Die Zinswende in der Euro-Zone hinterlässt Spuren am Immobilienmarkt. In den Niederlanden fallen die Preise für Häuser und Wohnungen angesichts der teurer gewordenen Baufinanzierung bereits deutlich. Was das für Deutschland bedeutet. Von Jens Castner
Im dritten Quartal seien die durchschnittlichen Hauspreise im Vergleich zum vorangegangenen Vierteljahr um 5,8 Prozent gesunken, wie der Verband der niederländischen Immobilienmakler (NVM) am Donnerstag mitteilte. Dieser führt den Rückgang auf die steigende Hypothekenzinsen zurück. Die durchschnittlichen Zinssätze für eine 20-jährige Hypothek ohne staatliche Garantien seien auf 4,3 Prozent gestiegen. Ende 2021 waren es noch etwa 1,4 Prozent.
Ob es auch am deutschen Immobilienmarkt zu einem Preisverfall kommen wird, ist indes unklar. Makler berichten landauf, landab von sinkender Nachfrage. Allerdings sind die Kosten für Neubauten dramatisch gestiegen, was auch Bestandswohnungen stützt.
Die Preise für den Bau neuer Wohngebäude haben sich im August im Vergleich zum Vorjahresmonat um 16,5 Prozent verteuert, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Damit hat sich der Anstieg etwas zwar verlangsamt: Im Mai 2022 ware es noch 17,6 Prozent, der höchste Anstieg seit mehr als 50 Jahren. Aber ein Ende der Preisspirale ist nicht abzusehen. Denn von Mai bis August erhöhten sich die Baupreise um weitere 2,6 Prozent.
Jetzt Immobilien verkaufen?
Für Immobilieneigentümer stellt sich nun die Frage: Jetzt schnell verkaufen, bevor auch hierzulande die Preise purzeln? Im Moment sieht es nicht nach einem drastischen Einbruch aus, auch wenn die Bundesbank schon seit geraumer Zeit vor einer Immobilienblase warnt. Denn der Bedarf an neuen Wohnungen bleibt groß. Die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt spricht weiterhin von extremer Knappheit. Das Wohnungsdefizit werde Ende des Jahres einen traurigen Spitzenwert erreichen. „Dann werden in Deutschland weit über 700.000 Wohnungen fehlen“, so der IG-BAU-Vorsitzende Robert Feiger kürzlich. Es fehle vor allem an bezahlbarem Wohnraum.
Dessen ungeachtet, stuft die Ratingagentur Moody's die Wahrscheinlichkeit sinkender Immobilienpreise in ganz Europa als hoch ein, da Inflation und Zinsen steigen, während zugleich eine Rezession droht. „Da Hypotheken teurer werden, wird die Nachfrage nach Wohnraum zurückgehen, was nach mehreren Jahren des Wachstums wahrscheinlich zu einer Abschwächung der Hauspreise führen wird“, schreiben die Moody’-Analysten
Die schlechte Nachricht für Immobilienkäufer: Selbst für den Fall sinkender Preise dürfte Wohneigentum nicht erschwinglicher werden, da zum einen die Ersparnisse würden wegen der stark steigenden Lebenshaltungskosten schwinden. Zum anderen steigen die Kosten von Krediten – nicht nur in den Niederlanden, sondern insbesondere auch Deutschland und Portugal ab. Dabei steht Euroland noch vergleichsweise gut da. „Märkte mit einem höheren Anteil kurzfristiger Kredite mit festem oder variablem Zinssatz, wie das Vereinigte Königreich und Schweden, sind einem größeren Risiko einer größeren Korrektur ausgesetzt“, so Moody’s.
Notverkäufe sind in Deutschland angesichts der Wohnraumknappheit und der steigenden Neubaupreise sicher nicht angezeigt. Immobilienpreise verfallen nicht in dem Maße wie Aktienkurse. Der Immobilienboom Anfang der 1990er-Jahre endete in einer langen Seitwärtsbewegung ohne größere Preisrückgänge.
Immobilienaktien auf Talfahrt
Immobilienaktien allerdings haben zuletzt eine Welle von Panikverkäufen erlebt. Selbst der DAX-Titel Vonovia als Marktführer bleib davon nicht verschont. Seit Jahresanfang verlor die Aktie mehr als die Hälfte an Wert. Etliche Immobilienaktien notieren zudem um mehr als 50 Prozent unter dem Substanzwert ihrer Liegenschaften. Auf Schnäppchenniveau ist beispielsweise der Gewerbeimmobilienspezialist Aroundtown angelangt. Die Aktie weist eine Dividendenrendite von mehr als zehn Prozent auf.