Dieselfahrzeuge: Das richtungweisende Urteil des Bundesgerichtshofs könnte eine Klagewelle gegen Autobauer auslösen. Wie diese reagieren und was Autofahrer machen können.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem richtungweisenden Urteil die Hürden für Schadenersatzansprüche von Dieselkäufern in Deutschland deutlich gesenkt. Dabei geht es um Ansprüche bei Dieselfahrzeugen mit einer von den Richtern als illegal eingestuften Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung („Thermofenster“). Drei Dieselfahrer hatten im Nachgang zum VW-Abgasskandal gegen Mercedes, Audi und VW auf Rückabwicklung ihrer Kauf- und Finanzierungsverträge geklagt.
Mit dem Urteil hat der BGH eine Trendwende vollzogen und einen neuen Schadenersatzanspruch begründet. Unter dem Eindruck eines EuGH-Urteils vom Frühjahr urteilten die BGH-Richter jetzt, dass bereits reine Fahrlässigkeit für Schadenersatzansprüche gegen die Hersteller ausreicht. Bislang hatte der BGH Ausgleichsansprüche nur bei Vorsatz und sittenwidriger Schädigung zugesprochen. Fahrzeughalter sind nach dem Urteil auch nicht mehr in der Nachweispflicht, dass die Hersteller die Software mit Absicht manipuliert haben. Damit könnten nicht nur deutlich mehr Autofahrer Ansprüche auf Schadenersatz haben. Sie könnten diese grundsätzlich gegen sämtliche Autohersteller richten, die unter dem Vorwurf stehen, Dieselfahrzeuge manipuliert zu haben. Neben Mercedes, Audi und VW wären dies auch BMW, Opel und Fiat. Verbraucheranwälte sehen nun eine Klagewelle auf die Autokonzerne zurollen.
Ansprüche begrenzt
Ein paar Einschränkungen gibt es aber: So begrenzten die Richter die Höhe des Schadenersatzes auf fünf bis 15 Prozent des gezahlten Kaufpreises, abzüglich einer Nutzungsentschädigung für bereits gefahrene Kilometer. Eine komplette Rückabwicklung des Kaufs komme dagegen nicht infrage, urteilten die Richter.
Das Urteil gilt als wegweisend für mehr als 2000 laufende Verfahren am BGH und 100 000 offene Verfahren an deutschen Gerichten.
Die Autohersteller reagierten auf das Urteil zurückhaltend. VW rechnete weiter mit der Abweisung von Klagen. Mercedes betonte, es müsse weiter im Einzelfall geklärt werden, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliege beziehungsweise fahrlässiges Handeln. BMW wollte zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten.
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer erwartet weder eine Klagewelle noch seien bei inzwischen acht bis zehn Jahre alten Fahrzeugen substanzielle Schäden quantifizierbar. Zudem seien die Thermofenster vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) genehmigt worden, deswegen liege die Haftung wenn dann dort beziehungsweise im Verkehrsministerium.
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Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Volkswagen Vz..