BROKERWAHL 2023 Ob Filiale, Direktbank oder reiner Onlinebroker: 72 834 Kunden gaben in der traditionellen BÖRSE-ONLINE-Leserwahl ihre Stimme ab. Lesen Sie, was Kunden empfehlen.
Unterschiedlicher könnten die bestplatzierten Anbieter bei unserer diesjährigen Leserwahl zum „Onlinebroker des Jahres“ kaum sein — und sehr unterschiedlich sind auch die Kundengruppen, die die diesjährigen Favoriten ansprechen: Unter den Tops finden sich eine kleine Privatbank, die sich an wohlhabendere Kunden richtet, Neobroker, die auch, aber nicht nur, die Gen Z für die Börse begeistern möchten, ein Top-US-Anbieter, der auch erfahrene Profi-Anleger bedient, und natürlich der Dauersieger im Test, Deutschlands größte Direktbank. Aber der Reihe nach.
Filialsieger in der Beliebtheit bei den eigenen Kunden ist in diesem Jahr die Merkur Privatbank KGaA, eine kleinere inhabergeführte Privatbank mit einer Bilanzsumme von 3,22 Milliarden Euro: „Wir versuchen, das Beste aus zwei Welten zu leben. Jeder, der bei uns ein Depot eröffnet, bekommt einen persönlichen Ansprechpartner aus einem unserer 20 Standorte bundesweit. Aber auch für die betuchtere Kundschaft einer Privatbank ist es mittlerweile selbstverständlich, auch online Wertpapiere zu kaufen“, erzählt Markus Lingel, persönlich haftender Gesellschafter der Merkur Privatbank — eigenen Angaben nach die einzige deutsche Bank, die gleichzeitig inhabergeführt und börsennotiert ist. „Wir legen Wert auf unsere Handschlag-Mentalität.“ Seit 2012 bietet sie ein Onlinedepot an, das inzwischen auch über eine App geführt werden kann.
Die Bank zielt auf eine wohlhabendere Kundschaft ab: „Wir sehen uns allerdings nicht als Bank für Multimillionäre, sondern sind fest im Mittelstand verankert." Wertpapierkunden zahlen -anders als bei so manch anderer Filialbank - keine Depotgebühren. Wer indes nur für weniger Hundert Euro Wertpapiere kaufen möchte, ist hier an der falschen Adresse. Wertpapierkauf ab einer Ordergröße von 10.000 Euro aufwärts ist mindestens so günstig wie bei einer klassischen Online-Bank - zu einer einheitlichen Online-Flat-Fee von 25 Euro zuzüglich Börsenspesen. Auslandsaufträge online kosten einheitlich 50 Euro. Für Aufträge, die telefonisch oder über die Filiale aufgegeben werden, kommen 0,5 Prozent vom Orderwert hinzu.
Die besten Broker 2023
Bei der Merkur Privatbank gelten die Zinssätze auf Tages- und Festgeld stets nicht nur für Neukunden, sondern auch für Bestandskunden. Derzeit gibt es ein Prozent auf herkömmliches Tagesgeld und 2,25 Prozent beim Festgeld Classic bei ein- jähriger Anlage; die Mindestanlagesumme beträgt jeweils 10 000 Euro. Höhere Zinsen sind für Wertpapieranleger möglich — wer ein Depot führt, bekommt zwei Prozent Zinsen auf Tagesgeld für Einlagen bis 100 000 Euro. Das Produkt „Invest Plus“ richtet sich ebenfalls an Wertpapieranleger, die Wert auf höhere Festgeldzinsen legen. Immer dann, wenn sie ihr Depot oder ihre Vermögensverwaltung durch den Kauf oder Übertrag von Wertpapieren im Wert von mindestens 25 000 Euro aufstocken, können sie für den gleichen Anlagebetrag zusätzlich ein Festgeld mit vier Prozent Zinsen per annum anlegen, mit Laufzeiten von drei bis zwölf Monaten.
Im vergangenen Jahr ist die Bank um mehr als 6000 Kunden gewachsen. Fast jeder fünfte Neukunde hat auch gleich ein Depot eröffnet. Für 2023 hat sie sich Ähnliches vorgenommen. Das durchschnittliche Depotvolumen der Kundschaft liegt bei mehr als 250 000 Euro. Insgesamt hat die Bank derzeit über 11 000 Depotkunden.
Platz 1 bei den Direktbanken geht an die ING Deutschland. „Wir freuen uns, dass wir die Kategorie Direktbanken klar für uns entscheiden konnten“, sagt Thomas Dwornitzak, Leiter Sparen und Anlegen der ING Deutschland. Kein anderer Brokerage-Anbieter hat die Auszeichnung „Onlinebroker des Jahres“ häufiger gewonnen als die ING Deutschland. Die bundesweit mit Abstand größte Direktbank, inzwischen kundenmäßig die drittgrößte Bank Deutschlands, war in den 24 Jahren dieser Umfrage insgesamt 16-mal siegreich. Inzwischen führt sie gut 2,29 Millionen Wertpapierdepots hierzulande. Besonders beliebtes Produkt sind Wertpapier-Sparpläne, allen voran ETF-Sparpläne, gefolgt von Einzelaktien. Kunden besparten Ende 2022 bereits 1,6 Millionen Wertpapier-Sparpläne, im Schnitt mit einer Rate von 135 Euro. Für „sehr wichtig“ hält die ING Deutschland ein gutes
Zinsangebot. „Damit sind wir groß geworden, unsere Kunden schätzen das“, sagt Dwornitzak. Sie hat 2022 ihr Versprechen gehalten, sobald wie möglich die Negativzinsen abzuschaffen. „Wir hatten sie mit als letzte eingeführt und auch als erste wieder abgeschafft“, sagt Dwornitzak. „Wir wollen hier wieder zum Taktgeber werden. Wenn es das Zinsumfeld ermöglicht, werden wir unsere Zinskonditionen sicherlich noch einmal anheben.“ Derzeit gibt es auf Tagesgeld 0,6 Prozent. Kunden, die ihr erstes Tagesgeldkonto eröffnen, bekommen in den ersten vier Monaten aktuell zwei Prozent Bonuszins per annum auf Einlagen bis 50 000 Euro. „Beim Zinsangebot für Neukunden haben wir den Anspruch, ganz vorne mit dabei zu sein“, sagt Dwornitzak.
Geplante Meilensteine für 2023 betreffen insbesondere die App: „Wir werden weiter massiv in die App investieren und erweitern unter anderem die Wertpapiersuche. Alles, was über die Website selbst-verständlich ist, soll sukzessive auch in der App möglich sein“, so Dwornitzak. 2023 setzt die ING stark auf das Thema Nachhaltigkeit: „Wir möchten unseren Kunden umfassende Nachhaltigkeitsinfos zu Aktien, Fonds und ETFs geben, verbunden mit einer klaren Einordnung durch uns, wie nachhaltig etwas ist.“ Kunden sollen selbst filtern können, auf welche Nachhaltigkeitsaspekte sie besonders Wert legen. Dazu soll es ein eigenes Nachhaltigkeitsscoring geben. „Für einige Kunden ist es zum Beispiel spannend zu sehen, für wie viel CO2-Ausstoß bestimmte Fonds oder Unternehmen stehen.“ Zudem wird die Bank im Frühjahr ihr Girokonto um eine nachhaltige Option erweitern.
Auch wenn der Brokerage-Markt derzeit nicht mehr so stark wächst wie 2019/2020, erwartet die ING Deutschland für 2023 einen „weiteren Schub“ bei der Kundenzahl und ebenso bei den Wertpapierkunden. Sieger in der Kategorie der reinen Onlinebroker ist der Neobroker Justtrade: Trading ist bei ihm für null Euro Orderprovision möglich. Die Ordergröße (außer bei Kryptowerten) muss hier mindestens 500 Euro betragen. „Wir prüfen derzeit, ob wir künftig auch kleinere Orders ermöglichen können. Das wird dann aber nicht provisionsfrei möglich sein“, erzählt Mitgründer und Geschäftsführer Michael B. Bußhaus. Als erster Onlinebroker in Deutschland hatte Justtrade im Herbst 2020 den Handel mit echten Kryptotoken gestartet. Inzwischen gibt es Kryptos unter anderem auch bei Trade Republic und Finanzen.net zero. Bei den meisten anderen Brokern sind Kryptos bis dato nur in verpackter Form als Exchange Traded Product erhältlich. Der Kryptohandel ist zwar nach den Skandalen um die pleitegegangene Handelsplattform FTX und den erheblichen Kurseinbrüchen 2022 „derzeit ziemlich verhalten“, erzählt Bußhaus, aber Pläne, den Kryptohandel wieder einzustampfen, hegt man nicht. „Wir möchten, dass alle, die Wertpapiere oder Kryptos traden wollen, auch möglichst unkompliziert traden können.“
Im Fokus für 2023 steht bei Justtrade, die App weiter auszubauen. Neu ist der Limithandel an der Tradegate Exchange: „Neben dem börslichen Direkthandel bieten wir damit die Möglichkeit der Ordererteilung mit modernen Ordertypen und Limitfunktionalitäten auch an unserer dritten Börse an“, sagt Bußhaus. Die anderen beiden Handelsplätze, die Kunden von Justtrade nutzen können, sind LS Exchange und Quotrix. Zinsen sind für Justtrade „kein Thema. Wir sind ein reiner Wertpapier- und kein Zinsbroker. Unsere Kunden können bei Bedarf über Geldmarktprodukte oder -ETFs von den gestiegenen Marktzinsen profitieren.“