Der Bundesfinanzhof hat eine Entscheidung mit großer finanzieller Tragweite getroffen: Ausländische Investmentfonds, die in der Vergangenheit mit Kapitalertragsteuer belastete Dividenden deutscher Aktiengesellschaften erhalten haben, können sich die Abgabe erstatten lassen (Az. I R 1/20). Steuerexperte Daniel Sahm erklärt die Hintergründe
Börse Online: Profitieren auch Anleger davon , dass ausländische Investmentfonds ihre bis 2017 gezahlte Kapitalertragsteuern auf deutsche Dividenden in Höhe von bis zu vier Milliarden Euro zurückfordern können?
Daniel Sahm: Auch die Fondsanleger können von der Erstattung der Kapitalertragsteuer profitieren. Wenn die Fondsgesellschaft eine Erstattung der zu Unrecht erhobenen Kapitalertragsteuer erhält, könnte sich dies zugunsten der Anleger auswirken, indem beispielsweise Erstattungen an den Fonds erfolgen.
Haben Fondsanleger durch das BFH-Urteil einen direkten Erstattungsanspruch?
Die Erstattung fließt dem Fonds selbst zu. Fondsanleger sind indirekt betroffen, da sich eine solche Rückerstattung positiv auf den Wert des Fondsvermögens auswirken kann. Direkte Ansprüche der Anleger auf die Erstattung der Kapitalertragsteuer existieren jedoch in der Regel nicht.
Müssen betroffene Anleger hier selbst aktiv werden – oder ist die Fondsgesellschaft in der Bringschuld?
Die Verantwortung für die Geltendmachung der Erstattungsansprüche liegt bei der Fondsgesellschaft und nicht bei den einzelnen Anlegern. Die Fondsgesellschaft muss aktiv werden und die Erstattung der zu Unrecht erhobenen Kapitalertragsteuer beantragen. Anleger können und müssen keine eigenen Schritte unternehmen. Der Anleger kann sich über den Status der Erstattungsanträge bei der Fondsgesellschaft oder dem Fondsverwalter informieren.
Was passiert, wenn Anleger die Fondsanteile zwischenzeitlich verkauft haben, das Depot aufgelöst ist oder sie verstorben sind?
Wenn Anleger ihre Fondsanteile zwischenzeitlich verkauft haben, haben sie leider keinen Anspruch auf eine nachträgliche Erstattung, da sie nicht mehr am Fondsvermögen beteiligt sind. Für die Erstattung der zu Unrecht erhobenen Kapitalertragsteuer sind die Fondsgesellschaft und der Fonds selbst verantwortlich. Bei verstorbenen Anlegern profitiert der Erbe von etwaigen Rückerstattung an die Fonds, sofern die Erben die Fondsanteile noch halten und noch nicht zwischenzeitlich verkauft haben.
Wie hat sich die Investmentsteuer-Reform, die seit 2018 ausländische und inländische Investmentfonds gleich behandelt, in der Praxis bewährt?
Die Investmentsteuerreform von 2018 brachte eine steuerliche Gleichbehandlung von in- und ausländischen Investmentfonds und setzte damit wichtige unionsrechtliche Vorgaben um. Diese Änderung wurde überwiegend positiv bewertet, da sie zu einer Harmonisierung der Steuerregeln führte. Mit der Einführung der Vorabpauschale und der Vereinheitlichung der Besteuerung von Erträgen bei Publikumsfonds wurde das System insgesamt vereinfacht. Allerdings wird die steuerliche Behandlung von thesaurierender Fonds kritisiert, da bereits eine Versteuerung vor dem Zufluss erfolgt, was zu einer höheren steuerlichen und administrativen Belastung bei den Anlagern führt.
Zur Person: Daniel Sahm ist Partner der Steuerkanzlei Gärtner & Sahm in Rottenburg bei Landshut und auf Besteuerungsfragen bei Kapitalanlagen spezialisiert
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