abgabe wird nicht aufgehalten und der Steuerpflichtige muss die festgesetzte Steuer zunächst zahlen. Die aufschiebende Wirkung von Einspruch und Klage kann aber in einem summarischen Verfahren auf Antrag bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids von Finanzamt oder Finanzgericht gesondert durch die Aussetzung der Vollziehung (AdV) angeordnet werden. Für den Steuerpflichtigen bedeutet das einerseits, dass er die Steuer zunächst nicht zahlen muss. Andererseits droht ihm eine Belastung mit Zinsen, wenn sein Rechtsmittel endgültig ohne Erfolg bleibt und er die Steuer „nachträglich“ zahlen muss. 

Entscheidung zu Nachzahhlungszinsen

2021 hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass eine Vollverzinsung von Steuerschulden mit einem Satz von sechs Prozent p.a. nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der Gesetzgeber musste rückwirkend aber erst ab dem Veranlagungsjahr 2019 Abhilfe schaffen. Nachzahlungszinsen werden seit dem 01.01.2019 lediglich mit einem Zinssatz von 0,15 Prozent für jeden Monat, also 1,8 % p.a. berechnet. Diese werden fällig, wenn sich eine Steuernachzahlung oder eine Erstattung um mehr als 15 Monate verzögern. 

Die Chancen auf eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung:

Da Steuerpflichtige, die Zinsen schulden, weil sie die Steuer nach Aussetzung der Vollziehung nicht bezahlt haben, und Steuerpflichtige, die Nachzahlungszinsen entrichten müssen, weil ihre Steuerfestsetzung zu einem Unterschiedsbetrag geführt hat und sie geschuldete Abgaben erst später zahlen müssen, ungleich behandelt werden, stehen de Chancen auf eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung  des Bundesverfassungsgerichts auch in diesem Fall gut.

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